Düsseldorf: „Die Zirkusprinzessin“

Besuchte Premiere am 13.11.15

Manege frei für Unterhaltung

Sehr schön gemachter TRAILER

Die Übernahmepremiere der Übernahmepremiere von Emmerich Kalmans "Die Zirkusprinzessin" fand mit viel Erfolg am Düsseldorfer Opernhaus statt, nach dem Circus Krone in München und dem Duisburger Opernhaus gibt es die amüsante Operette jetzt auch in der NRW-Landeshauptstadt zu genießen. Eine leider seltene Gelegenheit, denn nach Die Csardasfürstin und Gräfin Mariza ist Die Zirkusprinzessin, einst das dritte Zugpferd unter Kalmans Erfolgen, in den letzten Jahrzehnten aus dem ohnehin immer schmaler werdenden Operettenrepertoire gerutscht.

Dabei bietet das Werk alles was eine Operette der Silbernen Operetten Ära bieten muß: ein schönes Rahmensujet das das russische mit dem Zirkusmilieu vermischt, ein tragisches Finale im zweiten Akt, das sich dann im dritten Akt in Wien auflösen darf. Letzterer bringt dann noch als "Porzellantante" eine resolut emanzipierte Wiener Hotelierswitwe mitsamt dem treuen Oberkellner Pelikan, eine Komikerrolle die zur Uraufführung Hans Moser auf den Leib geschrieben wurde.

Sigrid Hauser und Wolfgang Reinbacher erledigen das mit trockenem Wiener Charme und Schmäh. Überhaupt erfreut die resche Wiener Besetzung des Buffopaares mit Originalsprachlern, zumindest klingt es für uns Deutsche so. Susanne Grossteiner als Hunddresseurin Mabel entpuppt sich als echtes Weaner Madl und Christoph Filler als Hotelierssohn Toni Schlumberger gibt den Kren dazu, eine traumhafte Besetzung für das Buffopaar, die vor Witz, Jugendlichkeit und Authenzität nur so sprühen, wie sie musikalisch mit ihren frischen Stimmen einfach für sich einnehmen.

Doch dazwischen zur Inszenierung: Josef E. Köpplinger, der Intendant des Münchner Gärnterplatz-Theaters, nutzt seine Umbauspielzeiten prächtig, so gastiert er quer durch Münchens Räumlichkeiten und nimmt sein Publikum mit, mit Kalmans "Zirkusprinzessin" ging es passender weise in den Circus Krone und führte zu ausverkauften Zusatzvorstellungen. Yvonne Kalman (die Tochter) sagte, die Aufführung dieses Stückes in einem echten Zirkus sei sogar ein Herzenswunsch des Vaters gewesen.

In Düsseldorf baute man das Zirkusrund nun auf die "normale" Guckkastenbühne der Rheinoper und mit wenigen treffenden Versatzstücken gelingt Bühnenbildner Rainer Sinell die jeweilige Situation des Aktes einzufangen: klar der Zirkus des ersten Aktes, der russische Salon des zweiten wird durch Schlitten vertreten, die auch ein bißchen an Fahrgeschäfte des historischen Praters erinnern. Wiener Miniaturen von Steffl und Gloriette bilden mit Empfangstresen das Hotel Zum Erzherzog. Köpplinger erfindet in seiner Regie das Metier nicht neu, sondern lässt gediegene Unterhaltung abschnurren, daß er das Genre Operette im Handgelenk liegen hat, beweist er erneut.

Marie-Luise Waleks Kostüme befriedigen die Augen passend und vor allem in den Clownskostümen; die Clowns sind nämlich der Clou! Karl Alfred Schreiner choreographiert eine ganze Horde dieser Zirkusgeschöpfe durch das Stück und sorgt für immer neue bewegte Bilder, das belebt ungemein. Der Chor der Rheinoper mischt sich mitsamt den Solisten immer wieder dezent dazwischen. Die Szene ist also äußerst probat und gelungen.

Kommen wir zum Musikalischen: natürlich ist die Operette eigentlich ein Genre intimeren Rahmens als eines großen Opernhauses, deshalb unterstützt man mindestens die Dialoge, aber auch den Gesang, mit Mikroports. Am Düsseldorfer Haus gelingt das qualitativ sehr respektabel, die Sprechpartien sind angenehm verständlich, ohne den Sängern auf die Stimme zu schlagen. Und die Sänger selbst wissen gut mit der Technik umzugehen, so daß der Gesang erfreulich natürlich klingt.

Mit Romana Noack in der Titelpartie besitzt die Rheinoper einen echten Schatz; eine Sängerin, dem ehemaligen Soubrettenfach entwachsen, mit enormer Bühnenpräsenz, stimmlich schönen Sopranfarben in allen Lagen, sie bildet stets den Mittelpunkt des Ganzen, mit einem Wort: ihre Fürstin Fedora Palinska ist im besten Sinne eine echte Operettendiva, davon gibt es nicht mehr viele. Carsten Süss als Mister X, der als Zirkusartist verkleidete russische Adlige, hat die Partie nicht ganz so selbstverständlich. Nicht das das etwas spödere Wesen nicht zur Rolle passen würde, nicht daß er die "Märchenaugen" und anderes nicht schön singen würde, er macht das sogar sehr schön mit ausgefeilter Gesangskultur, doch ein bißchen ist seiner Stimme die Abstammung aus leichterem Rollenfach anzumerken.

Mit Wolfgang Schmidt meinte man den fiesen Prinzen Sergius Wladimir besonders zu besetzen, doch der ehemalige Wagnertenor macht sich keine Ehre; zu deutsch, zu wenig schlitzohrig und stimmlich irgendwie nicht passend. Vielleicht doch lieber einen echten Bass oder Bassbariton mit mehr Sinn für doppelbödige Komik, im Düsseldorfer Ensemble gäbe es solche. Aus dem Zirkusdirektor Stanislawsky hat man ein altes Zirkusdirektoren- Ehepaar gemacht, Gisela Ehrensperger und Franz Wyzner setzen noch einmal ganz wundervolle, anrührende Akzente. Die vielen anderen Rollen und Röllchen sind treffend aus dem Ensemble und Chor besetzt.

Einen Wermutstropfen besitzt die Aufführung jedoch: Giuliano Betta strahlt zwar durchaus Freude an der Leitung der Operette aus, doch den richtigen Ton findet er meines Erachtens nicht. Allzu gerade werden die Takte durchgeschlagen, die schnellen Momente oft zu flott, die langsamen werden dafür recht ausgeschmalzt, für die Rückhalte eines Kalman-Csardas fehlt ihm der Sinn. Was schlimmer ist: die Sänger wirken oft nicht glücklich mit den Tempi, so kommt es zu vielen Wackeleien zwischen Graben und Bühne. Besonders bei den Chorpartien wird es dann sehr holperig, da erwarte ich mir an der Rheinoper doch mehr.

Die Düsseldorfer Symphoniker haben wir sowohl schlechter, als auch besser gehört, da gibt es Trübungen in den Streichereinsätzen und öfters mal ein zu forsches Blech. Insgesamt besitzt die Düsseldorfer Oper jetzt ein schöner Stück Unterhaltungskultur, das gerade in der närrischen Jahreszeit für viel Vergnügen sorgen dürfte, vielleicht sogar mal wieder anderes Publikum an das Haus zieht. Wenn nach der "Csardasfürstin" und der "Zirkusprinzessin" bald noch eine Gräfin Mariza in Spielplan auftauchen würde, könnte man sogar fast von einem Kalman-Zyklus sprechen. Warum nicht, verdient hätte es die Musik.

Martin Freitag 27.11.15

Fotos: Hans Jörg Michel

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