Amsterdam: „Tannhäuser“

Richard Wagner

Premiere: 8. April 2019

Besuchte Vorstellung: 24. April 2019

Wenn ein Regisseur ein Stück inszeniert, dass er bereits vor 25 Jahren in seinen Anfängerjahren auf die Bühne gebracht hat, dann darf man gespannt sein, wie das Ergebnis ausfällt – besonders dann, wenn es sich um eine gefragte Regiegröße wie Christof Loy handelt. 1994 inszenierte er Wagners „Tannhäuser“ am Gelsenkirchener Musiktheater, ging den Musikdramen Wagners dann aber weitgehend aus dem Weg, und inszenierte das Stück jetzt noch einmal an der Amsterdamer Oper.

Bereits in Gelsenkirchen zeigte Loy den „Tannhäuser“ als Künstlerdrama, wobei er aber nicht klarmachen konnte, worin die Titelfigur gefehlt haben soll. Genau dieses Problem wird auch in Amsterdam deutlich. Johannes Leiacker hat ein schick-weiträumiges Opernfoyer entworfen, dass der einzige Schauplatz der gesamten Oper ist. Während der Ouvertüre sitzt Tannhäuser am Flügel und komponiert. Der Landgraf und die Sänger sind eine Kultur-High-Society im Frack, die sich auf eine Orgie mit den Ballett-Tänzerinnen einlässt. Loy inszeniert und choreografiert das furios und wild, dass es eine Freude ist zuzuschauen. Tannhäuser und Venus, die hier eine Opernsängerin ist, machen da aber nicht mit, und verziehen sich lieber in einen anderen Bereich des Theaters.

Loy gelingt es nicht deutlich zu machen, für welche verschiedenen Lebensentwürfe Venus und Elisabeth stehen. Da in dieser entscheidenden Frage ein klares Konzept fehlt, scheitert die ganze Inszenierung, so gut sie auch handwerklich gemacht ist. Auch ist die Prüderie der Wartburggesellschaft im 2. Akt vollkommen unglaubhaft, wenn gerade diese Personen an der eigentlichen Orgie, die sich in aller Öffentlichkeit abspielt, beteiligt waren.

Christof Loy beherrscht aber das Handwerk der Personenführung, so dass die Figuren stets klar umrissen und sehr lebendig gezeigt werden. Beim Erleben dieser Inszenierung kann man aber auch verstehen, dass er die Angebote den „Ring des Nibelungen“ in Frankfurt oder Genf zu inszenieren, trotz umfangreicher Planungen, abgelehnt hat.

Schaut man auf den Gelsenkirchener Besetzungszettel von 1994, so ist man von der damaligen Tenor-Power des Hauses überrascht: Mario Brell sang die Titelpartie, Thomas Piffka, der zurzeit in Bonn in „Makropulos“ zu erleben ist, war der Walter von der Vogelweide und Thorsten Kerl, gerade erst „Rienzi“ in Berlin, war Heinrich der Schreiber. In Amsterdam müht sich nun Daniel Kirch mit der Rolle ab. Eigentlich vom lyrischen Fach kommend, singt er im eindimensionalen Dauerforte und bleibt der Rolle die Zwischentöne schuldig. Die Spitzentöne muss er stemmen, doch sie klingen trotzdem blass. Auf Dauer wird sich Kirch, der auch die Siegfriede in Chemnitz und in der nächsten Saison den Tristan in Leipzig singt, in diesem Fach die Stimme ruinieren.

Ein starkes Frauenduo sind Svetlana Aksenova als Elisabeth und Ekaterina Gubanova als Venus. Beide singen und spielen selbstbewusste Frauen, wobei Aksenova über einen metallisch glänzenden Sopran verfügt, während Gubanovas Mezzo warm, rund und voll tönt. Optische Zwillinge sind Björn Bürger als Wolfram und Attilio Glaser als Walter. Bürger lässt seinen Bariton biegsam strömen, Glaser verbreitet Tenorglanz, in dem ein leichter Anflug ins Heldische zu hören ist. Eine souveräne Darstellung, die auf langjähriger Erfahrung mit der Rolle des Landgrafen Hermann beruht, bietet Stephen Milling mit seinem sonor-fülligem Bass.

Am Pult des Nederlands Philharmonisch Orkest steht Chefdirigent Marc Albrecht. Den Pilgerchören verleiht er die nötige Weihe, aber in die großen dramatischen Szenen stürzt er sich mit viel Schwung und macht so die Kontraste des Werkes deutlich, die in der Inszenierung zu kurz kommen.

Rudolf Hermes 26.4.2019

Bilder (c) Monika Rittershaus