Budapest: „Manon Lescaut“

Puccini 2

25.5. (Premiere am 18.5.2019)

Manon entweicht himmelwärts…

Noch am Vorabend hatte Balázs Kocsár sehr erfolgreich die „Fanciulla“ dirigiert, nun leitete er am nächsten Vormittag das Orchester der Ungarischen Staatsoper für „Manon Lescaut“, der dritten Oper des Meisters aus Lucca. Balázs Horesnyi stellte einen runden, nach vorne zu aufgeschnittenen Turm auf die Bühne, wo im Inneren ein eleganter Wagen aus den 20ger Jahren eine gewundene Straße hinabfährt, aus dem Manon aussteigt und die letzten Schritte hinabgeht, um von der illustren Gesellschaft empfangen zu werden. Das bunte Treiben wird von drei Figuren beobachtet: von einem Narren mit typischer Narrenkappe, einem rot gekleideten Teufel mit Flügeln und dem Sensenmann. Stille Zeugen, die wie ein Memento mori alle Schritte der vergänglichen Menschheit beobachten, um im richtigen Moment auf den Plan zu treten bzw Dämonen, die jeden Menschen einmal im Leben heimsuchen. Die Tänzerinnen, die die Musikantin Melinda Heiter begleiten, ebenfalls Symbol der Vanitas tragen Negligé und schwarze Dessous (Kostüme: Anni Füzér).

Regisseur Máté Szabó lässt in diesen Turm einfache Versatzstücke von der Seite einschieben, wodurch die Illusion des Gefängnisses und des Hafens, in dem die strafgefangenen Frauen in die Neue Welt verschifft werden sollen. Und die Wüste in Amerika ist der kahle weiße Turm. Des Grieux bettet die völlig erschöpfte Manon auf den Absatz der Stufen und deckt sie mit einem Mantel zu, um Wasser zu suchen. Als er zurückkehrt ist Manon bereits gestorben und schreitet in dieser Inszenierung langsam die Treppe nach oben in eine gedachte bessere Welt, während des Grieux ihren Mantel gebrochen in tiefer Trauer umklammert hält. Gabriella Letay Kiss glänzte als ausdrucksstarke Manon, die trotz der großen Liebe zu dem verarmten Studenten des Grieux nicht auf die Annehmlichkeiten ihres luxuriösen Lebens verzichten möchte. Für die Rolle ihres Geliebten bot die Ungarische Staatsoper den italienischen Tenor Marcello Giordani auf, der mit einer stupenden Italianità aufhorchen ließ, im forte keinerlei Probleme zeigte, lediglich im Piano nicht ganz sauber sang.

Csaba Szegedi, der am Vorabend noch den Jack Rance gesungen hatte, war ein durch und durch auf seinen Vorteil bedachter und berechnender Lescaut, stets darauf bedacht, seine Schwester bestmöglich zu verkaufen. Der ältere Galan und Steuerpächter Geronte de Revoir, der sich für die verschmähte Liebe und die Verspottung durch den Rivalen des Grieux äußerst wirksam zu wehren weiß, wurde von András Palerdi mit großer Spielfreude vorgeführt. In den kleineren Rollen ergänzten Péter Balczó als Edmond, József Mukk als Lampenanzünder, András Kiss als Seekapitän, Sándor Egri als Sergeant der Bogenschützen, László Beöthy-Kiss als Tanzmeister sowie Melinda Heiter, die bereits am Vorabend als Wowkle aufgetreten war, unterstützten die Protagonisten mit ihren an diesem Vormittag gut disponierten Stimmen und großer Spielfreude.

Die Tanzchoreographie ersann András Nádasdy, der Chor der Ungarischen Staatsoper wurde wiederum von Gábor Csiki umsichtig einstudiert. Die Solisten wurden an diesem Vormittag mit Bravo-Rufen geadelt, der sich auch auf die übrigen Mitwirkenden, den Dirigenten und den Chor ausgewogen verteilte.

Harald Lacina, 29.5.2019

Fotocredits: Szilvia Csibi