Essen: „Tristan und Isolde“, Richard Wagner

Als Barrie Kosky 2006 am Essener Alto-Theater Wagners Tristan und Isolde inszenierte, war er noch nicht jedermanns Liebling, der europaweit gefragt ist, sondern ein junger Provokateur, der es liebte das Publikum auf die Palme zu bringen. Seine Inszenierungen von Der fliegende Holländer sowie Götterdämmerung endeten in Buhstürmen und sind längst abgesetzt. Tristan und Isolde von 2006 hat sich jedoch als zeitlos gültig erwiesen und wurde jetzt aus Anlass des 125-jährigen Geburtstag des Essener Philharmoniker wiederaufgenommen.

© Matthias Jung

Bühnenbildner Klaus Grünberg lässt das ganze Stück in einem beengten Würfel von vielleicht 3 Meter Breite und 2 Meter Tiefe spielen, sodass man hier ein intimes Kammerspiel erlebt. Im ersten Akt befinden wir uns in Isoldes Schiffskabine, im zweiten Akt treffen sich Tristan und Isolde in einem Raum, der sich im Duett zu drehen beginnt, im letzten Akt leidet der verwundete Tristan allein in dem leeren Kubus. Spielleiterin Marijke Maltuis hat die Produktion neu einstudiert.

Bei der Essener Trauerfeier für den im Juni 2022 in München verstorbenen Stefan Soltesz hatte Aalto-Intendantin Merle Fahrholz verraten, dass dieser eigentlich für den Tristan nach Essen hätte zurückkehren sollen. Nun hat der neue GMD Andrea Sanguineti die musikalische Leitung übernommen. Das Vorspiel zum ersten Akt klingt lyrisch-pastellfarben, obwohl Sanguineti wild gestikuliert, als würde er gerade den Walkürenritt leiten.

Die Essener Philharmoniker musizieren, trotz des runden Geburtstags, nicht immer ganz auf der Höhe ihrer Möglichkeiten.  Dirigent Sanguineti lässt sich vor allem durch den Gesang von Catherine Foster zu dramatischeren Klängen inspirieren. Die international gefragte Sopranistin, die auch schon am benachbarten Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen die Isolde sang, bietet erneut eine packende und mitreißende Interpretation und hat auch keine Mühe, wenn das Orchester aufdreht.

Problematischer ist da Bryan Register, der sich in Essen als Tristan vorstellt. Er ist ein eher ein lyrischer Tenor mit heller Färbung, verfügt aber nicht über den notwendigen Glanz oder die Energie, die ein Tristan benötigt. Wenn das Orchester oder Catherine Foster sich ins Fortissimo steigern, hört man zwar, dass er singt, aber nicht was. Bei seinem Auftritt im 2. Akt, der mit einem jubelnden „Isolde“ beginnt, ist das „O“ kam zu hören. Von einer Interpretation oder Gestaltung der Partie kann man erst gar nicht reden, weil der Tenor hauptsächlich mit der technischen Bewältigung der Partie beschäftigt ist.

© Matthias Jung

Von den anderen Tenören des Abends ist wesentlich mehr zu hören: Aljoscha Lennert gibt einen schönen verschlagenen Melot, und Sangmin Jeon singt den Hirten sehr klar und textverständlich. Mit warmen und vollem Bass glänzt Sebastian Pilgrim als König Marke. Dramatisch legt Bettina Ranch die Brangäne an. Heiko Trinsinger, der schon in der Premiere den Kurwenal sang, gefällt erneut mit seinem stattlichen Bariton. Apropos Premiere: Jeffrey Dowd, der damals den Tristan sang und Marcel Rosca, der Premieren-Marke, die zu den prägenden Sängern der Soltesz-Ära gehörten, sind bei dieser Wiederaufnahme im Publikum dabei.

Rudolf Hermes, 26. April 2024 


Tristan und Isolde
Richard Wagner

Aalto-Theater Essen

Premiere: 9. Dezember 2006
Wiederaufnahme: 21. April 2024

Inszenierung: Barrie Kosky
Musikalische Leitung: Andrea Sanguineti
Essener Philharmoniker

Weitere Vorstellungen: 28. April, 5. und 12. Mai 2024