Piacenza: „Il corsaro“

Teatro Municipale – Vorstellung am 4.5.18 (Premiere)

Vielversprechende junge Sänger

Wie ich vor kurzem anlässlich einer Besprechung dieses Werks aus Valencia festgestellt habe, gehört es zu den schwächsten Opern des Meisters aus Busseto. An meinem Urteil ändert sich nichts, doch wie anders war dennoch der Eindruck, den diese Produktion (die im Herbst auch in Modena gezeigt wird) in Piacenza hinterließ.

Schon allein die Inszenierung, die 2004 für Parma entstanden war, sprach eine andere Sprache, denn sie verkomplizierte nichts, sondern erzählte die zugegebenermaßen dramaturgisch wenig ergiebige Geschichte linear in einem von Segeln und Schiffstauen dominierten Ambiente (das eindrucksvolle Bühnenbild stammt von Marco Capuana), wobei die Regie von Lamberto Puggelli genussvoll das Aufeinandertreffen von Piraten und Sarazenen zeigt, „choreographiert“ von dem bekannt tüchtigen Fechtmeister Renzo Musumeci Greco. Unterstützt von den kleidsamen bis prachtvollen Kostümen der Vera Marzot und der stimmigen Beleuchtung von Andrea Borelli war es Grazia Pulvirenti, der Witwe des 2013 verstorbenen Puggelli, die auch seine Regieassistentin war, gelungen, das ganze Feuer dieser Inszenierung (die ich 2008 in Busseto gesehen habe) zu erhalten.

Viel feurige Leidenschaft kam allerdings auch aus dem Orchestergraben, wo Matteo Beltrami dem Orchestra Regionale dell’Emilia-Romagna mitreißende Rhythmen entlockte, die keinen Platz ließen für Betrachtungen über eventuelle schwächere musikalische Momente. Auch der Coro del Teatro Municipale di Piacenza unter seinem Leiter Corrado Casati zeichnete sich durch differenzierte Klangfülle aus und verdient höchstes Lob.

Es war ein Abend junger Sänger, von denen vor allem der Titelrollenträger schon mehr als ein Versprechen war, denn der 25-jährige peruanische Tenor Iván Ayón Rivas überzeugte mit besonders schön timbrierten Mitteln, die er auch mit bereits sehr sicherer Technik einsetzte. Er sang die fordernde Rolle scheinbar mühelos, aber angesichts seines jugendlichen Alters sollte er besser noch eine Zeitlang im lyrischen Fach verweilen. Sein temperamentvolles Spiel ergänzte den überaus positiven Eindruck. Sehr interessantes Material brachte auch die 30-jährige Roberta Mantegna für die dramatische Rolle der Gulnara mit. Allerdings muss die Sängerin aus Palermo noch an ihrer Technik feilen, und ihr Einsatz im Juli an der Scala als Zweitbesetzung in Bellinis „Pirata“ erscheint mir verfrüht.

Der 32-jährige Veroneser Simone Piazzola hat einen schön timbrierten Bariton, dessen Volumen sich aber deutlich verringert hat, seitdem der Künstler viele Kilos abgenommen hat. Dieser Umstand lässt an seiner Eignung für größere Häuser zweifeln, aber in dem mittelgroßen Haus in Piacenza sang er einen guten, nachdrücklich klingenden Sultan Seid. Die älteste Künstlerin im Ensemble und die mit der längsten Karriere war die 37-jährige Serena Gamberoni aus Rovereto. Sie sang die unglückliche Medora mit feinem lyrischem Sopran, von dem man sich vielleicht etwas mehr Expressivität gewünscht hätte. Der 27-jährige, in Bukarest geborene, aber in Sizilien aufgewachsene Bass Cristian Saitta machte als Giovanni wieder mit gutem Material auf sich aufmerksam. In den kleinen Tenornebenrollen ergänzten Matteo Mezzaro (Selimo) und Raffaele Feo (Ein Eunuch/Ein Sklave), ersterer verlässlicher als letzterer.

Eine stürmisch bejubelte Aufführung, in der man sich auch über gesanglichen Nachwuchs freuen konnte.

Eva Pleus 17.5.18

Bilder: Mirella Verile