AUFTAKT, Streaming-Konzert am 05.11.2021, Sendesaal des Hessischen Rundfunks, Frankfurt
HR-Sinfonieorchester, Tarmo Peltokoski (Dirigent), Chad Hoopes (Violine)
Felix Mendelssohn Bartholdy: Violinkonzert e-Moll
Jean Sibelius: 1. Sinfonie
Beeindruckende Debüts!
Unter dem Motto „Nordlandschaft“ präsentierte der Hessische Rundfunk zwei herausragende Musiker der jungen Generation.
Am Beginn stand einmal mehr das Violinkonzert von Felix Mendelssohn Bartholdy. Schon wieder, so möchte man meinen, denn kaum ein Violinkonzert war in den letzten Jahren derart oft in den deutschen Konzertsälen zu hören. Und doch, es war eine sehr gute Wahl an diesem Abend!
Mit Chad Hoopes präsentierte sich ein 27jähriger Geiger, der dieses Meisterwerk überaus persönlich und innig gestaltete. Bereits mit 19 Jahren nahm er es für eine CD-Einspielung auf. Sein tiefer Bezug zu diesem Werk war jederzeit spürbar. So waren es vor allem die kantablen Melodiebögen, die Hoopes mit tiefer Empfindung aussang. Fein gewählte Agogik und sensible Rubati ließen dieses Konzert geradezu neu erscheinen. Ein vollendeter Ruhepol war gerade mit dem Andante gegeben, so dass in der dargebotenen musikalischen Kontemplation eine große Wärme in dem beseelten Ausmusizieren des hervorragenden Solisten zu erleben war. Große Spielfreude mit viel Verve beim Solisten und dem wunderbar mitgehenden Orchester führten dann das Konzert zu einem mitreißenden Abschluss. Ein gleich berechtigter Partner an Hoopes Seite war das hoch motivierte hr-Sinfonieorchester mit seinem jungen Gast-Dirigenten Tarmo Peltokoski. Der erst 21jährige Dirigent ist eine Multi Begabung, Konzertpianist, Komponist und Dirigent. Ohne jegliche plakative Äußerlichkeit strahlte Peltokoski eine große Ruhe aus und war zudem permanenter Impulsgeber auf Augenhöhe. Das Orchester nahm dies mit großer Spielbegeisterung auf und beglückte mit feinem, nuanciertem Spiel. Das Publikum reagierte mit spontanem Jubel. So durfte es sich über eine Zugabe freuen, die Chad Hoopes gemeinsam mit Konzertmeister Florin Iliescu vortrug.
Jean Sibelius Geniestreich seiner ersten Symphonie ist leider selten anzutreffen. Umso größer also die Vorfreude, dieses Werk, das 1899 uraufgeführt wurde, nun von einem finnischen Dirigenten gestaltet zu hören.
Sibelius entfaltet in dieser Symphonie den ganzen Zauber seiner Schaffenskraft. Viele Naturstimmungen, gerade in den Holzbläsern, aber auch Sehnsucht und Schmerz sind jederzeit erfahrbar. Manche Passagen erinnern an Spätwerke von Tschaikowsky und doch wird die offerierte Melodienseeligkeit in Teilen schroff und herb aufgebrochen. Einzigartig ist beispielsweise das exponierte Solo der Pauke im dritten Satz, ein dynamischer Parforce Ritt für das Orchester, unterbrochen von einem weit aufgerissenen Akkord einer musikalischen Winterlandschaft, mit dem der vierte Satz eingeleitet wird.
Das kleine Finnland ist das Geburtsland so vieler herausragender Dirigenten. Der große Dirigenten Lehrer Jorma Panula ist die prägende Gestalt für alle finnischen Dirigenten. Und alle waren sie bei ihm: Leif Segerstam, Esa-Pekka Salonen, Jukka-Pekka Saraste, Sakari Oramu, Hannu Lintu, auch der ehemalige Chef des hr-Sinfonieorchesters Paavo Järvi, Klaus Mäkelä und nun auch Tarmo Peltokoski.
Und doch war an dessen Gestus und Körpersprache eindeutig zu erkennen, dass ein weiterer Lehrer bei ihm tiefe Spuren hinterlassen hat: Hannu Lintu. Aber Peltokoski ist keine Kopie Lintus, sondern Peltokoski ging in seiner Interpretation einen ganz eigenen Weg.
Pure Magie entstand durch den großen Gestaltungsfreiraum, den Peltokoski der einleitenden Solo-Klarinette überantwortete. Die Musik atmete und so entstand ein Ausgangspunkt voller Spannung für eine mitreißende Hörerfahrung.
Mit Ruhe und großem Elan wusste der Dirigent überzeugende Gestaltungsbögen umzusetzen. In jedem Moment war zu spüren, wie sehr Peltokoski in der Musik von Sibelius verankert war, wie sehr er wusste, welchen Verlauf die Musik nehmen sollte. Es war vollem dieses Wechselspiel, aus musikalischer Raumgebung und dynamischem Vorwärtsdrang, das so sehr überzeugte. Die Gelassenheit und körpersprachliche Souveränität beeindruckten sehr.
Eines wurde klar: Tarmo Peltokoski steht am Beginn einer ganz großen Zukunft, wie sein Landsmann Klaus Mäkelä, der vor wenigen Jahren mit dem hr-Sinfonieorchester ebenso begeisterte.
Das hr-Sinfonieorchester gefiel an diesem Abend besonders durch seinen satten, warmen Streicherklang, sekundiert von fein abgetönten Holzbläsern. Dynamisch flexibel intonierten die fabelhaften Blechbläser. Peltokoski arbeitete bewusst auch die vielfachen Soli der Harfe heraus, die Anne-Sophie Bertrand mit sensibel, virtuos agierenden Händen realisierte.
Und auch Solo-Paukist Lars Rapp überzeugte mit seinem Elan und der rhythmischen Souveränität seines Spiels. Seine Sicherheit hätte Beckenspieler Burkhard Roggenbuck gut zu Gesicht gestanden. Präzise agierend, jedoch mit sehr unsicherem Mienenausdruck überzeugte sein defensives Spiel in der vorgetragenen Zurückhaltung überhaupt nicht und nahm den Tutti-Stellen viel der notwendigen Wirkung. Schade.
Am Ende viel Begeisterung vom Publikum und vom Orchester für den jungen, aufstrebenden Dirigenten.
06. Nov. 2021, Dirk Schauß
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