Görlitz: „Orpheus und Eurydike“

Open Air-Opern gibt es oft, aber auf einem Friedhof nur in Görlitz!

Glucks „Orpheus und Eurydike“ als Opern- Spektakel, aber total in neuem Gewand, denn die Musik kommt von einer 5- köpfigen Band, die mit einer wilden Mixtur aus Klassik, Rock, Pop und Gothic den ehrwürdigen Nikolaifriedhof zum Beben bringt. Arrangiert hat das mit großem Können Steffan Claußner, ohne die wundervolle Musik von Gluck zu beschädigen.

Orpheus trauert um seine große Liebe,doch es gibt eine zweite Chance. Zusammen mit Amor taucht er ab ins Totenreich und schafft es sogar mit seinem Gesang die Furien zu begeistern. Nur Ansehen darf er Eurydike nicht, als er es dennoch tut, stirbt sie erneut. Aber keine Panik, auf Amor ist Verlaß ,er erweckt sie und das Happy End naht!

Von Anfang an ist man fasziniert vom morbiden Charme des Friedhofs, die Zuschauertribüne gibt den Blick frei auf Gräber, riesige Särge, Kunstnebel beherrscht die gruselige Szenerie, die bei Dunkelheit noch um einiges schrecklicher wird. Die Glocke vom Friedhof läutet und es geht los! Wir sehen Eurydikes Beerdigung, angelegt als großes Fest, als Dance- Event. Die Damen und Herren der Tanzcompany des GHT Görlitz- Zittau sind furchterregend gekleidet, schwarz mit langen blonden Haaren.

Der absolute Höhepunkt des Abends besteht in Orpheus Abstecher in die Hölle, hier wird so ziemlich alles aufgeboten, was möglich ist! Grandiose Lichteffekte, Feuerwerk, die Furien, die aus einem überdimensionierten Sarg steigen. Dann ändert sich die Szenerie, ein beleuchteter weißer Würfel bildet eine Insel, auf der Orpheus seine Frau sucht, sie befindet sich aber auf einer anderen Bühne mit riesigen Särgen.Nun könnte man meinen, das sei alles ein Spektakel um des Spektakels willen, aber weit gefehlt! Der Regisseur Sebastian Ritschel nimmt die Handlung ernst, ihm gelingen teilweise extreme Momente des Innehaltens, besonders berührend in der letzten Szene.

Zu machen ist das nur mit erstklassigen Sängern,die szenisch präsent sind, und die gab es! Audrey Larose Zicat, in Görlitz als Violetta und Figaro- Gräfin bejubelt, warf sich mit vollem Einsatz und wunderbar geführtem Sopran in die ungewohnte Musikbegleitung, Particia Bänsch als Orpheus und Laura Scherwitzl als Amor ( ihrem Kostüm gebührt ein Sonderlob, ganz in schwarz mit roten Flügeln!Ausstattung: Britta Bremer und der Regisseur) brachten die Figuren zum Leben, verzauberten das Publikum mit ihrem Gesang.

Sämtliche Vorstellungen waren ausverkauft, aber es gibt für alle, die es noch sehen wollen, Hoffnung, denn das Stück wird in der nächsten Spielzeit wieder aufgenommen. Ein Besuch lohnt sich! Ein rundum gelungenes Event, eine Riesenleistung vom Gerhart-Hauptmann-Theater und ein Abend, der noch lange nachhallt.

Auch (und jetzt kommt das dicke Ende) wegen der Angriffe der Killermücken, die an diesem lauen Sommerabend, so schien es, im Takt der Musik ausschwirrten und das Publikum erbarmungslos piesackten. Durch die Presseabteilung des Hauses war ich vorgewarnt und schwebte in einer Autan- Wolke, zum Leidwesen meiner Sitznachbarn (Frau Brückner, Sie haben mich gerettet!).

Maximilian von Grünfeldt, 10.07.13

Bilder: Marlies Kross / Theater Görlitz