Athen: „Don Carlo“

Greek National Opera

Besuchte Vorstellung am 21. Dezember 2019

Spanien als Gefaengnis

Die Griechische Nationalopera kann es sich dank der grosszuegigen Unterstuetzung durch die Stavros Niarchos Foundation leisten, vermehrt renommierte Gesangssolisten nach Athen einzuladen. Fuer die diesjaehrige Weihnachtszeit hat man eine Produktion der Verdi-Oper „Don Carlo“ eingekauft, die seit 2008 bereits in London, New York und Oslo zu sehen war. Mit namhaften Saengerinnen und Saengern bestueckt, bietet die dargebotene fuenfaktige Modena-Fassung des Werks ein opulentes Hoer- und Sehvergnuegen. Die acht angesetzten Auffuehrungen waren denn auch binnen kurzer Zeit restlos ausverkauft.

Der Regisseur Nicholas Hytner erzaehlt die Geschichte vom freiheitsliebenden Infanten schnoerkellos und ohne aktualisierende Zutaten. Die Personenfuehrung koennte dabei allerdings ausgefeilter sein. Allzu oft verharren die Protagonisten auf der Buehne in tableauartigen Anordnungen, welche die szenisch-personellen Zusammenhaenge eher oberflaechlich erklaeren. Der Ausstatter Bob Crowley hat sich fuer minimalistisch-abstrakt anmutende Buehnenraeume entschieden, welche den spanischen Hof als eine Art Gefaengnis darstellen. Seine Kostueme folgen historischen Mustern. Die Titelfigur wird von der Inszenierung besonders herausgestellt, da sie etwa bei szenischen Umbauten laenger vor einer heruntergelassenen Buehnenwand an der Rampe verharrt. Dies macht durchaus Sinn, gewinnt so doch das Verloren- und Gefangensein von Don Carlos mehr an bildlichem Ausdruck. Ansonsten herrscht auf der Buehne aber recht konventionelle Darstellungskunst vor.

Das Orchester erzielt unter der Leitung von Philippe Auguin eine gute Leistung, insbesondere die Blaeser fallen mehrfach positiv auf. Eine wirkliche Interpretation, welche diesen Namen recht eigentlich verdienen und dem mehr als vierstuendigen Abend durchgehende Spannung verleihen wuerde, gelingt dem Dirigenten freilich nicht. Er scheint mehr damit beschaeftigt zu sein, Graben und Buehne zusammenzuhalten. Das gelingt auch ganz gut, wenngleich manche Tempi etwas willkuerlich und spannungsarm daherkommen. Der Mangel an Gestaltung laesst leider gerade die Ensembleszenen oefters fad erscheinen. Der von Agathangelos Georgakatos einstudierte Chor und Extrachor bietet meistens einen soliden Klang.

Das internationale Saengerensemble wird den Erwartungen groesstenteils gerecht. Marcelo Puente zeichnet mit dunkel gefaerbtem, virilem Tenor ein glaubhaftes Portraet des Titelhelden. Seine gestalterischen Faehigkeiten ueberzeugen. Tassis Christoyannis als Rodrigo steht Puente nicht nach und weiss mit nuanciertem Gesang fuer sich einzunehmen. Mit grosser Klangfuelle begeistert Alexander Vinogradov als Philipp. Seine Arie im 4. Akt ist einer der Hoehepunkte des Abends. Die Elisabeth von Valois liegt Barbara Frittoli nicht so recht in der Stimme (vielleicht kommt die Partie auch zu spaet?). Ihre sichere Stimmfuehrung ist positiv hervorzuheben, in einigen dramatischen Passagen fehlt es ihrer Stimme jedoch an Tiefe und Darstellungskraft. Es gelingt Frittoli denn auch nicht, die Spannung in ihrer grossen Arie im 4. Akt zu halten. Ekaterina Gubanova hat die noetige Dramatik und Hoehe fuer die Rolle der Eboli und bietet ein sehr schoenes Rollenportraet. Fuer intensive Momente sorgt schliesslich Rafal Siwek als Grossinquisitor. Da sich auch die Saenger der kleineren Rollen hoeren lassen koennen, ist der Abend in stimmlicher Hinsicht ein bemerkenswerter Erfolg fuer die Griechische Nationaloper.

Viel Beifall und Jubel fuer die Beteiligten.

Bilder (c) A. Simopoulos

Ingo Starz, 26.12.2019

Besonderen Dank an unsere Freunde vom Merker-online (Wien)