Athen: „Giselle“

Besuchte Vorstellung am 24. Dezember 2016

Zwischen romantischer Sehnsucht und Liebestod

Als vorweihnachtliche Premiere hat die Griechische Nationaloper den Ballettklassiker „Giselle“ herausgebracht. Allein die hochromantische Musik von Adolphe Adam lohnt die (Wieder-) Begegnung mit diesem Werk. Diese ist in der aktuellen Athener Produktion ergänzt um Musikstücke von Friedrich Burgmüller und Boris Assafyev, der das Finale komponierte. Die Choreografie von Irek Mukhamedov basiert auf derjenigen von Marius Petipa. Der in Moskau ausgebildete Tänzer und Choreograf, der ehemals im Bolshoi-Ballett tanzte, gibt dem Stück eine sehr klassische Ordnung, die nicht frei von erstarrten Posen anmutet. So bekommen zwar die Solisten dankbare Nummern, viel Eigenleben oder besser Eigensinn weisen die Figuren auf der Bühne aber nicht auf. Was das Publikum zu sehen bekommt, sind die gewohnten romantischen Rollentypisierungen – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Die stimmungsvollen Bühnenbilder und die prächtigen Kostüme, welche einen durchaus sehr gelungenen Rahmen abgeben und eine gute Kenntnis der romantischen Malerei verraten, schufen Charles Cusick Smith und Phil P. Daniels. Deren Detailreichtum weiss durchaus zu beeindrucken. Für das ausgezeichnete Lichtdesign war Eleftheria Deco verantwortlich. Der ganze Abend ist, das darf man sagen, ein Augen- und Ohrenschmaus. Man hätte sich nur eine etwas weniger museale Aufbereitung gewünscht.

Am Pult des Orchesters der Nationaloper stand Elias Voudouris, der Adams Musik in sicherem Kontakt mit der Bühne dirigierte. Die Musiker präsentierten sich in sehr guter Form, wobei besonders die Holzbläser positiv hervorzuheben sind. Mit Eleana Andreoudi stand eine jüngere Solistin als Giselle auf der Bühne, die den Anforderungen der Partie gerecht wurde und im Wilis-Akt sehr schöne Soli zeigte. Als Albrecht konnte Igor Siatzko nicht nur durch seine beachtliche Sprungkraft überzeugen. Er gewann der Rolle auch romantische Gebrochenheit ab. Seine Leistung im zweiten Akt war erstklassig. Ariadni Filippaki und Giorgos Varvariotis als Myrtha, Königin der Wilis, und als Hilarion boten sehr solide Leistungen. Das Corps de ballet schwankte ein wenig in der Qualität seines Auftretens. So geriet die Festszene des ersten Akts besser als die Szenen der Wilis. Die Damen des Corps ließen bisweilen in Feinabstimmung und Präzision ein paar Wünsche offen. Allerdings scheint es mir, dass die Compagnie über ein gutes Entwicklungspotential verfügt, so dass man auf kommende Produktionen gespannt sein darf. Das Publikum war von den Darbietungen sehr angetan.

Bild (c) Greek National Opera /Stefano

Ingo Starz 29.1.2.2016

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