Athen: „Il barbiere di Siviglia“

Premiere am 13. Februar

besuchte Vorstellung am 17.2.2016

Traum, Trash und Wirklichkeit

Gioachino Rossinis „Il barbiere di Siviglia“ wurde am 20. Februar 1816 uraufgeführt und gehört somit seit zwei Jahrhunderten zum Bestand des Opernrepertoires. Die Griechische Nationaloper bringt nun rechtzeitig zum Jubiĺäum als Koproduktion mit dem Teatro Comunale di Bologna eine Neuinszenierung des beliebten Werks heraus. Die besuchte dritte Aufführung ging in Premierenbesetzung über die Bühne. Das Olympia Theater war voll und das Publikum ob der umfänglichen Bewerbung in den Medien – insbesondere im Fernsehen – spürbar gespannt. Leider wurden die Erwartungen an die szenische Realisation nicht erfüllt.

Der Regisseur Francesco Micheli versucht, in einer Mischung aus Märchen resp. Märchendeutung und Vergegenwärtigung dem Inhalt habhaft zu werden. So lässt er den ersten Akt in einer trashigen Märchenwelt spielen, während die Handlung nach der Pause im bürgerlichen Mief der 70er Jahre angesiedelt zu sein scheint. Die Kostüme von Gianluca Falaschi treten dabei markant in Erscheinung, das Bühnenbild von Nicolas Bovey hingegen fällt, gelinde gesagt, gar bescheiden aus. Im ersten Akt bestimmen vor allem farbige Lichteffekte einer Neonröhreninstallation die Szene. Rosinas Heim schwebt erst nur als Modell über Almavivas Haupt, um später in angewachsener Grösse die Protagonistin wie in einer Puppenstube zu bergen.

Zu einem sinnhaften und optischen Ganzen fügt sich dies nicht: Vielleicht sind es Traumbilder, vielleicht auch nicht. Lässt schon das Design keine Stimmung aufkommen, so schafft es die uninspirierte Personenführung noch weniger. Im Szenischen finden Drive und Komik der Musik kaum Widerhall und der Zusammenhang zwischen Märchen/Traum(?) und Gegenwart wird nicht plausibel vor Augen geführt. Die Inszenierung schlingert zwischen den Welten hin und her. Dadurch ist der Abend über weite Strecken ziemlich langweilig.

Das Dirigat von Miltos Logiadis ist leider auch nicht dazu angetan, einen in komödiantische Laune zu versetzen. Die Tempi sind oft zu langsam gewählt und im Rhythmischen mangelt es an Drive und Feinheiten. Das Klangbild bleibt holzschnittartig und der Abend zieht sich so auch in musikalischer Hinsicht in die Länge. Das Orchester der Nationaloper spielt solide auf, nicht mehr und nicht weniger. Von der Besetzung sind vor allem Tassos Apostolou als Don Basilio – mit klangschönem, tadellos geführtem Bass – und der spielfreudige, mit sonorem Bariton ausgestattete Dionyssis Sourbis als Figaro hervorzuheben. Dimitris Kassioumis als Don Bartolo singt gut, aber etwas monoton.

Bei den beiden verbleibenden Hauptrollen wechseln Licht und Schatten, was sich gerade in den Auftrittsarien bemerkbar macht: Antonis Koroneos als Conte Almaviva singt zwar stilvoll, hat aber mit manchem Spitzenton und schnellen Läufen Mühe. Vassiliki Karagianni als Rosina kann dagegen mit hohen Tönen und Koloraturen punkten, während Stimmfarbe und Mittellage weniger überzeugen. Die Nebenrollen sind mit Zafiris Koutelieris als Fiorello, Alexandra Mattheoudaki als Berta, Christos Lazos als Offizier und Philippos Dellatolas als Notar gut besetzt. In der Summe ergibt das eine musikalisch durchschnittliche Aufführung in einer beliebig anmutenden szenischen Einrichtung. Zum Jubiläum der Oper würde man sich eine stärkere Leistung wünschen.

Ingo Starz 19.1.16

Besonderer Dank an MERKER-online (Wien)

Bilder (c) Greek National Opera