Kopenhagen: „Søndergård & The Sea“

Vorstellung am 25.10.2019

Zu dieser Progrmmgestaltung kann man dem DR SymfoniOrkestret unter der Leitung von Thomas Søndergård nur gratulieren. Vier Werke, die allesamt die Thematik des Meeres, die Sonnen – und Schattenseiten, mit musikalischen Mitteln malen, entstanden innerhalb von 70 Jahren, wurden an diesem Abend gespielt, und zwar zusammengefasst in zwei Blöcke. Vor der Pause die beiden narrativen Werke, Brittens SEA INTERLUDES und Elgars SEA PICTURES, nach der Pause die beiden Kompositionen mit " impressionistischem" Charakter, Borup-Jørgensens MARIN und Debussys LA MER.

Stimmungsvolle, ja aufwühlende Seelemgemälde malt Britten in den SEA INTERLUDES aus PETER GRIMES. Wunderbar gespielt der DAWN mit der Mixtur aus tiefem Blech, den ersten Violinen und der Flöte. Betriebsamkeit dann im zweiten Interlude SUNDAY MORNING: Gezwitscher der Holzblasinstrumente über grummelndem Bass, Unheil wird durch scharfes Blech angekündigt, dazu die Scheinheiligkeit der Glocken. Im MOONLIGHT verbreitete sich trügerisch ruhige Stimmung, welche dann im STORM mit brachialer Gewalt vertrieben wurde. Faszinierend gelangen hier dem Orchester die Übergänge von Harfenglissandi zu Streicherphrasen.

Elgars wunderschön vertonte fünf Lieder SEA PICTURES wurden von der Mezzosopranistin Karen Cargill mit sanft timbrierter Mezzosopranstimme vorgetragen. Sie ist keine Sängerin, die mit oberflächlicher Stimmprotzerei imponieren will, sondern sie bettet ihre schöne Stimme zurückhaltend, aber mit interpretatorischer Tiefe in den orchestralen Fluss ein. Søndegård und das Orchester waren ihr dabei aufmerksame Partner. Wunderschön die Wärme im SLUMBER SONG, mit Liebe efüllt wie ein lauer Frühlingswind erklang IN HAVEN. Mit dezenten Turbulenzen wurde SABBATHMORNING AT SEA gestaltet, textafin und mit hymnischem Blech untermalt . Verführerisch und neugierig führte und Cargills Stimme zu dem mystischen Ort WHERE CORALS LIE. Mit grossen Effekten warteten Orchester und Sängerin in THE SWIMMER auf: Das ging unter die Haut – Elgars Spätromantik vom Allerfeinsten glänzte wortwörtlich silbern und golden!

Nach der Pause erblickte man dann auf dem Podium ein Riesenorchester mit zwei Flügeln, viel Schlagwerk, vollbesetzte Bläser- und Streicherpulte. Überraschenderweise wurde Borup-Jørgensens Riesenpartitur MARIN aber nie laut und lärmig. Geradezu fein ziseliert und von zarter Transparenz im Klang erfüllt, lauschte man dem Werk, mit seinem Flüstern, Gemurmel und Brodeln. Untewasserwelt, mit all ihren Geheimnissen und Schönheiten und Gefahren, wie ein Tauchgang. Das Orchester war stark gefordert. Da müssten die Posaunisten auch mal rhythmisch präzise auf die Notenpulte und die Bässe auf den Resonanzkasten klopfen, einer der Pianisten die Saiten des Flügels zupfen. Diese Klangkulisse liess innere Bilder entstehen, die Orchestercrescendi wühlten auf, die Gongs schufen Mystik und das geradezu träumerische Verklingen des Stückes löste begeisterten Applaus aus. Ja, diesen Weg kann zeitgenössische Musik einschlagen (ok, das Stück ist schon 50 Jahre alt), aber auch nicht viel älter als Lachenmanns unsägliche Komposition, die ich mit kürzlich in Zürich anhören musste.

Den Abschluss dieses eindrücklichen Konzerts bildete Debussys Orchesterwerk – man könnte es auch eine Sinfonie in drei Sätzen nennen – LA MER.Stimmungsvoll die Morgendämmerung über dem Meer, sanfte Wellenschlag, geheimnisvolle Ruhe, zwei Harfen begleitet von Celli und Bratschen, dann die effektvolle Solotrompete, die zum höchsten Sonnenstand am Mittag überleitet. Im zweiten Satz das liebliche und Lichte Spiel der Wellen, reizvoll die Kombination Triangel – Harfen. Den krönenden Abschluss bildete die mit wagnerianischem Aplomb gestaltete Apotheose Darstellung des DIALOGUE DU VENT ET DE LA MER. Grndios die Homogenität der Blechbläser. Ein herausragender Abend, der lange nachhallen wird!

Kaspar Sannemann, 27.10.2019