Berlin: „Die Zaubermelodika“

Besuchte Uraufführung am 24.10.2021

Unterhaltung mit ernstem Themenhintergrund

TRAILER

Die Komische Oper in Berlin hat zur Zeit wirklich einen "Run", nach dem ergreifenden "Oedipe", dem beeindruckenden "Mahagonny", jetzt eine wirklich turbulent unterhaltsame Uraufführung einer Kinderoper. Der Komponist Iiro Rantala hatte sich schon im ersten Sinfoniekonzert als Pianist und Komponist beeindruckend vorgestellt, einem Konzert, das an die verrückt komischen Klassikkonzerte eines Gerald Hoffnung erinnerte (wer nicht weiß, was das beeindeutet: da findet sich sicher etwas Schönes bei Youtube!). Rantala kommt musikalisch eher aus dem Jazzbereich, hat aber auch "in Klassisch" studiert, sodaß seine Musik auf gekonnte Art polystilistisch alle Bereiche abdeckt: Klassik, Jazz, Filmmusik und Musical einschließlich einiger "echten" klassischen Zitate, sodaß auch der Kenner als Begleiter der Kinder oder Enkel, Nichten oder Neffen auch viel Spaß daran haben wird, manchmal vielleicht etwas dick und lautstark orchestriert , aber die Komische Oper will für die Kinder alles, was auch das erwachsene Publikum bekommt, die große Bühne, das große Orchester, die echten Ensemblesänger, ein ganz normales Opernwerk mit Pause, lediglich die Dauer soll die Auffassungsgabe der Kinder nicht überschreiten, so dauert das Stück zwei Stunden einschließlich Pause.

Die Handlung: eine Fortsetzung der "Zauberflöte" ! Die Vorhandlung der Mozartoper muss man aber nicht kennen, schaden kann es jedoch nicht. Auch das titelgebende Instrument ist nicht so wichtig; wir erinnern uns vielleicht noch aus unserer Kinderzeit: die Melodika, eine Art buntes Blasinstrument mit Tasten, das den Kindern den Zugang zum Musizieren erleichtern soll, irgendwie aber auch ein sehr belächeltes Ding. Also, die Handlung Pamina und Tamino leben zusammen mit Vater Sarastro im Schloss. Pamina ist angenervt, weil die ganze Hausarbeit, sie ist ja die Frau (!) an ihr hängen bleibt, Tamino interessiert sich für das Drachenzüchten, wovon kleine dampfende Haufen Drachenkacke Zeugnis ablegen. König Sarastro ist zwar gut drauf , aber dement, so steht die Frage nach einem neuen König des Sonne an. Auch an der Königin der Nacht, die mit Monostatos im Waldexil lebt, ist die Zeit nicht spurlos vorüber gegangen, nicht nur die Figur ist abgesackt, sondern auch die Stimmlage; sie singt jetzt Bassbariton mit starkem Damenbart, Stefan Sevenich spielt sich mit Anmut und Grazie in alle Herzen. Ach ja, in Stresssituationen verwandelt sie sich in einen hinreißenden Drachen, der von drei Komparsen bewegt wird. Monostatos wird mit der Zaubermelodika in den Wettbewerb um den Thron geschickt, er ist ein "bad boy", der sich jedoch als sehr empfindsam entpuppt, das spielt Christoph Späth wirklich herrlich versponnen. Außerdem leben im Wald auch noch Papageno und Papagena mit ihren mittlerweile zwanzig Kindern, dem quicklebendig präsenten Kinderchor. Silvia Rena Ziegler und Nikita Vorochenko dürfen in einem Duett erklären, woher die ganzen Kinder kommen. Da sind alle auf der Bühne überhaupt ungeheuer sympathisch: Alma Sadè und Johannes Dunz als Pamina und Tamina, oder der ungeheuer lebenslustige Sarastro vom sonoren Philipp Meierhöfer. Was es nicht gibt sind drei Damen oder Knaben, aber drei skurile Gnome mit sehr haarigen Brüsten, die alles begleiten: ebenso wir alle Beteiligten auch stimmlich klasse, Josefine Mindus, Julia Domke und Susan Zarrabi. Im zweiten Teil kommen dann die Prüfungen, weil Komponist und die Lbrettistin Minna Lindgren Finnen sind, sind es finnische Proben: wer kann am längsten, erstens in der Finnischen Aufgusssauna bleiben, zweitens im Eisloch baden und drittens auf einem Ameisenhaufen sitzen. Sarastro macht aus Spaß alles mit und kann länger, als die Jungen. Doch der Gewinner ist Monostatos, der jedoch, als Pamina traurig ist, ihr die Krone lässt.

Alles zusammen ist ungeheuer kurzweilig , weil Friedrich Eggerts variables Bühnenbild auf der Drehbühne und Alfred Mayerhofers zum Teil recht schrille Kostüme eine Augenweide, Koen Schoots mit dem Orchester der Komischen Oper den beschwingten "Soundtrack" liefern, den es auf CD zum Nacherinnern gibt. Alle ziehen wirklich an einem Strang und so kommt eine tolle Kinderoper heraus, die durchaus ernste Themen in sich trägt: Lebensentwürfe, getrennte Eltern, Altersdemenz und das Infragestellen der herkömmlichen Geschlechterrollen, jedoch ohne erhobenen Zeigefinger, sondern ganz spielerisch streifend. Es könnte also also durchaus für kreativen Gesprächsstoff nach der Aufführung sorgen. Mir hat es ganz großartig gefallen und dem kleinen, wie großen Publikum anscheinend auch. Einen Wunsch hätte ich dennoch: ein richtiges Programmheft mit den tollen Bildern für später !

Martin Freitag, 3.11.21

Frabenfrohe Bilder stehen uns leider nicht zur Verfügung