Berlin: „Messeschlager Gisela“, Gerd Natschinski

Spaß im Zelt

Die Komische Oper nutzt nicht nur das Schiller-Theater als Ausweichquartier während ihrer Rekonstruktion, sie hat darüber hinaus einige originelle Spielorte für sich entdeckt, die das Publikum wegen ihrer Besonderheit anlocken. Nach dem Hangar auf dem Flughafen Tempelhof ist es seit dem 8. Juni dieses Jahres ein nostalgisches Spiegelzelt von 1920, welches vor dem Roten Rathaus installiert wurde und Austragungsort für Gerd Natschinskis Operette Messeschlager Gisela ist.

© Jan Windszus Photography

1960 wurde das Stück am Berliner Metropol-Theater uraufgeführt und gehört in das Genre „Heiteres Musiktheater der DDR“. Schauplatz ist das Ostberliner Mode-Atelier „VEB Berliner Schick“, das von Direktor Robert Kuckuck geführt wird, der gerade dringend ein Modellkleid braucht, das zum Leipziger Messeschlager werden soll. Thorsten Merten gibt ihn gebührend unsympathisch, zeigt seine Eitelkeit und Inkompetenz. Natürlich favorisiert er seine eigene Kreation, während der Entwurf von Mitarbeiterin Gisela Claus nicht nur tragbarer, sondern auch weitaus hübscher anzusehen ist. Sie ist in Gestalt von Gisa Flake die Sympathieträgerin des Unternehmens, und man wünscht ihr von Herzen den Erfolg – auch das Glück mit dem Journalisten Fred Funke, der sich sogar noch in den Transportarbeiter Alfred Knufe verwandelt, um bei Gisela zu landen. Nico Holonics führt sich mit seinem Couplet „Heute hier, morgen da“ als flotter Geist ein und räumt vor allem gemeinsam mit Gisa Flake mit dem Ohrwurm-Duett „Du bist ganz anders als andere Männer/Frauen“ab. Beide erfreuen zudem mit dem sentimentalen Duo von den „Roten Rosen“. Kukucks Sekretärin Marghueritta Kulicke mit Ambitionen zum Star-Mannequin soll die „Melone“, Kuckucks Schlager-Modell, im Leipziger Ring-Messehaus präsentieren. Maria-Danaé Bansen singt sie mit plärrendem Soubrettenton, scheut auch kreischende Ausflüge nicht und spielt zunehmend überdreht. Für Marghueritta interessiert sich Gütekontrolleur Heinz Stubnick‚ der in Gestalt von Johannes Dunz tenorale Glanzlichter beisteuert und damit zum Erfolg kommt. Dann gibt es noch die Werkstattleiterin und Kettenraucherin Emma Puhlmann, der Andreja Schneider Domina-Strenge verleiht, aber mit dem Titel „Die Welt gibt sich ein Rendezvous“ Effekt macht.

© Jan Windszus Photography

Regisseur Axel Ranisch und seine Bühnenbildnerin Saskia Wunsch haben den knappen Platz im Zentrum des Zeltes klug genutzt und einen kreisförmigen weißen Aufbau auf die Drehbühne gestellt, der an eine Hochzeitstorte oder Hutschachtel erinnert. Bespielt wird dieses Plateau, aber auch dessen Umrandung, und viele Aktionen finden in den Gängen der Zuschauerreihen statt. Da gibt es Platz für die Chorsolisten der Komischen Oper (Einstudierung: David Cavelius) und ein Tanzensemble (Choreografie: Christopher Tölle). Ranisch sorgt für Turbulenz und flotten Ablauf, baut am Ende noch eine queere Episode zwischen dem Messewart Priemchen (Martin Reik) und Giselas Lieblingskollegen Inge (Theo Richter) ein.

Nicht zuletzt tragen die phantasievollen Kostüme von Alfred Mayerhofer zum Schauwert der Aufführung bei. Sie zeigen Mode der 1960er Jahre mit Petticoat-Kleidern und Blusen im Blümchendekor bis zum futuristischen Fantasy-Look.

© Jan Windszus Photography

Das Stück hat inzwischen Staub angesetzt, vor allem in den Dialogen (Text von Jo Schulz), aber ungetrübt ist die Frische der Musik mit ihrem Esprit, ihrer melodischen und rhythmischen Vielfalt mit Walzer, Tango und Rock. Adam Benzwi am Pult des Orchesters der Komischen Oper auf einer Empore ist mit seinen reichen Erfahrungen in diesem Genre genau der richtige Mann, der das Publikum im Zelt zu Begeisterungsstürmen bringt. Die Premiere am 8. Juni 2024 war ein gelungener Auftakt für die bis zum Juli laufende Serie.

Bernd Hoppe, 11. Juni 2024


Messeschlager Gisela
Gerd Natschinski

Komische Oper Berlin
im Zelt am Roten Rathaus

Premiere am 8. Juni 2024

Inszenierung: Axel Ranisch
Musikalische Leitung: Adam Benzwi
Orchester der Komischen Oper Berlin