Schweinfurt: „Die Fledermaus“ konzertant

Aufführung am 02. März 2019

Das 500. Konzert der Bamberger Symphoniker in Schweinfurt wird zum herausragenden, umjubelnden Ereignis, welches man so schnell nicht vergessen wird. Ein Spitzenorchester, tolle Sänger und ein außergewöhnlicher Frosch lassen die Fledermaus in Schweinfurt zu einem einmaligen traumhaften Erlebnis werden

Es muss schon etwas Besonderes sein, wenn der Schweinfurter Oberbürgermeister Sebastian Remelé persönlich vor Beginn der Vorstellung auf die Bühne kommt und einen kleinen Abriss gibt. Voller Stolz, und das mit Fug und Recht, verweist er darauf, dass das Weltklasseorchester, nämlich die Bamberger Symphoniker an diesem Spätnachmittag zum 500ten mal in Schweinfurt auftreten. Das Orchester, welches 1946 gegründet wurde, war bereits im Gründungsjahr das erste Mal in Schweinfurt und diese gegenseitige Liebe hat nun zu dem 500ten Konzert geführt, einer konzertanten Aufführung der unsterblichen Operette von Johann Strauss „Die Fledermaus“. Es ist auch dem äußerst rührigen Intendanten Christian Kreppel zu verdanken, dass es zu diesem außergewöhnlichen Jubiläumsgastspiel kam. Nur wenige Plätze sind in dem wunderschönen Schweinfurter Theaterbau leer geblieben und alle die dabei sind, werden noch lange an dieses unbeschreiblich schöne Ereignis zurückdenken.

Der Rezensent muss diesmal lange überlegen, wer die Krone bei dieser tollen Aufführung am ehesten verdient. Sind es die Bamberger Symphoniker, sind es die teilweise überragenden Sänger der Partie oder ist es der Erzkomödiant als Frosch, die den Lorbeer für sich bekommen? Es sind alle gleichermaßen. Die Aufführung ist wie aus einem Guss und alle haben ihr Scherflein dazu beigetragen, es zu einem unvergesslichen Ereignis gemacht zu haben. Doch nun einmal der Reihe nach. Man möge mir verzeihen, dass ich auf den Inhalt der wohl bekanntesten und berühmtesten Operette nicht eingehe, denn sie dürfte jedem Musikliebhaber mehr als bekannt sein.

Rasant, leidenschaftlich, beschwingt, überschäumend geht es mit der wunderbaren Ouvertüre los. Am Pult der in Neuzing in Österreich geborene Dirigent Manfred Honek. Er gilt nicht nur, nein er ist der Fachmann, der den Wiener Walzer und auch ein wenig den Schmäh praktisch verinnerlicht hat. Sein Debüt hatte er an der Volksoper in Wien gegeben und zwar mit genau demselben Stück, der „Fledermaus“. Er führt das Orchester mit leichter lockerer Hand, er lässt es zu dramatischer Wucht anschwellen und nimmt es sängerdienlich, bei den entsprechenden Passagen zurück. Er ist ein exzellenter Dompteur eines der besten Orchester, die ich bisher gehört habe. Als stv. Vorsitzender der Deutschen Johann Strauss Gesellschaft habe ich „Die Fledermaus“ schon hundert Mal gehört, so leidenschaftlich, mitreißend, klangschön bis in die kleineste Nuance aber fast noch nie. Eine überwältigende wunderschöne Interpretation, die vom Publikum mit wahren Beifallsstürmen honoriert wird. So macht Operette Spaß, so gewinnt man auch junge Menschen, die recht zahlreich bei dieser Vorstellung anwesend waren, dazu, sich dieser von Rundfunk und Fernsehen schmählich vernachlässigten Kunstform der Musik, der Operette zuzuwenden. Die Bamberger Symphoniker, und auch das sollte man erwähnen, feiern mit dieser Aufführung ihr Debüt. Eine halbszenische „Fledermaus“ haben sie in Schweinfurt das erste Mal in ihrer 73jährigen Geschichte auf die Bretter, die die Welt bedeuten gestellt, am darauffolgenden Tag wird der zweite Auftritt in der Konzerthalle in Bamberg sein.

Alles ist an diesem Tag etwas überdimensioniert, der Philharmonische Chor München, der von Prof. Andreas Herrmann auf das trefflichste einstudiert wurde, nimmt mit fast 60 Mitgliedern einen großen Platz auf der hinteren Bühne ein. Diesen stimmgewaltigen und stimmschönen Chor benötigt man im zweiten Akt, dies ist eine Luxusbesetzung für dieses Jubiläum.

Martin Rassau (Frosch)

Doch nun zu den Sängern, wobei erwähnt werden sollte, dass ein Großteil der Protagonisten in der Hamburger Elbphilharmonie in der Silvesternacht ein begeistertes Publikum zum Kochen gebracht haben. Einer war in Hamburg nicht dabei, den ich als erstes erwähnen möchte, weil er sich wie ein roter Faden durch die gesamte Aufführung zieht, es ist der von dem Fürther Komiker und Kabarettisten Martin Rassau verkörperte Gefängnisdiener Frosch. Ich gebe gerne zu, dass ich beim Hören dieser Besetzung leichte Bauchschmerzen bekam, da ich dachte, dass nun mit plattesten Kalauern ein Frosch baden geschickt wird. Man kennt Martin Rassau ja überwiegend aus den Auftritten mit seinem Partner im fränkischen Fasching und aus dem eigenen Theater in Fürth. Ich erwartete nicht viel, was dann aber kam, war einfach sensationell. Rassau tritt nach der Ouvertüre als sich verlaufen habender Gefängnisdiener auf und führt mit witzigen, teilweise köstlichen Bonmots in den Inhalt des ersten Aktes ein. Dabei gelingt es ihm mit fast schlafwandlerischer Improvisationskunst und der Kenntnis Schweinfurter Problemzonen das Publikum auf das trefflichste zu unterhalten. Auch vor dem zweiten Akt das gleiche unnachahmliche Spiel, welches dann seinen Schlusspunkt in dem Auftritt als Frosch im dritten Akt im Gefängnis hat. Ob er sich über bonbonpapierraschelnde Damen hermacht, „komm, jetzt unterbrech ich kurz, dann lutscht Du schön auf und dann mach ich weiter“ oder über die Unsitte Operettenarien mitzusingen und mitzupfeifen, was auf wohlwollende Unterstützung des Rezensenten, der dies schon oft aushalten musste, stößt. Geschliffen, geistreich, witzig und gekonnt bringt Rassau einen Frosch auf die Bühne, wie ich ihn noch nie gesehen und gehört habe, der auch nur in einer konzertanten Aufführung in dieser Form möglich ist und der nicht nur mich tief beeindruckt, sondern auch das Publikum, welches gar nicht mehr aufhören will zu klatschen. Ein Ausrufungszeichen setzt er noch mit dem Satz: „heut bin ich ja so blöd, ich könnt direkt Amerika regieren“.

Doch nun zu den Gesangssolisten und auch hier gibt es nur Gutes zu berichten, keinen einzigen Komplettausfall und dann noch das Problem, dass sowohl die vorgesehene Rosalinde, als auch die Adele wegen Krankheit ausfallen. Zwei der tragenden Figuren zu ersetzen ist schon sehr problematisch. Am heutigen Spätnachmittag jedoch kein Problem, beide „Einspringerinnen“ agieren so, als wenn sie nie etwas anderes getan hätten. Auch im Miteinander ist keinerlei Bruch festzustellen.

Stefanie Irányi (Orlofaky), Bo Skovhus (Eisenstein), Michael Nagy (Falke)

Als Gabriel von Eisenstein brilliert der in Ikast in Dänemark geborene Kammersänger Bo Skovhus, der den Eisenstein in der Jahreswende auch in Hamburg gesungen hatte. Und was für ein Eisenstein ist er. Sein kräftiger Bariton, der bis in tenorale Höhen aufschwingt, ist markant und kraftvoll. Eine gewaltige Röhre mit einer überaus flexiblen Stimmgebung, ausdrucksstark, ausladend, strömend und kraftvoll. Er füllt mit seiner stimmlichen aber auch mit seiner darstellerischen Präsenz den Theaterraum bis in den letzten Winkel aus. Beeindruckend seine Gestaltung des untreuen Lebemanns. Als seine Rosalinde ist die in Buffalo/USA geborene Sopranistin Laura Aikin zu erleben. Sie, die einen Stimmumfang von drei Oktaven besitzt, hat einen äußerst ausdrucksstarken farbenreichen Sopran zu bieten, der glanzvoll alle Höhen meistert mit durchschlagskräftigen Spitzentönen, was vor allem dem Csardas äußerst zu Gute kommt. Ihr Spiel, vor allem im Zusammenklang mit ihrem Gatten gekonnt, immer bezogen auf die Besonderheiten einer konzertanten Aufführung. Als zweite Einspringerin die junge in Recklinghausen geborene und in München aufgewachsene Nikola Hillebrand. Quicklebendig, charmant, spitzbübisch und voll Spiellaune nur so sprühend wird sie zu einem der Publikumslieblinge, von denen es viele an diesem Tag gibt, der heutigen Aufführung. Mit klangschönem, silbrig glänzenden und in der Höhe bombensicherem Sopran voller Leidenschaft und Feuer punktet die Koloratursopranistin und begeistert das Publikum. Als Dr. Falke, dem Freund Eisensteins, agiert der in Stuttgart geborene aber mit ungarischen Wurzeln versehene Bariton Michael Nagy. Mit kräftiger, klangvoller und ausdrucksstarker Stimme gibt er der Figur Format. Das gilt auch für den in Kroatien geborenen Bassbariton Kresimir Strazanac der als Gefängnisdirektor Frank seinen kraftvollen, immer präsenten und wohlklingenden stimmschönen Bass einsetzt. Die im bayerischen Chiemgau aufgewachsene Mezzosopranistin Stefanie Irányi gibt den Prinzen Orlowsky mit geschmeidigem, warmem und ausdrucksstarkem Timbre. Ein bisschen mehr noch hätte der gelangweilte blasierte, des momentanen Lebens überdrüssige Prinz hervorkommen sollen. Dennoch mit dunklem lyrischem und vollem Mezzo eine rollendeckende Leistung. Der österreichische Tenor Bernhard Berchtold hat als Alfred einen stimmschönen, gefälligen weichen Tenor, den er mir nur etwas zu brav einsetzt. Hier hätte ich mir mehr Feuer, mehr Leidenschaft gewünscht, insgesamt gesehen jedoch eine gute Leistung. Als Notar Dr. Blind kann in seiner kleinen Rolle der kroatische Tenor Kresimir Spicer ohne Fehl und Tadel das Ensemble äußerst positiv abrunden. Am Ende der Vorstellung fast nicht endend wollender Applaus, Bravorufe und Standing Ovation. Das habe ich so in Schweinfurt auch noch nicht so oft erlebt. Ein wunderbares Erlebnis mit einem Orchester der Weltklasse, mit Sängern der Spitzenklasse und einem Frosch der Extraklasse. Operettenherz, was willst Du mehr.

Manfred Drescher 05.03.19

Bilder Ronald Rinklef, Bamberg