12. Juni 2021 im Kulturpalast Dresden
Die Rivalität der Wiener und der Berliner Philharmoniker um den Spitzenplatz des weltbesten Orchesters war für Simon Rattle 2005 Anlass, zu seinem 50. Geburtstag ein gemeinsames Konzert beider Klangkörper zu dirigieren. Diese erste erfolgreiche Zusammenarbeit der konkurrierenden Orchester führte zum Entschluss, in einer gelegentlichen Formation die besonderen Qualitäten beider Ensembles, die geschmeidige Eleganz und Noblesse der Wiener mit dem zupackenden, leidenschaftlichen Spiel sowie der solistischen Brillanz der Bläser der Berliner, zu kombinieren. Seit Beginn dieser Zusammenarbeit ist Rainer Honeck Konzertmeister, Dirigent und Künstlerischer Leiter. Honeck, 1961 in Nenzing (Vorarlberg) geboren, ist seit 1984 Konzertmeister des Orchesters der Wiener Staatsoper und seit 1962 Konzertmeister der Wiener Philharmoniker.
Das Klavierkonzert Nr.9 in Es-Dur KV 271, vermutlich im Dezember 1776 oder im Januar 1777 entstanden, ist wahrscheinlich Mozarts erste bedeutende Komposition. Mit der Meisterschaft seiner Orchestrierung und in seiner, alle Konventionen sprengenden Wirkungen hat es keine Vorgänger in seinem Genre.
Zur Herkunft der unterschiedlichen Beinamen des Konzertes, „Jenamy“, „die jenomy“ oder „Jeunehomme“, gibt es reichliche Deutungen. Inzwischen scheint aber sicher, dass die Tochter des französischen Tänzers Jean-Georges Nowerre (1727-1810), eines Freundes Mozarts, Adressatin dieser Widmung war. Nowerre wirkte von 1767 bis 1774 als Ballettmeister in Wien. Dessen älteste Tochter Luise Victoire (1749-1812), eine gute Klavierspielerin, war mit einem Joseph Jenamy verheiratet und Mozart habe sie sehr verehrt.
Für eine Interpretation von Mozarts frühem Klavierkonzert Nr. 9 Es-Dur KV 271 war Rudolf Buchbinder in den Konzertsaal des Kulturpalastes nach Dresden gekommen. Sonst ein häufiger Gast der Sächsischen Staatskapelle, mit der er auch oft als Solist und Leiter der Konzerte musizierte, war er Solopartner des Kammerorchesters Wien-Berlin.
Das Buchbinders Klavierspiel auch über die Jahre neben der Reife der Technik die notwendige Spontanität behalten hat, war keine Überraschung. Auch dass uns die sprühend intelligente Mozart-Deutung ein Konzerterlebnis der Sonderklasse verschaffte, erfüllte alle Erwartungen.
Ein hell leuchtende Klangbild und die spannungsgeladene Musizierfreude des Kammerorchesters Wien-Berlin führten zu einem steten, intensiven Dialog mit dem Pianisten. Vor allem begeisterte die kühne Quecksilbrigkeit des Finalsatzes.
Im zweiten Konzert-Teil folgte Mozarts Divertimento B-Dur, KV 287, die “Zweite Lodronische Nachtmusik“. Wie im Jahre 1776, erhielt Mozart den Auftrag, auch zum Namenstag der Gräfin Maria Antonia Lodron am 13. Juni des Jahres 1777 zur Komposition und Aufführung eines Divertimentos, eigentlich einer Zerstreuung, eines Vergnügens. Mozart hatte aber für die Unterhaltung der Salzburger Gäste der Gräfin ein 45-minütiges Bravourstück für die Erste Geige vorbereitet und selbst diesen Part übernommen.
Eingebunden in eine dichte kammermusikalische Begleitung von Streichern und zwei Hörnern meisterte Rainer Honeck die Primgeiger-Aufgabe der sechssätzigen Darbietung. Von spritziger Munterkeit, Leichtigkeit und Eleganz bis zu tiefer Empfindung bot das Konzert alles, was man von großer Musik erwartete.
Thomas Thielemann, 13.6.2021