Wie es manchmal so ist, da war Felix Mendelssohn Zeuge einer Vorstellung von Konradin Kreutzers Oper „Melusina“ und war von der Berliner Aufführung tief beeindruckt. Dies blieb nicht folgenlos und so komponierte Mendelssohn eine Konzertouvertüre, die zwei Jahre später in ihrer finalen Fassung 1835 das Publikum (noch) nicht im Sturm eroberte. Kollegen, wie Robert Schumann zeigten sich hingegen begeistert und lobte den kreativen Erfindungsgeist seines Kollegen.
Die Klassische Philharmonie Bonn spielte diese selten anzutreffende Ouvertüre „Das Märchen von der schönen Melusine“ und zeigte sich gleich zu Beginn von seiner besten Seite. Feiner Klangsinn und konzentrierte Spielkultur ließen Mendelssohns Werk in vielen Farben leuchten. Dirigent Matthias Foremny zeigte sich als einfühlsamer Gestalter, der mit feinen rhythmischen Pointierungen und viel Klangsinn Mendelssohns Ouvertüre zu bester Wirkung verhalf.
Danach gab es ein Wiederhören mit dem bekanntesten Klavierkonzert der Musikgeschichte aus der Feder von Pjotr I. Tschaikowsky. 1875 in Boston uraufgeführt, erlebte es durch den Komponisten mehrere Überarbeitungen. Insgesamt gibt es drei Fassungen nebst einer Fassung für zwei Klaviere. Die dritte Fassung aus dem Jahr 1888 wird am häufigsten aufgeführt.
Solistin des Konzertabends im Wiesbadener Kurhaus war die junge, vielfach ausgezeichnete Anastasiia Kliuchereva. Die gerade einmal 19-jährige Künstlerin steht am Beginn einer großen Karriere und hat bereits viele Preise gewonnen. Schon im Kopfsatz zeigte die Pianistin ihr technisches Können. Energisch, mit beherzten Akzenten ertönten die berühmten Anfangsakkorde, die Musikgeschichte schrieben. Virtuos spielte Anastasiia Kliuchereva die vielen Triolen, betonte die Themengruppen deutlich und agierte mit Überlegenheit in der abschließenden Kadenz. Das anschließende Andantino semplice spielte sie mit distanzierter Natürlichkeit. Spektakulär dann ihre zupackende Virtuosität im beschließenden dritten Satz. Hier zeigte Anastasiia Kliuchereva ihre besondere Klasse, wie sie die vielen Akkordsprünge und Läufe souverän spielte. Technisch ist ihr Spiel bereits auf hohem Niveau und doch wirkte ihr Vortrag allzu sehr wie ein Vorspiel bei einem Wettbewerb. Eine individuelle künstlerische Aussage als unikatische Pianistin, wird ihre Aufgabe für die Zukunft sein. Ebenso sei ihr gewünscht, Gefühlsreichtum in ihr Spiel und ihren Ausdruck zu legen. Es befremdete, dass die junge Künstlerin derart angespannt war, dass sich auf ihrem Gesicht nicht die Spur eines Lächelns zeigte, obwohl das Publikum entzückt war.
Mit großer Ruhe und Umsicht wurde Anastasiia Kliuchereva begleitet. Die gut aufgelegte Klassische Philharmonie Bonn war ein gleich berechtigter Partner. Leider ertönten die Hörner am Beginn unsicher und etwas kieksend, die Streicher gefielen hingegen in ihrem sensiblen Vortrag. Mit großer Innigkeit musizierte die Soloflöte im zweiten Satz, sekundiert von gewichtigen Pizzicati der Streicher. Am überzeugendsten gelang der mitreißende dritte Satz, welcher von Matthias Foremny mit viel Energie hervorragend ausgestaltet wurde. Anastasiia Kliuchereva bedankte sich mit einer lyrischen Zugabe, dem D-Dur Prélude op. 23 Nr. 4 von John Mortensen.
Nach der Pause dann ertönte eine der beliebtesten Sinfonien der gesamten Konzertliteratur. Drei Jahre Aufenthalt in Amerika, in der „Neuen Welt“, inspirierten Antonin Dvořák zu seinem symphonischen Gipfelwerk, welches im Jahr 1893 uraufgeführt wurde. Intensiv erforschte er die Gesänge der Indianer-Völker und verarbeitete manche Tonfolge bekannter Spirituals. Und doch sind natürlich die Klänge seiner böhmischen Heimat unverkennbar.
Matthias Foremny animierte sein Orchester unablässig mit starker Energie zu energischem Spiel. Mit viel Schwung stürmte der Dirigent mit der Klassischen Philharmonie Bonn durch dieses symphonische Wunder. Die Tempi wirkten ausgewogen, einzig das Adagio war deutlich zu schnell, sodass sich am Beginn, mit dem berühmten Englischhorn-Solo, kein Zauber einstellte. Die Musik atmete nicht und wirkte viel zu gehetzt. Matthias Foremny setzte deutliche Kontraste und überzeugte vor allem darin, das Orchester befreit aufspielen zu lassen. Das Klangbild war dabei nicht immer homogen. So waren im ersten Satz die Hörner zu laut, was auf Kosten der kleinen Streicherbesetzung ging. Mehr Kraft und Deutlichkeit in den Akzenten hätte der Pauke gut angestanden. Häufig wurde diese mit zu weichen Schlegeln gespielt, was den Tuttiklang aufweichte und rhythmisch diffus, wie z.B. am Ende des ersten Satzes, erscheinen ließ. Hier und da klapperten ein wenig die Einsätze, auch gab es kleinere Unsauberkeiten in den Hörnern und Holzbläsern. Strahlend und sehr sicher hingegen die Beiträge der Trompeten, Posaunen und Tuba.
Langanhaltender Beifall.
Dirk Schauß 31. März 2023
Kurhaus Wiesbaden
30. März 2023
Felix Mendelssohn Bartholdy – Konzertouvertüre op. 32 „Die schöne Melusine“
Pjotr I. Tschaikovsky – Klavierkonzert Nr. 1 b-moll
Antonin Dvořák – Sinfonie Nr. 9 e-Moll op. 95 „Aus der Neuen Welt“
Anastasiia Kliuchereva
KlavierKlassische Philharmonie Bonn
Matthias Foremny, Leitung