Giselher Klebe
Premiere: 7. Februar 2020
Besuchte Vorstellung: 28. Februar 2020
Ihre Uraufführung erlebten die Opern Giselher Klebes meist an den großen deutschen Häusern: „Alkmene“ kam 1962 an der Deutschen Oper Berlin heraus, „Figaro lässt sich scheiden“ und „Jakobowsky und der Oberst“ 1963 und 1965 an der Hamburgischen Staatsoper. Heute ist Klebe aus dem Repertoire verschwunden, lediglich in Detmold, wo Klebe einen Großteil seines Lebens verbrachte, wird er noch aufgeführt: Zuletzt spielte man hier 2006 „Die tödlichen Wünsche“ und 2008 „Chestlakows Wiederkehr“. Aus Anlass des 10. Todestag des Komponisten bringt das Landestheater nun „Der jüngste Tag“ auf die Bühne.
Vorlage der Oper ist das gleichnamige Schauspiel Ödon von Horvarths: Der Stationsvorsteher Thomas Hudetz, um dessen Ehe es schlecht bestellt ist, vergisst ein Signal zu setzen, weil Wirtstochter Anna mit ihm flirtet und einen Kuss gibt. Bei Bahnunglück gibt es 18 Tote, doch Hudetz behauptet das Signal richtig gestellt zu haben und Anna unterstützt ihn mit ihrer Aussage. Die Tatsache, dass Klebes Opern heute in Vergessenheit geraten sind, hat nichts damit zu tun, dass er „Literaturopern“ schrieb, die auf großen Stoffen der Weltliteratur beruhen. Auch Verdis „Otello“, Puccinis „La Boheme“ und „Salome von Strauss fußen auf literarisch erfolgreichen Werken. Vielmehr ist es die schwache kompositorische Substanz von Klebes Musik, mit der sich der Komponist selbst im Weg steht.
Zwar schafft die Musik Atmosphäre und Stimmung, sängerische und orchestrale Höhepunkte sucht man in diesem Stück vergebens. Der Text ist so komponiert, dass man jedes Wort versteht. Trotz des engagierten Dirigats von GMD Lutz Rademacher hat aber durchgehend das Gefühl, keine Oper, sondern ein Schauspiel mit Gesang und Orchesterbegleitung zu erleben. So wird man von Klebes Musik auch nie emotional mitgerissen und eine Klangmagie, die man selbst in zeitgenössischen Werken von Karlheinz Stockhausen, Hans Werner Henze oder Aribert Reimann erlebt, fehlt hier vollständig. Das Landestheater Detmold bietet aber für dieses schwache Stück ein starkes Plädoyer und bringt eine mustergültige Aufführung auf die Bühne. Da muss man zuerst das großartige Detmolder Ensemble nennen: Benjamin Lewis singt den Thomas Hudetz mit großem und charakterstarken Bariton, so dass man ihn sich auch gut als Wagners Wotan vorstellen kann. Seine Ehefrau gestaltet Emily Dorn mit selbstbewusst auftrumpfenden Sopran. Mit lyrischer Leichtigkeit stattet Sopranistin Sheida Damghani die Wirtstochter Anna aus. Aufhorchen lassen auch Seunghweon Lee, der mit nachtschwarzen Riesenbass ihren Vater singt, und der leuchtende Tenor von Stephen Chambers, der Anna Verlobten Ferdinand verkörpert.
Zudem bringt Regisseur Jan Eßinger, der sein Handwerk als Regieassistent an der Komischen Oper Berlin und dem Züricher Opernhaus erlernt hat, eine sparsam konzentrierte Inszenierung auf die von Sonja Fürstl entworfene Bühne. Ein gigantische, drehbare Stahlkonstruktion bietet mit ihren vielen Spielflächen das treffende Bühnenbild für diese Oper. Auch gelingt es der Regie in diesem Raum die wechselnden Schauplätze darzustellen. Die Beleuchtung von Henning Streck setzt zudem genaue atmosphärische Akzente.Regisseur Jan Eßinger verzichtet auf alle Requisiten und schafft es, trotz einer stilisierten Spielweise, glaubhafte Charakter auf die Bühne zu bringen. Die Detmolder Aufführung ist somit stärker als das Stück von sich aus ist.
Rudolf Hermes, 3. März 2020
Bilder (c) Landestheater