Detmold: „Lady Macbeth von Mzensk“, Dmitri Schostakowitsch

© Matthias Jung

Lieber Opernfreund-Freund, am Landestheater Detmold ist seit Ende März die Lady Macbeth von Mzensk in der Urfassung von 1932 zu erleben – und das ist wörtlich zu verstehen, denn Ensemble, Musiker und Produktionsteam machen die Oper um das Schicksal der jungen Katerina zum Erlebnis.

Oft wird die Lady Macbeth in Schostakowitschs Version mit der Shakespeare’schen gleichgesetzt, also der manipulativen Frau, die in ihrer Machtgeilheit ihren Gatten zu Mord über Mord anstachelt, um an ihr Ziel zu kommen. Doch ist sie eigentlich vielmehr die weibliche Version von Macbeth selbst, denn für die vermeintliche Verwirklichung ihrer Träume geht sie im wahrsten Sinne über Leichen. Vom Ehemann vernachlässigt und dem despotischen Schwiegervater unterdrückt, glaubt sie, in der Liebe zum Arbeiter Sergej ihr Glück zu finden. Sie vergiftet im Streben danach Schwiegervater Boris, erschlägt zusammen mit Sergej ihren Mann Sinowi und ertränkt auf dem Weg ins Zwangsarbeiterlager ihre Nebenbuhlerin Sonjetka, obwohl Sergej sie da schon gar nicht mehr will. Der wollte durch sie eigentlich zu Reichtum kommen und macht sie nun für die Verurteilung und Verbannung verantwortlich. Doch das realisiert Katerina nicht, versteigt sich noch immer in den Traum von der Zukunft zu zweit.

© Matthias Jung

Joan Anton Rechi braucht nicht viel, um das Drama der jungen Frau atmosphärisch dicht zu erzählen: er lässt sich von Ausstatter Markus Meyer einfach einen Mercedes auf die Bühne stellen, der Platz für Schäferstündchen, Schutz bietender Zufluchtsort und Ausdruck von Wohlstand und Macht gleichermaßen ist. Er steht im Gegensatz zur ländlich-bäuerlichen Kleidung und dem schlichten Umfeld, verdeutlicht aber auch die Enge, in der Katerina ihr Glück suchen muss. Gerade im hoffnungslosen vierten Akt bricht dann die Bühne auf und ermöglicht einen Blick in die Weite – die Katerina da aber schon nicht mehr offensteht, schon gar nicht zusammen mit Sergej. Der dritte Akt gerät in Mitten der düsteren Erzählweise zum satirischen Gegenpart und wird dabei zugleich zur Sternstunde der exquisit besetzten Nebenrollen: Karsten Münster glänzt als der Schäbige, der volltrunken auf der Suche nach Schnaps die Leiche von Sinowi findet, KS Andreas Jören legt den Polizeichef als Karikatur eines waschechten Sozialisten an und Seungweon Lee kann als verfressener Pope sein komödiantisches Talent voll ausspielen, während Irakli Atanelishvili als alter Zwangsarbeiter beinahe zu Tränen rührt.

© Matthias Jung

In der Titelrolle überzeugt mich Shelley Jackson, die die inneren Nöte Katerinas in allen Facetten überzeugend auf die Bühne des Landestheaters bringt. Sie verfügt über eine satte Mittellage und streut immer wieder zu Herzen gehende Piani ein. Dass sie in den Ausbrüchen in der Höhe mitunter ein wenig zu scharf klingt, ist bei der ansonsten vollkommenen Darstellung geschenkt. Zoran Todorovich schickt als Sergej bombensichere Spitzentöne und samtenes Gefühl gleichermaßen in den Zuschauerraum und verkörpert den Liebhaber voller Verve und Virilität. Ralf Lukas ist ein fast beängstigend überzeugender Boris mit dämonisch klingender Tiefe, während Ji-Woon Kim als sein Sohn Sinowi mit dunkel timbriertem Tenor auftritt. Die Damen und Herren des Chores sind unter der Leitung von Francesco Damiani blendend aufgelegt, während György Mészáros im Graben die Fäden zusammenhält und die richtige Balance zwischen den schroffen Kanten und den folkloristischen Anklängen findet, die beide gleichermaßen in Schostakowitschs Partitur stecken.

Ihr Jochen Rüth 10. Juni 2023


Lady Macbeth von Mzensk

Dmitri Schostakowitsch

Landestheater Detmold

Premiere: 31. März 2023

Besuchte Vorstellung: 8. Juni 2023

Inszenierung: Joan Anton Rechi

Ausstattung: Markus Meyer

Chorleitung: Francesco Damiani

Musikalische Leitung: György Mészáros

Symphonisches Orchester des Landestheaters Detmold

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