Flensburg: „Der goldene Brunnen“, Peter Leipold

Im Oktober 2023 fand als Koproduktion des Theaters Erfurt und des Pfalztheaters Kaiserlautern die Uraufführung dieser Familienoper nach einem Märchenspiel von Otfried Preußler statt. Exakt 100 Jahre nach dessen Geburtstag. Die Librettistin Friederike Karig führte sowohl in Kaiserslautern als auch bei der jüngsten Produktion am Schleswig-Holsteinischen Landestheater in Flensburg Regie.

© Thore Nilsson

Der Brunnen eines russischen Dorfes ist ausgetrocknet. Die Mädchen schleppen Wasser von weither herbei, während die Jungen versuchen, den Brunnen tiefer auszugraben, um an Wasser zu kommen. Die Großmutter ermahnt die jungen Leute, den Brunnen in Ruhe zu lassen. Er sei krank und brauche seine Zeit, um gesund zu werden. Sie weiß, wie der Brunnen geheilt werden kann: Jemand muss ihm eine Kanne Wasser vom goldenen Brunnen holen, doch der Weg dorthin ist voller Gefahren. Nur das Mädchen Maschenka ist bereit, diese auf sich zu nehmen. Die Großmutter gibt ihr drei Wunschhölzchen mit, die ihr in Gefahr helfen sollen.

In den schwarzen Wäldern nehmen die Häscher des Wolfskönigs zunächst Mischa Holzbein, einen alten Soldaten, und dann das Mädchen Maschenka in Gefangenschaft. Maschenka entzündet eines der Wunschhölzchen und wünscht sich, dass Mischa und sie das Reich des Wolfskönigs ungehindert verlassen können. Der Wunsch geht in Erfüllung! Bei einer Rast legt sich die erschöpfte Maschenka schlafen, während Mischa mit seinem Hunger kämpft. Er kann der Versuchung nicht widerstehen und spielt heimlich mit einem von Maschenkas Wunschhölzchen und entzündet versehentlich das Hölzchen. Stattdessen legt er ein ganz normales Streichholz in die Schachtel.

Am nächsten Morgen ziehen die beiden weiter in den Nebelwald. Schrätzel, Onkelchen und Tantchen, drei böse Schrate, locken Maschenka und Mischa in eine Waldhütte, wo sie erfrieren sollen. Maschenka muss ein weiteres Wunschhölzchen entzünden, um Mischa und sich aus dem Nebelwald zu befreien.

© Thore Nilsson

Schließlich kommen Maschenka und Mischa zum goldenen Brunnen, der von einem Drachen mit zwei Köpfen namens Pimpusch und Pampusch bewacht wird. Im Angesicht des Ungeheuers möchte Maschenka das letzte Wunschhölzchen entzünden, doch es bleibt wirkungslos – Mischa gesteht und ist bereit, sich vom Drachen fressen zu lassen, damit Maschenka zum Brunnen gehen kann. Pimpusch und Pampusch stürzen sich schließlich auf Mischa. In diesem Moment gelingt es der mutigen Maschenka, den Drachen niederzustrecken. Der Weg zum goldenen Brunnen ist nun frei und schließlich gelingt es auch, den Brunnen um Dorf wieder zum Sprudeln zu bringen.

Der 1987 geborene Komponist Peter Leipold hat eine authentische lautmalerische Tonsprache im Stil der Spätromantik gefunden. Seine Melodien erinnern an Engelbert Humperdinck und Leoš Janáček, vereinzelt musste ich auch an Philip Glass und Johann Strauß denken. Mit etwa 65 Minuten Spieldauer ist das Werk dabei kompakt und kindertauglich. Martynas Stakionis am Pult des Schleswig-Holsteinischen Sinfonieorchesters sorgt für teils Filmmusik-artigen Sound und Spannung bis zum Schlussapplaus.  

Gesanglich stechen aus dem spielerisch bestens aufgelegten Ensemble vor allem Małgorzata Rocławska mit ihrem klaren, beweglichen Sopran als Maschenka und Kai-Moritz von Blanckenburg mit seinem beeindruckenden Bariton als leicht einfältiger, aber liebenswerter Mischa heraus. Dabei glänzt dieser noch mit sehr guter Textverständlichkeit. Auch Evelyn Krahe als Großmutter vermag mit ihrem profunden Alt zu faszinieren. Optisch wirkt sie für eine Großmutter etwas zu frisch. In jeweils mehreren Rollen sind Anna Avdalyan (Nina/Schrätzel), die vor allem als Schrat komödiantisch in den Vordergrund tritt, Nadia Steinhardt als Njura / Tantchen, Timo Hannig als Kostja / Wolko / Onkelchen, Dritan Angoni als Petja / 1. Häscher / Pimpusch und Philipp Franke als Mitja / 2. Häscher / Pampusch im Einsatz.

© Thore Nilsson

Die Inszenierung von Friederike Karig setzt auf märchenhafte erzählerische Momente, die in historisch ländlichen und den teils sehr phantasievollen Kostümen und im stilisierten Bühnenbild von Stephan Anton Testi eine erfrischende Wirkung erzielen. Die zahlreichen Kinder im Publikum gehen ihrerseits auf die Handlung ein und rufen den Sängern schon mal gute Ratschläge auf die Bühne oder beginnen spontan zu applaudieren, als Maschenka den Drachen besiegt. Tatsächlich scheinen mit dieser Produktion einige Kinder zum ersten Mal ins Theater gelockt worden zu sein, wie die Frage eines kleinen Jungen an seine Mutter vermuten lässt. „Haben wir Plätze reserviert?“ erübrigt sich im Stadttheater ja zum Glück.

Ob die begleitenden Erwachsenen den Kindern einfach das schöne Märchenerlebnis gönnen, den ausgetrockneten Brunnen im Kontext mit aktuellen Klimadebatten thematisieren wollen oder neueste politische Ereignisse in Zusammenhang mit dem Ort der Handlung diskutieren mögen, bleibt ihnen überlassen.

Marc Rohde, 6. April 2024


Der goldene Brunnen
Familienoper von Peter Leipold

Schleswig-Holsteinisches Landestheater Flensburg

Premiere am 30. März 2024
Besuchte Vorstellung: 5. April 2024

Regie: Friederike Karig
Musikalische Leitung: Martynas Stakionis
Schleswig-Holsteinisches Sinfonieorchester