Jeder kennt sie, jedes Theater spielt sie: die gern als Königin der Operette bezeichnete Fledermaus von Johann Strauß. Und das nun schon seit mehr als 150 Jahren. Nicht selten sind die Aufführungen ausverkauft. So auch an diesem Premierenabend im Stadttheater Flensburg. Die ebenfalls in dieser Spielzeit herausgekommene Produktion am Theater Kiel scheint also keine Konkurrenz zu sein und das Schleswig-Holsteinische Landestheater ist dafür bekannt, Theater für „sein“ Publikum zu spielen.
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Hendrik Müllers Regie bleibt im Wesentlichen traditionell. Man spürt sofort, dass er das Genre Operette ernst nimmt, denn schon beim Öffnen des Vorhangs ist ein recht naturalistisches Bühnenbild von Marc Weeger zu sehen und auch die von ihm entworfenen Kostüme wirken historisch, edel und elegant. Auffällig sind die kräftigen Farben, die optisch vom ersten Moment an für frische Akzente und eine zeitgemäße Optik sorgen. Das Stück wird am heutigen Abend also nicht neu erfunden und diese Inszenierung besticht in erster Linie durch viel Humor, eine schier unglaubliche Liebe zum Detail und ein spielfreudiges Ensemble, welches auch choreographisch einiges zu leisten imstande ist. Trotz dieser im besten Sinne traditionellen Herangehensweise bringt Müller auch eine Botschaft rüber. Auf Orlofskys Ball erleben wir eine Gesellschaft von Freigeistern, die die tagsüber geltenden gesellschaftlichen Normen, durch die sie zu Außenseitern werden, ablehnen und möglicherweise sogar deren Untergang herbeiwünschen. Die Kostüme im zweiten Akt sind stilvoll, verfügen über einen hohen Glamour-Faktor und erinnern eher an einen Sommertag im liberalen englischen Seebad Brighton als an Menschen, die ein Schleswig-Holsteiner im Alltag zu Gesicht bekäme. So gibt der Regisseur diesem zeitlosen Dauerbrenner eine gesellschaftlich-kritische Note mit auf den Weg, ohne mit der Brechstange zu arbeiten oder auch nur den Zeigefinger zu erheben. Ganz subtil lässt er die Zuschauer im Rahmen ihrer individuellen Toleranz darüber sinnieren, ob ein wenig mehr Toleranz Andersdenkenden gegenüber unserer Gesellschaft nicht sehr gut bekommen würde. Sehr schön ist auch die Idee, das Personal an der Garderobe mit glitzernden Masken auszustatten, denn so werden die Zuschauer schon vor der Vorstellung atmosphärisch eingestimmt.
So rasant, wie es auf der Bühne zugeht, spielt auch das Schleswig-Holsteinische Sinfonieorchester unter der musikalischen Leitung seines energiegeladenen und charismatischen Generalmusikdirektors Harish Shankar auf und verzückt sowohl mit beschwingten Walzern als auch mit Polkas, Rosalindes berühmtem Csárdás und melodramatischen Opernklängen.
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Gesanglich war das Ensemble nicht ganz ausgewogen. Ich war sehr neugierig auf den Kärntner Bariton Matthias Störmer, der am Landestheater als Gabriel von Eisenstein zu erleben ist. Sein Rollenporträt ist eine wahre Offenbarung. Er singt mit kräftigem Bariton, den er nuanciert zu modulieren weiß und verfügt über eine Bühnenpräsenz, die seinesgleichen sucht. Sie haben die Fledermaus schon hundert Mal gesehen? Schauen Sie sich Störmers Interpretation an. Sie werden neue Facetten dieser Rolle entdecken. Anna Grycan begeistert als Prinz Orlofsky. Dabei klingt ihr Mezzosopran fast zu schön, aber auch sie versteht es, aus ihrer Rolle das Optimum herauszuholen und dem Charakter darstellerisch wie vokal einen eigenen Stempel aufzusetzen. Auch in Lackleder-Anzug und mit aufwändigem Kopfputz verleiht sie der Figur des gelangweilten Adeligen Würde. Dritan Angonis Tenor verfügt über den nötigen Schmelz für den Alfred und glücklicherweise kann auch dieser Sänger darstellerisch überzeugen und verkörpert die Rolle des Gesangslehrers dabei mit einer angenehm unprätentiösen Ironie. Ein besonderes Highlight schließlich ist die Interpretation des Frosch durch den Schauspieler Dirk Audehm. Er liefert eine herausragende Interpretation ab, die schwer zu übertreffen sein dürfte.
Talia Or gibt eine vielschichtige Rosalinde und gestaltet diese abwechslungsreich und überzeugend. Etwas mehr vokale Durchschlagkraft würde sie ihren zuvor genannten Kollegen ebenbürtig machen. Ihre Kammerzofe Adele ist bei der vom Publikum mit vielen Sympathien bedachten quirlig-kecke Anna Avdalyan in guten Händen. Als Referenz für den Gefängnisdirektor Frank habe ich noch Kurt Rydl im Ohr – so eindrucksvoll polternd kommt der Timo Hannig nicht daher, aber er macht seine Sache durchaus ordentlich. Philipp Franke als Dr. Falke hinterlässt hingegen einen etwas blassen Eindruck. Christian Alexander Müller als Dr. Blind und Sarah Kuffner als Ida komplettieren gemeinsam mit dem von Avishay Shalom einstudierten Chor die sehr gut aufgelegte Sängerriege.
Mit dieser Fledermaus präsentiert das Flensburger Musiktheaterensemble eine höchst unterhaltsame und liebevoll gestaltete Produktion für das heimische Publikum, die nicht zuletzt dank des Baritons Matthias Störmer auch für Besucher aus anderen Regionen eine Reise wert sein dürfte.
Marc Rohde, 10. Februar 2025
Die Fledermaus
Operette in drei Akten von Johann Strauß (Sohn)
Text von Karl Haffner und Richard Genée
Schleswig-Holsteinisches Landestheater Flensburg
Premiere am 8. Februar 2025
Regie: Hendrik Müller
Musikalische Leitung: Harish Shankar
Schleswig-Holsteinisches Sinfonieorchester