„In Linz beginnts“ lautete vor ein paar Jahren der Werbespruch von Oberösterreichs Landeshauptstadt und noch ein paar Jahre früher träumten zwei Provinzschauspieler „in Linz müsste man sein“. In Linz sollte aktuell jeder Musikfreund sein, der spannendes Musiktheater erleben möchte. So wie gestern bei der Premiere von Verdis „La forza del destino“ in der Regie von Altmeister Peter Konwitschny – Mitarbeit: Seollyeon Konwitschny).
„Linzer Fassung“ stand schon lange auf der Homepage des Landestheaters und ein paar Tage vor der Premiere war auch die Aufführungsdauer, eine nicht unwesentliche Information für mit der Bahn anreisende Besucher, zu lesen – eineinhalb Stunden. Keine Pause. Die Frage, wie das bei einem im Regelfall gut eine Stunde reine Spielzeit länger dauernden Werk möglich sein sollte, war wohl berechtigt. Tippfehler? Es sei vorweggenommen – es war kein Tippfehler; der Abend dauerte tatsächlich lediglich rund 100 Minuten. Konwitschny hat das Stück gnadenlos gekürzt, vor allem Massenszenen gestrichen (und dennoch Rataplan gelassen), die Partie des Fra Melitone aus der Oper eliminiert, die Gesangspartien auch der Solisten minimiert, Szenen umgestellt. Das ist, anders kann man es nicht sagen, ein schwerwiegender Eingriff in Musik und Libretto, den nicht nur viele traditionsverbundene Opernliebhaber ablehnen werden. Und dennoch – bis auf ein paar wenig logische Kleinigkeiten ist das Ergebnis in sich stimmig und überzeugend. Der Opernfreund muss die Überlegungen des Regisseurs, nachzulesen im gut redigierten Programmheft in einem Gespräch zwischen Konwitschny und dem Dramaturgen Christoph Blitt, nicht teilen; überlegens- und Nachdenkens wert sind sie jedenfalls.
Peter Konwitschny ist in dieser Produktion auch sein eigener Bühnenbildner – Mitarbeit: Anna Beck. Es ist ein nahezu einheitliches und einfaches Bühnenbild, das auf der Drehbühne steht. Lediglich ein paar wenige Requisiten deuten andere Spielplätze an. Einfach, dennoch treffend, sind auch die meisten Kostüme (Anna Beck, Karin Waltenberger); ein paar Übertreibungen und/oder Unlogiken sind wohl dem Gesamtkonzept geschuldet.
Musikalisch stand die gestrige Premiere unter einem guten Stern. Chor und Orchester zeugen ebenso wie die Künstler von der Qualität des Hauses. Michael Wagner singt ein würdiger Marchese von Calatrava, Vaida Raginskyte wertet die kleine Rolle der Curra hörbar auf, Tomaz Kovacic gibt einen nicht nur rollendeckenden Militärarzt. Von den „großen“ Rollen sei – sehr subjektiv – zunächst Adam Kim genannt. Mit kräftigem Bariton gibt er in Stimme wie Spiel überzeugend den rachesuchenden Don Carlo; gerne hätte der aus Wien angereiste Besucher von ihm die Rolle ungestrichen gehört.
Sein Gegenspieler Don Alvaro ist mit Sung-Kyu Park besetzt; ein höhensicherer Sänger, der allerdings den bei Verdi so wichtigen großen Bogen gelegentlich nicht vergessen sollte. Erica Eloff kann als Leonora mit ausgefeilter Pianokultur überzeugen. Bedauerlich, dass auch die Partie des Pater Guardiano stark gekürzt worden ist, so dass Dominik Nekel seine stimmlichen Qualitäten nicht voll ausspielen kann.
Ein mehr als überzeugendes Rollendebut gibt Manuela Leonhartsberger als Preziosilla und krönt ihre Arie mit einem fulminant gesungenen Spitzenton. Ein besonderes Lob gebührt dem von Elena Pierini perfekt einstudierten Chor. Aus der Riege des wieder sehr guten Bruckner Orchester muss der Herbert Hackl hervorgehoben werden, der als musizierender Obdachloser das Klarinettensolo im Vorspiel zu Alvaros Arie auf der Bühne spielt. Dirigent Enrico Calesso war den Mitwirkenden ein einfühlsamer Begleiter und führte die Orchestermusiker auf hohes Niveau.
Großer Jubel im ausverkauften Haus für Chor, Orchester, Sänger und Leadingteam, in den sich ein paar vereinzelte Buhrufe gegen den Regisseur mischten.
Michael Koling, 27. Januar 2023
Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner Merker-online (Wien)
„La forza del destino“
Giuseppe Verdi
Besuchte Premiere 21. Januar 2023
Regie: Peter Konwitschny
Mitarbeit: Seollyeon Konwitschny
Dirigat: Enrico Calesso
Bruckner Orchester Linz