Linz: „The Wave“ (Die Welle)

Uraufführung digital: 20.03.2021

Nachdem auch am Landestheater Linz seit einigen Monaten die Türen für Besucher verschlossen bleiben müssen, hat man hier nun die Netzbühne ins Leben gerufen, bei der ausgewählte Vorstellungen online zu sehen sind. Den Anfang machte hierbei das Tanzensemble und das Junge Theater. Am gestrigen Samstag, den 20.03.2021 fand auf dieser Plattform allerdings auch die digitale Uraufführung des Musicals „The Wave“ statt, die eigentlich vor einigen Monaten hätte im Theater stattfinden sollen. Das Musical basiert auf dem Experiment des Geschichtslehrers Ron Jones von 1967 an einer amerikanischen Highschool, welches vor allem durch den Roman von Morton Rhue berühmt geworden ist. Hierzulande ist sicherlich die Verfilmung „Die Welle“ u. a. mit Jürgen Vogel aus dem Jahr 2008 bekannt. Insgesamt zweieinhalb Millionen Zuschauer locke dieser Film seinerzeit ins Kino. Ende 2019 erschien basierend auf dieser Geschichte auch die Netflix-Serie „Wir sind die Welle“. Das Musical stammt aus der Feder von Or Matias und wurde 2019 an der Johnny Mercer Writers Colony bei Goodspeed Musicals entwickelt.

Für alle, die mit der Handlung nicht vertraut sind, nachfolgend die kurze und sehr gelungene Inhaltsangabe des Landestheater Linz: „Der Geschichtslehrer Ron Jones stößt in seiner Klasse beim Thema Nationalsozialismus auf Unverständnis. Die Jugendlichen können nicht verstehen, wie sich das faschistische Regime etablieren konnte und warum so viele Deutsche angeblich nichts vom Holocaust wussten. Er entschließt sich, ein Experiment durchzuführen. Er gründet „The Wave“, eine Organisation, in der die Schüler verschiedene Rollen übernehmen und sich strengen Verhaltensnormen unterwerfen. Die drei Prinzipien „Macht durch Disziplin“, „Macht durch Gemeinschaft“ und „Macht durch Handeln“ setzt er Schritt für Schritt um. Als die Dinge außer Kontrolle geraten und die eingeübten Strukturen immer totalitärere Züge aufweisen, will der Lehrer das Experiment abbrechen – doch die Mitglieder von „The Wave“ stellen sich ihm entgegen.“ Die gelungene Inszenierung von Christoph Drewitz konzentriert sich hierbei gekonnt auf den Lehrer Ron sowie die fünf Schüler Ella, Robert, Jess, James und Stevie. Während Jess und Stevie aus einem familiär durchaus prekären Umfeld stammen und diverse Probleme mit sich herumtragen, stammt James aus einem wohlhabenderen Elternhaus. Allerdings scheint es auch hier um die nicht materielle Zuwendung der Eltern nicht zum Besten bestellt zu sein. Zudem liebt James seine Mitschülerin Ella, die zu den besten Schülerinnen der Schule zählt. Und dann ist da noch Robert, der von allen nur gehänselt wird und der sich durch die Welle erstmals nicht komplett ausgestoßen vorkommt und hierdurch ein gefährliches Potential entwickelt. Verkörpert wird diese Rolle von Lukas Sandmann der diesen Charakter exzellent auf die Bühne bring. Auch die weiteren Darsteller wissen zu gefallen, Hanna Kastner spielt Ella, Celina dos Santos übernimmt die Rolle der Jess, James wird dargestellt von Samuel Bertz und Malcolm Henry verkörpert Stevie. In der Rolle des Lehrers Ron weiß Christian Fröhlich zu überzeugen. Abgerundet wird die Besetzung durch weitere 6 Ensemble-Darsteller, die weitere Schüler spielen und bei einigen Chorstücken und beim Bühnenumbau unterstützend eingreifen.

Aufgezeichnet wurde für diese Netzpremiere die Generalprobe Ende letzten Jahres, die in überraschend guter Qualität daherkommt. Durch die kammerspielartige Inszenierung, meist innerhalb des Klassenraums, eignet sich das Stück durchaus für eine Übertragung als Stream. Die drehbare Bühnenkonstruktion, mit einigen Schiebewänden stammt dabei von Veronika Tupy. Das Kostümbild von Anett Jäger besteht passend aus der zu erwartenden Alltagskleidung der Schüler, gefallen kann hier vor allem die spätere Uniform der Bewegung, die bis in die Socken abgestimmt ist. Musikalisch erinnert „The Wave“ etwas an das Musical „Frühlingserwachen“, was allerdings auch durch ein ähnliches Setting beeinflusst sein kann. Allgemein untermalt die Musik von Or Matias eher die Handlung, anstatt mit großen Ohrwürmern aufzuwarten, was allerdings in dem Fall alles andere als schlimm ist. Unter der musikalischen Leitung von Juheon Han klingt die Band auch am heimischen Fernseher sehr gut. Zu sehen ist das Musical noch bis zum 17. April 2021 über die Netzbühne, Tickets können hierbei zu Preisen zwischen 0 Euro und 120 Euro erworben werden, den gewünschten Preis bestimmt man bei der Bestellung des Zugangscodes nach eigenen Wünschen. Das Video kann dann am gewählten Tag sowie am Folgetag angesehen werden. In einer Zeit, in der man als Theatergänger sehnlichst auf die Wiedereröffnung der Theatersäle wartet, ist diese Inszenierung auf jeden Fall eine gelungene Bereicherung des digitalen Angebots, welche insbesondere allen Freunden des Musicals wärmstens empfohlen werden kann.

Markus Lamers, 21.03.2021
Fotos: © Reinhard Winkler