Operettenseligkeit in Bad Ischl geht mit Professor Dr. Michael Lakner weiter
Lehár Festival in Bad Ischl mit Franz Lehár und Carl Zeller
Im letzten Jahr war das 50jährige Bestehen der Festspiele und man war gespannt, wie es weitergeht. Einen großen Schritt zur Kontinuität ging Intendant Dr. Michael Lakner selbst. Anfang Mai gab er bei einer Pressekonferenz bekannt, dass er sich entschlossen habe, seinen Vertrag bis 2019 zu verlängern. Dieser Schritt ist sicher ein Zeichen hin zur weiteren Konsolidierung der Festspiele, die in den letzten Jahren einen riesengroßen Schritt nach vorne gemacht haben. Zu einem nicht unerheblichen Teil war dies der Verdienst des seit 2004 in Bad Ischl agierenden Intendanten. Wer ihn einmal „in Action“ erlebt hat weiß, wie viel Herzblut, Einsatzbereitschaft, weit über die Schmerzgrenze hinaus und vor allem Gespür für das Publikum, aber auch für die Akteure auf der Bühne sich in seiner Person vereinen. Ohne Dr. Lakner wären das Lehár Festival Bad Ischl mit Sicherheit „nur die Hälfte wert“.
Zwei Neuentdeckungen des Intendanten gaben im „Vogelhändler“ ihr Bad Ischl Debüt. Einmal die junge Österreicherin Eva-Maria Kumpfmüller als Kurfürstin Marie und zum Anderen der aus China stammende Keja Xiong als Stanislaus. Frau Kumpfmüller hatte 2010 in Dr. Lakners Klasse beim Wiener Musik Seminar studiert und beim Dichler-Wettbewerb danach den ersten Preis gewonnen und Herr Xiong hatte in Passau, der Festspielstadt den von Dr.- Lakner gestifteten Sonderpreis des Lehár Festival Bad Ischl gewonnen. Eine besondere Auszeichnung wurde auch Dr. Michael Lakner selbst zuteil, er bekam den Professorentitel von Landeshauptmann Dr. Pühringer verliehen, „Professor Dr. Michael Lakner hat als Spiritus Rector, als Generalverantwortlicher und Manager das Lehár Festival Bad Ischl nachhaltig geprägt und zu einem Aushängeschild des Musiklandes Oberösterreich gemacht“, so Pühringer. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, außer auch von uns einen ganz herzlichen Glückwunsch.
„Zigeunerliebe“ war, nach Paganini im letzten Jahr, erneut ein Prunkstück der Operettenaufführungen in Bad Ischl. Das Publikum war restlos begeistert, der leider etwas unbekannte – und dies völlig zu Unrecht – Lehár ging unter die Haut. Der große Lebenstraum des Komponisten, eine „große Oper“ zu schreiben, war mit „Zigeunerliebe“ schon sehr nahe an der Verwirklichung. Man hat es mit dieser Operette schon etwas schwer, man braucht zwei Spitzentenöre, zwei sehr gute Soprane und dazu noch ein tolles Buffo-Paar und daneben noch ein paar weitere ausgezeichnete Mitwirkende. Dies zu besetzen ist schon schwer genug – vielleicht steht die „Zigeunerliebe“ deshalb so selten auf dem Spielplan. Ja, und dann ist noch die Inszenierung, die zwischen Realität und Traumerzählung hin und her springen muss. Keine leichte Aufgabe, der sich hier Leonard Prinsloo gestellt hat. Er geht davon aus, dass Zorika, die Tochter des Gutsbesitzers Peter Dragotin durch dieses Traumspiel und dem Hin und Her gerissen sein zwischen Realität und Fiktion und dem sich letztendlich nicht entscheiden können zwischen Jozsi, dem Spielmann und Jonel Bolescu, dem Gutsbesitzer den Verstand verliert und in der Irrenanstalt landet. So beginnt in einer kurzen Sequenz die Operette in dieser Nervenheilanstalt und endet, ebenfalls in einer kurzen Sequenz, in derselben. Ich persönlich war nicht so sehr von dieser Deutung überzeugt, vor allem, da es aus meiner Sicht nicht konsequent durchgehalten werden konnte, dem Publikum aber gefiel es und Gott sei Dank waren diese Szenen auch nicht so lange, dass sie zu störend gewirkt hätten.
Daneben wurde aber prächtig musiziert und vor allem hervorragend gesungen. Diese „Zigeunerliebe“ ging unter die Haut und dies lag auch am ausgezeichnet aufgelegten Franz-Lehár Orchester unter Marius Burkert. Das opernhaft aufspielende Orchester war ein Ohrenschmaus und nahm sich bei den Sängern Gott sei Dank etwas zurück, obwohl dies bei der Mehrzahl der Solisten gar nicht notwendig gewesen wäre. Hier sei an erster Stelle einmal Miriam Portmann als Zorika genannt. Sie, eine Ikone der Bad Ischler Operette, hatte einen ganz tollen Tag. Sie stand im Mittelpunkt des Geschehens, überstrahlte mühelos das Orchester, klar, eindrucksvoll geführt, beherrschte sie ihren leuchtenden und eindrucksvollen Sopran auf das Beste, sie wurde zu recht mit Beifall überschüttet. Ihre beiden „Liebhaber“ agierten ebenfalls prächtig. Jevgenij Taruntsov versprühte als Józsi der Spielmann tenorale Laune. Höhensicher, kraftvoll, aber auch zu feiner Phrasierung fähig, stellte er einen ganz hervorragenden Zigeuner auf die Bühne, der auch schauspielerisch überzeugen konnte. Seinen Gegenpart stellte Matjaz Stopinsek als Jonel dar. Er besitzt einen sehr schönen weichen und wandlungsfähigen lyrischen Tenor, den er entsprechend eindrucksvoll zum Leuchten brachte. Zwischen diesen beiden Paradetenören entscheiden zu müssen, könnte allein schon zum Wahnsinn führen. Thomas Malik, als Sohn des Bürgermeisters der Dritte im Terzett der Tenöre konnte als der Buffo vom Dienst (nachdem es nach Willy Hoffmann ja keinen Bundesbuffo mehr zu geben scheint) voll überzeugen und seinen Gegenpart spielte und sang ganz reizend mit hübscher, zarter aber dennoch durchschlagskräftigem Sopran Verena Barth-Jurca als Jolan, Dragotins Nichte, deren Kinderschar etwas überzogen wirkte. Christa Ratzenböck ergänzte als Ilona mit ihrem schönen Mezzo die Riege der Gesangsdarsteller. Als Dragotin Dragotin konnte Thomaz Kovacic seinem Gaul etwas Zucker geben, überzog aber nicht und ließ das Publikum auch zum erlösenden Lachen kommen. Gerhard Balluch war als Irrenarzt bzw. als Zorikas Amme jederzeit präsent, wenn auch nicht immer ganz textverständlich. Die Dialoge hätte man insgesamt ein kleines bisschen beschneiden können, insgesamt jedoch blieb eine musikalisch in jedem Bereich überzeugende Operette, die eine Renaissance auf den Operettenbühnen verdient hätte. Nicht unerwähnt lassen sollte man auch den ausgezeichneten Geiger Marco Radonic, der mit der Violine die entsprechenden Parts von Józsi, dem Spielmann glänzend übernahm. Ein Abend der Laune machte und auch wieder einmal ein Aushängeschild für die leider immer weiter vernachlässigte Operette darstellte. Vielleicht gibt es von dieser Aufführung auch bald eine CD-Einspielung, dies wäre sehr zu empfehlen.
„Der Vogelhändler“ ist Aufführung einer bekannten und vielgespielten Operette, die ich am nächsten Tag sehen und hören konnte. Und wieder ist es erstaunlich, wie viel man aus so einem alten „Thetergaul“ herausholen kann. Die Melodien und die Operette selbst hat man schon so oft gehört, aber in Bad Ischl gelingt es wieder einmal, dass sie frisch, unverbraucht, einfach schön erklingt. Ein eindeutiger Pluspunkt der Aufführung war die spritzige, pfiffige und präzise orchestrale Leitung durch Oliver Ostermann, der aus dem Franz Lehár Orchester erstaunliches herausholen konnte. Bei Ostermann spürte man einfach, dass er für und mit der Musik lebt und dies auch seinen Musikern entsprechend vermitteln kann. Flott, rasend, ja drängend und gleichzeitig fein und filigran bei der Unterstützung der Sänger. Eine orchestrale Leistung vom Feinsten. Ja und dann kam dazu, dass man in Bad Ischl (siehe hier das eingangs angesprochene Händchen des Intendanten) immer wieder hervorragende Singschauspieler verpflichten kann. Theresa Grabner war als komödiantisch ausgezeichnete, blitzsauber spielende und singende Briefchristel eine wahre Entdeckung des Abends. Glockenrein, perlend und dazu liebreizend anzusehen stellte sie eine fast ideale Briefchristel auf die Bretter der Bad Ischler Operettenbühne. Ihr beinahe ebenbürtig der Adam von Sebastian Reinthaller, der eine solide Leistung brachte. Sein durchschlagskräftiger Tenor konnte zwar überzeugen, wenn mir auch ein bisschen die Strahlkraft und die frühere Höhensicherheit fehlte. Rupert Bergmann stellte einen kongenialen Baron Weps auf die Bretter, er konnte sowohl stimmlich, als auch darstellerisch in allen Bereichen voll überzeugen. Eine ganz tollte Leistung. Ja – und dann kam der Knackpunkt – dacht man jedenfalls. Die beiden Intendantenneuentdeckungen, Eva-Maria Kumpfmüller als Kurfürstin Marie und Keija Xiong als Neffe Stanislaus, waren beide als indisponiert angekündigt worden. Bei der überzeugenden Eva-Maria Kumpfmüller, war davon überhaupt nichts zu spüren, sie gab eine ganz bezaubernde Kurfürstin, von der Stimme her mit schönem weichen, durchschlagskräftigen leuchtenden Sopran, aber auch von ihrer Erscheinung und ihrem sehr guten Bühnenspiel. Von ihr wird man mit Sicherheit in der Zukunft noch einiges hören und erwarten können. Dem jungen Tenor Kejia Xiong war leider seine Heiserkeit anzuhören. Zu (verständlicherweise) vorsichtig und zurückhaltend, praktisch mit gebremstem Schaum, stand er seine Partie jedoch dennoch überzeugend durch. Schade, ich hätte ihn gerne im Vollbesitz seiner stimmlichen Kräfte erlebt, ich glaube, dass auch er in der Zukunft noch aufhorchen lassen wird. Gabriele Schuchter war eine vorzügliche Adelaide, vor allem spielerisch gestaltete sie eine ganz vorzügliche Baronin und auch gesanglich konnte man nichts an ihr aussetzen. Über das bekannte „Professoren-Duo“ möchte ich nicht viel Worte verlieren, einfach, weil es mir überhaupt nicht gefiel. Man kann das bekannte Prodekan-Lied gerne um eine aktualisierte Strophe, meinetwegen auch zwei verlängern, aber das gesamte Duo zu einer Art „Rating Agentur Parodie“ zu machen, war für mich persönlich völlig fehl am Platz. Dieses störte meinen sonst fast einhellig positiven Eindruck des Abends ein kleines bisschen. Aber scheinbar war ich da einer der wenigen, denn die überwältigende Mehrheit des Publikums klatschte begeistert, am liebsten natürlich im Takt mit, leider eine weitere Unsitte. Die sonstigen sogenannten Modernisierungen des Stückes passten recht gut und fügten sich in den Rahmen der Operette nahtlos ein. Insgesamt eine überzeugende Leistung, die den Ruf Bad Ischls als weiteres Mekka der Operette (neben Mörbisch, welches nach dem Weggang von Harald Serafin sicher einige Probleme bekommen wird) noch weiter voran bringen wird. Jedenfalls freue ich mich bereits heute auf die leider nur selten aufgeführte Operette „Gasparone“ von Carl Millöcker im nächsten Jahr und werde mir auch, wenn auch etwas schwereren Herzens „Helle Dolly“ ansehen und anhören. Der Besuch von Bad Ischl jedenfalls hat sich auch in diesem Jahr wieder gelohnt.
Da die Kritik des verehrten Martin Freitag (der vermutlich am gleichen Tag wie ich in der Aufführung war – denn 2 Absagen wegen Indisposition der gleichen Sänger dürfte unüblich sein) sehr umfassend war, hier als Alternative – statt des obigen Textes – einen etwas gekürzten Text (etwa 10 Zeilen gekürzt), der geringere Doppelmeinungen wiedergibt – weil wir uns in vielem einige sind)
„Der Vogelhändler“ wurde am nächsten Tag besucht. Einen umfassenden Bericht hierzu hat mein verehrter Kollege Martin Freitag geschrieben, so dass mir nur einige zusätzliche persönliche Anmerkungen gestattet sind. Eindeutiger Pluspunkt der Aufführung war die spritzige, pfiffige und präzise orchestrale Leitung durch Oliver Ostermann, der aus dem Franz Lehár Orchester erstaunliches herausholen konnte. Dann kam dazu, dass man in Bad Ischl (siehe hier das eingangs angesprochene Händchen des Intendanten) immer wieder hervorragende Singschauspieler verpflichten kann. Theresa Grabner war eine komödiantisch blitzsauber spielende und singende Briefchristel, eine wahre Entdeckung des Abends. Beinahe ebenbürtig der Adam von Sebastian Reinthaller, der eine solide Leistung brachte. Sein durchschlagskräftiger Tenor konnte überzeugen, wenn mir auch ein bisschen die Strahlkraft und die frühere Höhensicherheit fehlte. Rupert Bergmann stellte einen kongenialen Baron Weps auf die Bretter. Dann kam der Knackpunkt – dachte man jedenfalls. Die beiden Intendantenneuentdeckungen, Eva-Maria Kumpfmüller als Kurfürstin Marie und Keija Xiong als Neffe Stanislaus, waren beide als indisponiert angekündigt worden. Bei der überzeugenden Eva-Maria Kumpfmüller, war davon überhaupt nichts zu spüren, sie gab eine ganz bezaubernde Kurfürstin, von der Stimme her mit schönem weichen, durchschlagskräftigen leuchtenden Sopran, aber auch von ihrer Erscheinung und ihrem sehr guten Bühnenspiel. Dem jungen Tenor Kejia Xiong war leider seine Heiserkeit anzuhören. Zu (verständlicherweise) vorsichtig und zurückhaltend, praktisch mit gebremstem Schaum, stand er seine Partie jedoch dennoch überzeugend durch. Schade, ich hätte ihn gerne im Vollbesitz seiner stimmlichen Kräfte erlebt, ich glaube, dass er in Zukunft noch aufhorchen lassen wird. Gabriele Schuchter gestaltete darstellerisch eine vorzügliche Baronin, die auch gesanglich überzeugen konnte. Über das bekannte „Professoren-Duo“ möchte ich nicht viele Worte verlieren, einfach, weil es mir überhaupt nicht gefiel. Man kann das bekannte Prodekan-Lied gerne um eine aktualisierte Strophe, meinetwegen auch zwei verlängern, aber das gesamte Duo zu einer Art „Rating Agentur Parodie“ zu machen, war für mich persönlich fehl am Platz. Dieses störte meinen sonst fast einhellig positiven Eindruck des Abends ein kleines bisschen. Aber scheinbar war ich da einer der wenigen, denn die überwältigende Mehrheit des Publikums klatschte begeistert, am liebsten natürlich im Takt mit, leider eine weitere Unsitte. Die sonstigen sogenannten Modernisierungen des Stückes passten recht gut und fügten sich in den Rahmen der Operette nahtlos ein. Insgesamt eine überzeugende Leistung, die den Ruf Bad Ischls als weiteres Mekka der Operette (neben Mörbisch, welches nach dem Weggang von Harald Serafin sicher einige Probleme bekommen wird) noch weiter voran bringen wird. Jedenfalls freue ich mich bereits heute auf die leider nur selten aufgeführte Operette „Gasparone“ von Carl Millöcker im nächsten Jahr und werde mir auch, wenn auch etwas schwereren Herzens „Helle Dolly“ ansehen und anhören. Der Besuch Bad Ischls jedenfalls hat sich auch in diesem Jahr wieder gelohnt.
Manfred Drescher
(besuchte Aufführung „Zigeunerliebe“ am 28.07.2012
besuchte Aufführung „Der Vogelhändler“ am 29.07.2012)
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