Besuchte Premiere am 12.08.17
Unbekannter Kalman
Das Finale des diesjährigen Lehàr-Festivals ist auch dieses Jahr eine semiszenische Aufführung einer unbekannten Operette, die für das Musiklabel CPO mitgeschnitten wird, und damit einen der schwarzen Flecken des Operettenuniversums erhellen hilft (Lehàrs vorjährige „Juxheirat“ ist gerade pünktlich zum Festspiel herausgekommen und sei den Operettenfreunden wärmstens empfohlen). Dieses Jahr gab es Emmerich Kalmans drittletzte Operette „Kaiserin Josephine“, die 1936 schon im Exil am Zürcher Stadttheater uraufgeführt wurde. Den Connaisseurs unter den Operettenfreunden wird allenfalls die große Tenornummer „Liebe singt ihr Zauberlied“ geläufig sein.
Ansonsten ist das Werk wohl weitestgehend musikalische „terra incognita“. Was ist über das Stück zu sagen? Auch Kalman unternimmt seiner Zeit gemäß einen sehr opernhaften Abstecher, wie es Lehàr mit seinem Spätwerk, vor allem seiner an der Wiener Staatsoper herausgekommenen „Giuditta“ vorgemacht hatte, andere Komponisten folgten, so zum Beispiel auch Eduard Künnecke, bei dessen „Die große Sünderin“ das nächste Saison an der MuKo Leipzig erfahren werden kann. Doch zurück zu Kalman, der hier eigentlich eine „Tauber-Operette“ geschrieben hat, denn die dankbarsten und auch anspruchvollsten Aufgaben gelten dem Tenor in der Partie des Napoleon, was nicht heißt, daß die Titelpartie einfach zu singen ist. Die gute Nachricht: das Hauptpaar Josephine Beauharnais und Napoleon Buonaparte sind einfach fantastisch besetzt, beides bewährte Ischler Lieblinge: Miriam Portmann und Vincent Schirrmacher.
Die Sopranistin hat die etwas undankbare Aufgabe der Titelpartie, denn Josephine ist irgendwie kein netter Charakter, als verarmte Adelswitwe kommt sie an den aufstrebenden General, der sich hemmungslos in sie verliebt, es kommt dann wieder „irgendwie“ doch zu einem gegenseitigen „Liebhaben“ mit Duetten und Heirat, dann muß Napoleon ins Feld und sich sehnen. Die Titelheldin bleibt in Paris und tändelt herum, es kommt zu einem Zerwürfnis und „irgendwie“ zu einer Versöhnung; und dann „Bumms“ wird sie im Finale als Kaiserin gekrönt, und das vielleicht alles wegen der Prophezeihung einer Wahrsagerin zu Beginn. Vielleicht liegt es an dem unentschiedenen Charakter der Titelfigur, der nicht so gelungenen Aufstiegs-Dramaturgie des Werkes, das es sich nicht durchsetzen konnte? Die Musik ist unverkennbarer Kalman, etwas ambitionierter vom Anspruch her, doch immer noch ungarisch von den Wurzeln.
Miriam Portmann spielt die Ambivalenz des Charakters gerade heraus, ohne es am nötigen Charme fehlen zu lassen, immer das nötige Augenzwinkern dabei wenn es pathetisch wird, eine echte Operettendiva, wie es nicht mehr viele gibt. Gesanglich von feinen Nuancen bis zur großen Operngeste, alles ohne Fehl und Tadel mit abgerundetem Höhenaplomb. Besonders reizend der Verweis auf ihre kreolische Herkunft mit exotischen Klängen, Giudittas Lippen küssen nicht weit davon, der sich dann doch in einen echten Kalmanschen Csàrdas löst. Vincent Schirrmacher hält mit tenoralem Strahl verwegen als Napoleon, weitgehend ernst, dagegen, doch die Schwächen des Empereurs sind die Frauen, so darf der General auch seine menschlich schwachen Seiten zeigen, Ein echter Tenor ohne Furcht vor vor Höhe, Schmalz und Schmelz, viel besser geht das nicht zu singen. Dazu gibt es natürlich ein Buffopaar: Napoleons Korporal Bernard und Josephines Zofe Juliette, auch hier eine Non-plus-ultra-Besetzung mit Roman Martin und Theresa Grabner, in bestem Sinne routiniert singen und tanzen sie sich durch die Operette, das es einfach nur eine Freude ist. Der große „Rest“ der vielen Partien ist aus dem „Solistenfundus“ und dem unglaublichen Chor des Lehàr-Festivals genommen, da ist sich keiner für eine kleine Partie zu schade, alles sind wunderbare „Typen“, die auch musikalisch keine Wünsche offen lassen.
Die musikalische Leitung liegt in den zuverlässigen, inspirierenden und inspirierten Händen von Marius Burkert, der meines Erachtens gerade für Kalman nochmal ein besonderes Gespür hat und dem groß besetzten Franz Lehàr- Orchester viele feine Valeurs entlockt, die Sänger quasi auf Händen trägt, alles auch hier perfekt, da freut man sich schon heute auf die Aufnahme. Wenn man dazu gehört hat, das es eigentlich nur vier große Proben gegeben hat, kann man nur staunen und sagen: „Was für Profis!“ . Egal ob Sänger oder Orchestermusiker, was für ein Gespür für das schwierige Metier Operette, welche Klasse! Ein ganz großes Lob geht dabei natürlich auch an den Mann, der schon viele gute Produktionen in Bad Ischl zu verantworten hat: Leonard Prinsloo, der für Bühnenkonzeption, Sprechtextfassung und Dialogregie zuständig ist. Die Kostüme kennt man teilweise aus den laufenden Produktionen, der Projektor wird für Einblendungen von historischen oder atmosphärischen Bildern sinnvoll genutzt, ganz in der Ischler Devise aus wenig mach viel, und zwar ganz viel. Hier wurde auf sehr kurzweilige Art mit großer Professionalität eine Lücke geschlossen. Das Werk selbst überzeugt vor allem musikalisch, dramaturgisch besitzt es erwähnte Schwächen.
Der neue Intendant, Thomas Enzinger, vergißt in seiner launigen Ansprache nie , die Vorarbeit seines Vorgängers Michael Lackner zu würdigen, der noch für die Planung dieser „Übergangsspielzeit“ zuständig war. Neben beiden Intendanten gab es zur Premiere einen besonderen Besuch im Publikum: die Tochter des Komponisten, Yvonne Kalman, ließ es sich nicht nehmen, mit ein paar persönlichen Worten Erlebnisse um diese Operette zu erzählen, die sie selbst in Bad Ischl zum ersten Male aufgeführt erleben durfte. Nächstens Jahr gibt es dann, neben den szenischen Aufführungen von Paul Abrahams „Die Blume von Hawai“ und Franz Lehàrs (70,Todestag!) „Das Land des Lächelns“, dann einmal keine semikonzertante Operette, sondern eine Multimedia-Show „Sissi in Concert“ mit Ausschnitten aus Ernst Marischkas „Sissi-Filmen“ mit einer live gespielten Suite von Anton Profes` Filmmusiken. Romy Schneider hätte 2018 ihren 80. Geburtstag gefeiert. Ein doch recht spannender Plan. Man hat den Eindruck, das man mit Thomas Enzinger einen guten Intendanten für das Lehàr-Festival gefunden hat, der eigene Ideen einbringt und durchaus noch (positive) Überraschungen in petto hat
Martin Freitag 17.8.2017
Fotos: Foto-Hofer, Bad Ischl