Bad Ischl: „Die Juxheirat“

Besuchte Premiere am 13.08.16

Unerwartete Überraschung

Wie jedes Jahr gab es in Bad Ischl eine absolute Rarität als semikonzertante Aufführung, nach Strauß Sohn und Fall wurde dem Namenspatron des Festivals gehuldigt, um es vorwegzunehmen, besser hätte man ihm nicht huldigen können. Kennen Sie die Lehàr-Operette „Die Juxheirat“ ? Ich bislang auch nicht, doch das sollte sich ändern, auch für Sie als Operettenfreund, denn das wunderbare Label CPO hat einen Mitschnitt gemacht, der dann sicherlich nächstes Jahr erscheinen wird, also „Vormerken!“.

Das Werk selbst wurde in Wien 1904 uraufgeführt; Lehàr selbst hatte gerade einmal seinen ersten Operettenerfolg mit „Der Rastelbinder“ gehabt, seine nächste Operette „Der Göttergatte“ auf den Amphytrion-Stoff war ohne Nachhall geblieben und „Die lustige Witwe“ sollte im Jahr darauf folgen. Julius Bauer hatte ihm ein durchaus witziges Libretto auf einen aktuellen Stoff zurechtgezimmert: Im modernen Amerika hat die Milliardärstochter Selma nach einer enttäuschenden Eheerfahrung mit Freundinnen den Verein L.V.M. („Los vom Mann“) gegründet, das Thema der Frauenemanzipation lag in der Luft. Ihr Daddy hat allerdings andere Pläne und hat als Ehekandidaten den Aristokraten Harold von Reckenburg erwählt, einen etwas ungewöhnlich weichen Tenorliebhaber, der fast ein Antiheld ist. Jevgenij Taruntsov spielt diese ungewöhnliche Tenorpartie mit viel doppelbödigem Humor und strahlendem Gesang, ebenso wie Maya Boog die widerspenstige Enttäuschte mit sopranigem Silberstift zeichnet, richtiges fein gespieltes Komödientheater auf hohem Gesangsniveau. Gerhard Ernst poltert effektvoll den Bühnenpapa. Natürlich endet nach den handelsüblichen Verwirrungen alles in Butter.

Doch die Verwirrungen haben es in sich ,denn das Stück hat viele tolle Ensemblerollen. Zunächst findet ein Geschwisterpaar der Hauptprotagonisten zueinander Alexander Kaimbacher singt den Milliardärssohn Arthur schon als Vorwegnahme für den Rosillion (Witwe!) mit effektvoll hohen Tenoraufgaben, wie Anna-Sophie Kostal eine aristokratische Gegenspielerin zur Milliardärstochter mit charmantem Sopran gibt, quasi ein zweites Traumpaar. Ganz wichtig ist die Rolle des Automobilchaffeurs Philly Kapps, die damals extra für Alexander Girardi konzipert wurde. Christoph Filler sorgt in der umtriebigen Buffopartie mit Aplomb, poinitierter Textverständlichkeit und schönem Tenor für den nötigen Wirbel, verwirrt dabei vor allem zwei der Clubmitglieder mit doppeltem Eheversprechen, Sieglinde Feldhofer ebenso überzeugend und bezaubernd als Miss Phoebe wie als Rose von Stambul schnappt sich Hand und Herz des umtriebigen Strizzi, während Rita Peterl als Miss Euphrasia trotz des formidablen Mezzomaterials das Nachsehen hat und die „komische Junge“ spielt. Auch die Kleinpartien sind wieder trefflich mit Solisten und Choristen besetzt, der Chor ist in Ischl eh eine Klasse für sich.

Semikonzertant nennt sich die Aufführung, aber ehrlich gesagt, hat man den Eindruck einer kompletten gediegenen Aufführung, denn die Beteiligten singen und spielen schier mit Herzblut. Leonard Prinsloo ist für Sprechtextfassung und Dialogregie zuständig, doch er hat eine vollwertige Inszenierung abgeliefert, ständig wechselnde Einblendungen nehmen Bezug auf Handlung, Werk und Aufführungsort, das hat ganz großen Charme und macht einfach Spaß anzusehen. Kostümbildner ist keiner genannt, dennoch haben alle Darsteller wunderschöne passende Kostüme an, sei es aus dem privaten oder dem Theaterfundus. Ohne die beiden, sehr guten Aufführungen zu schmälern, ist diese, in ihrer gut gelaunten Improvisation, vielleicht sogar die lustigste und beste, was sicher auch an der überraschenden Qualität des Werkes liegt. Denn kommen wir mit zum Wichtigsten der Musik. Auch hier jagt eine Überraschung die nächste, schon die Uraufführungskritik sprach von den Qualitäten der Komposition. Lehàr selbst probiert sich in vielen Bereichen aus, doch trotzdem ist jede einzelne Nummer absolut gelungen, da erklingen ganz fein gebaute Ensembles, es gibt durchaus Anklänge an den späteren Stil, doch da schimmert ein Walzer von der Eleganz Joseph Strauß`auf, plötzlich ein nahezu romantisches Gesangsquartett, die Buffonerien sind stets inpiriert und bersten vor guter Laune, dann ein großes Ensemble mit geistreichen Zitaten aus dem Wagnerschen Klangkosmos. Die Musik scheint als wahres Kaleidoskop. Warum dem werk kein Erfolg beschieden war, lässt sich nur vermuten: vielleicht war die Faktur dem allgemeinem Operettenpublikum seiner Zeit einfach zu fein gewoben ?

Das Stück gehört dabei wirklich auf die Bühne und sei hiermit allen Programmplanern der Theater ausdrücklich ans Herz gelegt, denn die Musik, wie das Libretto sind wirklich gut. Wirklich gut natürlich auch, wenn man einen so tollen musikalischen Leiter wie Marius Burkert hat, ein Orchester wie das des Lehàr-Festivals, da ist alles stimmig. Burkert scheint gerade für die etwas feiner gestrickten Sachen in der Musik nochmal ein besonderes Händchen zu besitzen. Liebe Theaterleute, lasst euch überzeugen und überraschen, spätestens wenn die Aufnahme herauskommt. Dieses war ein großer , beglückender Abend für die Operette und für Lehàr. Danke an alle Beteiligten, nicht zuletzt an die Leitung des Lehàr-Festvals, die den Mut hat solches Wagnis nicht nur einzugehen, sondern auch so toll zu besetzen. Das ist große Kunst ! Danke !

Auch nächstes Jahr sind übrigens die Aussichten in Bad Ischl hervorragend: Mit Lehàrs „Die lustige Witwe“ steht einer der großen Kassenknüller auf dem Programm, gefolgt von Fred Raymonds selten gespielter „Saison in Salzburg“ als zweiter szenischer Aufführung, ein Werk das natürlich auch durch die Handlungsnähe auf die dortige Bühne gehört. Mit besonderer Spannung warte ich persönlich auf die „halbszenische“ Wiedergabe (mit Aufnahme) von Emmerich Kalmans unbekannter „Kaiserin Josephine“. Also drei gute Gründe für Bad Ischl, außer denjenigen, das es da oben überhaupt sehr schön und erholsam ist.

Martin Freitag 6.9.16

Fotos: Foto-Hofer, Bad Ischl