Leipzig: „Frau Luna“

Jedes Jahr fahre ich nach Leipzig und besuche die Oper und natürlich auch die „Musikalische Komödie (MuKo). Sie ist neben der Staatsoperette Dresden das einzige Haus in Deutschland, welches überwiegend Operette spielt. Ja, ja, ich weiß, die Staatsoperette Dresden ist eigenständige und die „Musikalische Komödie“ wenn man so will, ein Anhängsel der Oper Leipzig. Mir ist das egal, ich besuche beide Häuser gerne und mir gefallen auch beide Häuser und für mich sind es beides eigenständige Bühnen, die der leichten, aber manchmal so schwer zu bewältigenden Muse frönen. Lange Zeit war die Zukunft der MuKo offen, die Parole, dass man sie bald schließen werde, ging um und sie tat das, was am meisten beeindruckt, sie spielte vor immer vollerem Haus. Und so wie es momentan ausschaut, wird sie weiterbestehen – und wir alle, die wir die Musik lieben, freuen uns mit ihr.

„Frau Luna“ war die Abschiedsoperette von Ruth Ingeborg Ohlmann, die von 1998 bis 2000 und von 2008 bis 2013 in Leipzig engagiert war (von 2000 bis 2007 war sie am Gärtnerplatztheater in München). So viele Jahre haben auch geprägt und man geht mit einem wehmütigen Auge in die Vorstellung, weil man weiß, dass eine der tragenden Säulen der MuKo hier bald nicht mehr auftreten wird (außer vielleicht zu dem ein oder anderen Gastspiel, worauf die Operettengänger in Leipzig natürlich hoffen).

In der 3ten Vorstellung nach der Premiere, die ich besuchte, stand Daniele Squeo am Pult des ausgezeichneten Orchesters. Daniele Squeo war der Gewinner des diesjährigen „Deutschen Operettenpreises für Junge Dirigenten“. Und man merkte, dass er den Preis zu Recht gewonnen hatte. Feurig und engagiert ging er zu Werke, lies das Orchester aufblühen und war ein hervorragender Leiter, der mit straffer Hand führte. Leider fehlt ihm noch ein bisschen – aber das ist am Anfang einer Karriere nur zu verständlich – der Kontakt zu den Sängern. Die Einsätze sind exakt, jedoch lässt er die Wogen des Orchesters etwas über die Sänger hinwegspülen, so dass diese zum Teil große Mühe haben, sich entsprechend zu behaupten und gegen das Orchester durchzusetzen. Dieses Manko, und da bin ich mir sicher, wird jedoch bald behoben sein.

Die Frau im Mond ist nicht leicht zu inszenieren, Dominik Wilgenbus hat es jedoch geschafft eine stimmige Inszenierung auf die Bretter zu stellen. Stimmig deshalb, weil man alles nachvollziehen konnte. Den Beginn in Berlin, die Fahrt zum Mond und den Aufenthalt auf dem Mond selbst. Gut, manchmal gibt er seinen Pferden etwas zu viel Zucker, manche Dinge werden etwas übertrieben, auch die Mondkostüme sind teilweise gewöhnungsbedürftig, aber das Ganze macht insgesamt gesehen Spaß und ist auch alles nachvollziehbar. Und das ist die Hauptsache bei einer Operette, sie muss Freude verbreiten und den Besucher mit einem Lächeln auf den Lippen das Theater verlassen sehen. Und das gelang hier ohne jede Einschränkung, man hat sich köstlich unterhalten.

Um es gleich vorweg zu nehmen, Ruth Ingeborg Ohlmann war eine ausgezeichnete Frau Luna, und das macht die Tatsache, dass sie das Haus verlässt, umso schmerzlicher. Sie interpretiert die Frau im Mond mit leuchtendem, höhensicheren Sopran, der musikalisch jede Nuance ausfüllt. Da versteht man den Steppke, dass er zumindest darüber nachdenkt, bei Frau Luna zu bleiben. Und dieser Steppke wird gesungen und gespielt von Andreas Rainer. Er ist ein echter Tenorbuffo, wie man ihn heut zu Tage nicht mehr oft antrifft. Mit wendiger und klangschöner Stimme gibt er den Berliner Mechaniker, der sich seinen Traum (auch wenn es ja nur ein Traum ist) erfüllt, einmal auf den Mond zu fliegen. Mirjam Neururer als seine Freundin Marie hat einen durchschlagskräftigen, kräftigen Sopran, beide sind eine tolle Besetzung für das „Liebespaar“. Sabine Töpfer macht aus der Rolle der Mathilde Pusebach ein kleines Kabinettstückchen und die Begegnungen mit ihrem – einmal auf die Erde ausgebüchsten – Theophil von Patrick Rohbeck sind Highlights der Aufführung. Selbst wenn sie manchmal etwas dick auftragen, das Publikum ist begeistert und applaudiert stürmisch und ausdauernd. Fabian Egli als Lämmermeier und Folker Herterich als Steuerberater Pannecke vervollständigen ganz trefflich den Berliner Teil der Operette, Auch von Folker Herterich gilt es Abschied zu nehmen, auch er verlässt die MuKo zum Spielzeitende. Er wird mit seinen Rollen fehlen, denn er versteht es die Charakteren der Rollen bis zum letzten auszuspielen. Angele Mehling als Stella, Frau Lunas Zofe, Jana-Maia Eberhardt als Venus, Kostadin Arguirov als Mars sowie Miranda Caasmann als Mondgroom und Martina Mühlnikel als Mondpolitesse vervollständigen das gut gelaunte Ensemble des Mondes. Enttäuscht war ich diesmal – und zwar zum ersten Mal – von Radoslaw Rydlewski als Prinz Sternschnuppe. Seine wohltönende, bewegliche, schlankgehaltene Stimme kam diesmal überhaupt nicht zum Tragen. Entweder liegt ihm die Rolle nicht (obwohl zwei wirklich tolle Tenorarien dabei sind), oder er hatte einen rabenschwarzen Tag oder aber – und das ist für mich die wahrscheinlichste Lösung – unser junger Preisträgerdirigent, kam mit seinem schönen, aber nicht zu großen Tenor nicht zurecht und überdeckte ihn einfach. Schade, denn ich schätzte Radoslaw Rydlewski, den ich schon in vielen tollen Rollen erleben durfte, sehr.

Der Chor, der Extrachor und das Ballett passten sich der hervorragenden Inszenierung an und verhalfen der „Frau Luna“ zu einer begeistert gefeierten Aufführung. Operette muss einfach Spaß machen und das hat sie heute in der Musikalischen Komödie ohne Zweifel getan.

Manfred Drescher