Leipzig: „Zar und Zimmermann“

Während die Oper Leipzig sich plagte die Premiere von Carl Nielsens „Maskarade“ herauszubringen, kämpfte die Musikalische Komödie um die Wiederaufnahme von Dominik Wilgenbus` Inszenierung von „Zar und Zimmermann“, die zwar über zehn Jahre alt, aber immer noch frisch in ihrem Museumsambiente mit historischer Grundierung wirkt. Eine Aufführung aus unserer Zeit heraus, ohne das Werk zu zerstören, und das Publikum bestens zu unterhalten. Punktum: die Wiederaufnahme fand am Sonnabend statt, obwohl sich am Donnerstag der halbe Chor krankgemeldet hatte, am Freitag der van Bett den gelben Schein abgeben mußte. Ja, liebe Kinder, so möchte man sagen, wenn man das Verhalten eines Teils der Bevölkerung wahrnimmt, da ist immer noch dieses fiese Corona; it ain`t over now! Also was tun: schwer genug akustischen Ersatz für die Choristen zu bekommen, die Leere auf der Bühne mit Statisten und Hausmitgliedern zu füllen. Woher kriegt man einen Bassisten für den „van Bett“? Lortzing wird nicht mehr an jedem Theater gespielt! Es gibt im deutschsprachigen Raum wohl gerade noch vierundzwanzig Sänger, die die Partie irgendwie „drauf“ haben. Davon muß man einen erwischen, der an diesem Abend und für vielleicht noch ein bißchen Probe, Zeit und auch Chuzpe hat. Kurz man fand in München Christoph Stephinger, der sich allerdings nur zutraute, die Partie von der Seite zu singen. Auf der Szene fand sich der Regisseur Dominik Wilgenbus bereit den spielerischen Part zu übernehmen. Zum Auftritt des Bürgermeisters mit „O Sancta Justizia“ gönnte man sich die lustige Improvisation von gleich zwei van Betts auf der Bühne (, bei einer Oper, die als zweiten Titel „Zar und Zimmermann oder die beiden Peter“ hat, finde ich das schon sehr ergötzlich).

Die Aufführung am sehr gut besuchten Haus an einem Sonntagnachmittag, war gleich nochmal so beschwingt, was natürlich auch an den anderen Beteiligten lag:Vikrant Subramanian als sehr nuanciertem Zaren, der vom despotischen Herrscher bis zum zweifelnden Menschen ein echtes Psychogramm darbot. Jeffery Krueger als absolut perfekter Peter Iwanow. Der überraschend unsoubrettigen, ernsthaften Marie von Mirjam Neururer. Adam Sanchez`Marquis Chateauneuf mit strahlendem, aber auch etwas hartem Tenor. Justus Seeger und Michael Raschle als Admiral Lefort und Lord Syndham, sowie die anderen Beteiligten in Einzelrollen und im Chorgemenge. Stefan Klingele hatte schon vor Jahren in Bremen bewiesen, das er Lortzing ernst nimmt und dirigieren kann; mit dem Orchester der MuKo gelingt ihm das erneut.

So, und warum weiß ich das alles und warum schreibe ich über eine „einfache“ Repertoirevorstellung. Erstens, weil es alles vor der Aufführung dem Publikum erzählt wurde, was dankbar angenommen wurde. Zweitens schreibe ich diese Kritik einfach mal aus Dank , nicht nur an die Leipziger, sondern an alle Theaterschaffenden, die in diesen schwierigen Zeiten ermöglichen, das überhaupt so viele Aufführungen noch stattfinden, auch wenn es nicht immer gelingt. An die Menschen mit Nerven wie Drahtseilen, nicht nur auf der Bühne, sondern die Techniker, die Leute von den Betriebs- und Besetzungsbüros, die Kostümabteilungen, die noch schnell für die Gastsänger alles passend machen, die Regieassistenten, die das Bühnenspiel in Gang halten. Einfach mal ein großes Danke an das ganz alltägliche Theaterwunderm, das wir erleben dürfen. Das war`s!

Martin Freitag, 28.4.22