Leipzig: „Die Juxheirat“

Martin Freitag, 20.4.22, besuchte Aufführung am 09.10,2021 (Premiere am 02.10.2021)

„It`s a man`s world“?

Noch etwas früher uraufgeführt, als die vordertags gesehene Operette "Der liebe Augustin" in Görlitz, war Franz Lehars "Die Juxheirat", nämlich 1904 (ebenfalls Wien) und teilte das Los von Falls "Der Rebell" , so lautet der Titel der Erstfassung des "Augustin", nämlich schnell vergessen zu werden, obwohl die zeitgenössischen Kritiken sich sehr wohlwollend zeigten. Doch Lehars Operette wurde vom Sensationserfolg der "lustigen Witwe" im nächsten Jahr völlig in die Vergessenheit katapultiert und erst vor ein paar Jahren beim Lehar-Festspiel in Bad Ischl wiederentdeckt (,wovon es einen lohnenswerten CD-Mitschnitt bei der Firma CPO gibt !). In Leipzig war diese Operettenrarität jetzt die erste Premiere der Musikalischen Komödie nach ihrem Umbau. Es sei gleich verraten, sowohl der Umbau, wie auch die Wiederentdeckung, sind trefflich gelungen.

In der "Juxheirat" geht es um den ewig aktuellen Kampf der Geschlechter gegeneinander, versetzt in die Anfang des letzten Jahrhunderts sehr attraktive Kulisse der amerikanischen Krösusse nach Newport, wo ein Milliardärspapa (Brockwiller) unter seinem Reichtum leidet, seine verwitwete Tochter Selma hat durch ihren Gatten enttäuscht, mit ähnlich gepolten Geschlechtsgenossinnen, den LVM (Los vom Mann)-Club gegründet. Dieser Verein wird durch Juliane von Reckenheim unterwandert, der Selma den geliebten (verstorbenen) Bräutigam ausgespannt hatte. Selma soll aus Rache mit ihrem Bruder Harold verheiratet werden. Als der junge Rennfahrer nicht empfangen wird, dreht sich die Intrigenschraube und Selma wird weisgemacht, das Juliane, die unter dem Namen Miss Grant agiert, selbst als ihr Bruder verkleidet Rache nehmen will, was zu einer wunderbaren Geschlechterkonfusion führt. Harolds Fahrer (Philly Kaps) kennt bereits zwei Damen des Vereins, was erneute Intrigen fördert, auch der Milliardär beginnt auf Freiersfüßen zu wandeln, usw.. Das klingt jetzt komplizierter als es sich auf der Bühne darbietet, aber führt zu wirklich erquicklichen Verwirrungen mit für die Zeit weitgehend homophilen Anspielungen. Beste Operette mit wirklich witzigen Dialogen. Dabei ein vollblütiger Lehar, der mit Operettenformen experimentiert und jongliert; viele bekannte Opernzitate (vor allem Wagner) werden geistreich eingesetzt, die Musik ist beschwingt, fröhlich, macht Freude. Das einzige was fehlt, ist die Ohrwurmqualität der späteren Lehar-Erfolge.

Thomas Schendel gelingt eine lupenreine Operetteninszenierung, die nie langweilig wird, zum Lachen reizt, und doch die Charaktere innerhalb der Komödie so ernst nimmt, das das Spiel psychologische Tiefen erhält, eine wahrhafte "Leichtigkeit des Seins". Stephan von Wedels Bühnenbild mit zerborstenen, goldenen Säulen, die verschoben werden können , mal vor einem Seeausblick, mal vor geschmackvollen tiefblauen Vorhängen, dabei glänzend beleuchtet, wirkt fast abstrakt, doch macht eine wirklich schöne Stimmung. Die Zeitrückung der Handlung in die strengen Fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts ist absolut schlüssig und bietet Julia Burkhardt eine Folie für schöne Kostüme aus dieser Zeit. Dazu ein bißchen Choreographie von Mirko Mahr, die zwischen Modern Dance und Klassischen Tanz pendelt und wunderbar in das Spiel integriert ist. So eine schöne, gelungene Operetteninszenierung erlebt man selten.

Auch musikalisch bleiben keine Wünsche offen:Tobias Engeli am Pult des Orchesters der MuKo (in ihrem vergrößerten Orchestergraben) hat genau das richtige Händchen für diese Musik, das Orchester spielt fast perfekt dazu auf, der spielfreudige Chor (unter Mathias Drechsler) , kommt stets auf den Punkt. Die viele Solisten sind ebenfalls ausgezeichnet besetzt: Lilli Wünscher als Selma führt das Ensemble (mit leichten Höhenschärfen) als Operettendiva an, kühl distinguiert Theresa Maria Romes als Rächerin "Miss Grant".Mirjam Neururer (Miss Phoebe) streitet sich mit Nora Lentner als skuriler Miss Euphrasia um den Chauffeur Philly. Julia Ebert als Miss Edith wartet gesanglich brilliant mit einer Olympia-Parodie (ich meine Offenbach) als Miss Edith auf. Michael Raschle läßt den etwas eigenartigen Milliardär Brochwiller nie in den Klamauk abgleiten. Adam Sanchez mit strahlendem Tenor bringt einem den seltsam passiven Harold auf sympathische Weise nahe. Jeffrey Krüger scheint sich in der Höhe immer freier zu singen und erhält als Selmas Bruder Arthur (ja, den gibt es auch noch)die Hand der Intrigantin Juliane(Miss Grant). Andreas Rainer serviert einen kapitalen Prachtkerl von Chauffeur (Philly!) . Milko Milev sekundiert als Redneck-Sheriff Huckland mit wunderbarer Maske. Ein ganz besonderes Lob dem Haushofmeister (ich glaube, er heißt Albert) von Mario Ramos, der sich mit wunderbar trockener Komik in die Herzen der Zuschauer spielte.

Hier hat man es mit einer ganz wunderbaren Wiederentdeckung einer Operettenrarität in selten geschlossener Qualitätsdarbietung zu tun, die unbedingt eine Reise wert ist. Das erheiterte und beschwingte Publikum in der neu erstahlenden MuKo Leipzig dankte es entsprechen.

Martin Freitag, 16.10.21