Graz: Don Giovanni

Vorbildliche Förderung des Opernnachwuchses!

Das ist wahrlich effiziente Förderung des Opernnachwuchses! Da tun sich die Angelika-Prokopp-Sommerakademie der Wiener Philharmoniker, die MUK Privatuniversität der Stadt Wien und der Musikverein für Steiermark zusammen und stellen bereits seit fünf Jahren Opernprojekte auf hohem Niveau auf die Beine. Im Zentrum stehen die Opern von Wolfgang Amadeus Mozart – seit 2016 gab es Così fan tutte, Le Nozze di Figaro, La Clemenza di Tito, La Finta Giardiniera und diesmal Don Giovanni. Corona hatte alles sehr erschwert, aber gleichzeitig auch zu großer medialer Präsenz verholfen. Aufgrund der Einschränkungen durch COVID-19 konnte die von September 2020 auf Februar 2021 verschobene Aufführung von Wolfgang Amadeus Mozarts Don Giovanni auch im Februar nicht vor Publikum gezeigt werden. Stattdessen wurde die bereits geprobte Produktion im prachtvollen Stefaniensaal des Grazer Musikvereins für Video und Audio aufgezeichnet. Die hochkarätige HD-Produktion wurde am 22. August einem großen Publikumskreis zugänglich gemacht. ORF III strahlte die Aufnahmen im Rahmen der Sendung Erlebnis Bühne aus. Aber die Organisatoren ließen sich von all den Schwierigkeiten nicht davon abhalten, nun auch – endlich! – öffentliche Aufführungen mit Publikum zu ermöglichen. Und so erlebte das Grazer Publikum zur Saisoneröffnung gleichsam die Premiere. Drei weitere Aufführungen in Österreich folgen – siehe dazu die konkreten Hinweise am Ende des Berichtes.

Die Aufführung fand zwar im Konzertsaal statt, aber vermittelte dennoch unmittelbares und echtes Bühnenerleben. Man hatte im Saal die ersten zehn Sitzreihen herausgenommen und so eine praktikable Bühnensituation unter Einbeziehung des Orchesters geschaffen. Das szenische Leitungsteam Wolfgang Gratschmaier und Stephanie Schimmer-Regie, Florian Hurler-Choreografie, Alexandra Fitzinger-Kostüme ermöglichte eine sehr lebhafte Präsentation – vor allem geprägt von der jugendlichen Spielfreude der Ausführenden. Das Stück wurde markant gekürzt. Alle Chorszenen fielen weg, die erste Ottavio-Arie entfiel, ebenso der erste Teil des zweiten Finales und auch sonst gab es kleinere Kürzungen und Umstellungen. Dadurch war die Aufführung um gut eine Stunde kürzer als die heurige Castellucci/Currentzis-Version in Salzburg….. Einige unnötige Gags, wie z.B. das szenische Mitwirken des Dirigenten im Sextett des 2.Akts, seien nicht verschwiegen.

Alles in allem war eine durchaus kurzweilige und anregende Aufführung zu erleben – der Schwerpunkt lag deutlich auf giocoso und nicht auf dramma. Das solide Fundament des Abends bildete zweifellos die gute Leistung des Orchesters. Die Sommerakademie der Wiener Philharmoniker leitet seit über 10 Jahren Michael Werba, der ehemalige Solofagottist der Wiener Philharmoniker. Deklariertes Ziel der Akademiearbeit ist: Das Orchesterspiel in höchster Qualität hängt mit dem Aufeinander-Hören, Aufeinander-Eingehen und mit der Flexibilität zwischen den Musikern zusammen. Das wurde an diesem Abend – nicht zuletzt durch die enge räumliche Nähe von Orchester und Gesangssolisten – eindrucksvoll demonstriert. Daran hatte zweifellos auch der Dirigent des Abends einen wesentlichen Anteil: der 30-jährige Italiener – Student an der Musikuniversität Wien – Andrea Alessandrini leitete den Abend mit großem Engagement und ebenso großer Flexibilität, ohne je den spannungsvollen Zusammenhang zu verlieren.

Die Solopartien wurden nach einem Auswahlsingen unter 120 Teilnehmenden besetzt. Es war wahrhaft eine bunte Schar aus China, Deutschland, Japan, Korea, Rumänien, Russland und Slowenien. Alle studieren an vier österreichischen Musikuniversitäten in Wien, Salzburg und Graz. Allen acht, die am Übergang vom Studium zur Berufskarriere stehen, ist generell ein hoher Grad an Rollenbeherrschung zu bescheinigen. Niemand fiel ab, alle waren mit merkbarer Begeisterung im Einsatz und man konnte eine ausgezeichnete musikalische Vorbereitung registrieren. Jinxin Chen war als Don Giovanni eine dominierende Bühnenfigur. Risa Matsushima steigerte sich als Donna Anna im Laufe des Abends zu einer sehr guten Leistung mit auffallend-schönen Pianophrasen. Anastasia Michailidi gestaltete mit dramatischen Tönen eine überzeugende Donna Elvira und Diana Alexa war eine selbstbewußt-charmante Zerlina. Alle drei Damen waren recht drastisch als aktive und durchaus sex-betonte Figuren gezeichnet. Jongmin Kim war ein biederer Leporello, Niklas Mayer ein guter Don Ottavio mit schönem Timbre. Yichen Gao verkörperte den Commendatore mit gebührend voluminösem und helltimbriertem Bass. Peter Dolinšek war ein stimmkräftiger und markanter Masetto.

Es gab viel Beifall samt Bravo-Rufen für alle Ausführenden im gut besuchten Saal. Man freute sich über eine höchst anregende Aufführung. Den künstlerischen Leitern Michael Werba und Niels Muus sei ebenso wie dem Musikvereinsgeneralsekretär Michael Nemeth für diese vorbildliche Initiative zur Opernnachwuchsförderung ausdrücklich gedankt!

Hermann Becke, 18.9.2021

Hinweise:

– 2-Minuten-Youtube-Beitrag:

https://www.youtube.com/watch?v=HCp_fLUGElQ

– Weitere Termine der Don Giovanni-Produktion – Besuch unbedingt zu empfehlen:

Sonntag, 19. September 2021 im Kulturzentrum Lenzing (Oberösterreich)

Sonntag, 26. September 2021 im Schloss Thalheim (Niederösterreich)

Donnerstag, 30. September 2021 im Mozartsaal (Wiener Konzerthaus)

– Auf zwei besondere Termine des Grazer Musikvereins für Opernfreunde sei hingewiesen:

Dienstag, 12.10.2021: Konzertante Aufführung der Wiener Staatsoper mit Ausschnitten aus Walküre und Götterdämmerung unter Philippe Jordan