Mannheim: „Fidelio“, Ludwig van Beethoven

Vorstellung am 07.April 2019

Gala konzertant

Im Rahmen der festlichen Opernabende am Nationaltheater Mannheim gab es eine ganze Reihe von Veränderungen zu bestaunen. Die sehr eigenwillige, umstrittene Inszenierung von Roger Vontobel wurde an diesem Abend nicht gespielt! Sondern es gab diesen besonderen Abend als konzertante Vorstellung, also „Fidelio“pur! Eine gute Entscheidung.

Dazu gab es gravierende Umbesetzungen:

In der Partie der Leonore war mit Anja Kampe, die erkrankt war, ursprünglich eine der führenden Interpretinnen vorgesehen. An ihrer Stelle sang Elisabeth Teige. Eine überzeugende Wahl. Aus tiefer Empfindung heraus sang sie ergreifend ihre Arie „Abscheulicher, wo eilst du hin“, dabei völlig sicher in den fordernden Höhen und dazu erfreulich textverständlich. Selten ist heute diese so schwere Partie stimmlich so überzeugend zu erleben! Einzig wäre ihr mehr inneres Erleben zu wünschen, so dass sich ihre Empfindung auch in ihrer Mimik zeigt. Dennoch eine sehr gute Darbietung. Das Mannheimer Publikum zeigte sich zurecht restlos begeistert!

Als Florestan gastierte Roberto Saccà, der sich ganz in Ruhe zu einem veritablen, belastbaren Tenor, eben auch für jugendliche Heldentenorpartien entwickelte. Hoch musikalisch, mit großer Ruhe gestaltete er seine anspruchsvolle Arie „Gott, welch Dunkel“ und war auch den kaum singbaren Höhenaufschwüngen am Schluss gewachsen, wenngleich er dabei auch an die Grenzen seiner Möglichkeiten gehen musste. Seine Vergangenheit als lyrischer Tenor konnte er hörbar gut aussingen, so z.B. im Terzett „Euch werde Lohn“.

Einen veritablen Besetzungs-Coup realisierten die Verantwortlichen des Nationaltheaters mit der kurzfristigen Besetzung der Partie des Rocco durch die finnische Bass-Legende Matti Salminen. Eine wunderbare, ja großartige Gelegenheit, diesen herausragenden Sängergestalter noch einmal in einer seiner Paraderollen zu erleben. Und noch immer ist er eine Klasse für sich. Seine Ausstrahlung, seine Blicke, seine Reaktionen schufen ein natürliches Rollenportrait, selbst im konzertanten Rahmen, so dass es keiner Inszenierung bedurfte. Seine einstmals große Stimme hat im Zuge seines fortgeschrittenen Alters deutlich an Volumen verloren, geblieben ist ihr breites Farbspektrum. Hinzu kamen kluge Textakzente („Ha, bewegt es dich?“).

Die übrigen Partien waren mit Ensemble Mitgliedern des Nationaltheaters ausnahmslos gut besetzt. Herausragend war Joachim Goltz als Don Pizarro, der mit schneidender, charaktervoller Stimme seiner Rolle großes Profil verlieh. Mit Autorität in Stimme und Auftreten war er eine prägende Gestalt dieser Vorstellung.

Gediegen und stimmsicher sekundierte Thomas Berau als Minister Don Fernando.

Amelia Scicolone war eine entzückende Marzelline, die mit sehr leichtem, blühendem Sopran eine überzeugende Besetzung war.

Und Raphael Wittmer als Jacquino zeigte eine sehr lyrische gut abgestimmte Tenorstimme. In der Rollengestaltung blieb er sehr blass.

Fidelio ist und bleibt ein bedeutende Chor-Oper. Und so ließen es sich Chor und Extrachor des Nationaltheaters (Einstudierung: Dani Juris) nicht nehmen, das Publikum mit vollem Stimmeinsatz zu begeistern. Sehr gute Textverständlichkeit, saubere Phrasierung, homogener Klang…..fabelhaft!

Am Pult des Orchesters des Nationaltheaters sollte ursprünglich GMD Alexanders Soddy stehen. Für ihn sprang sein GMD Kollege aus Oldenburg, Hendrik Vestmann, ein. Er zeigte eine Interpretation, die sich z.T. an der sog . „Alten Musik“ orientiert. Aufgeraute, oft vibratolose Akzente in den Streichern, harte Schlägel für die Pauke, spitze Bläserfarben erzeugten einen eher unbequemen Klang, was sinngebend erschien. Einfühlsam begleitete er die Sänger und war doch dazu immer ein wesentlicher Impulsgeber, der mit schnellen Tempi nach vorne musizierte. Das Orchester des Nationaltheaters benötigte etwas Anlaufzeit, um sich auf Vestmann einzustellen. Leider gab es am Anfang viel hörbare Nervosität in der Gruppe der Hörner, so dass unsaubere Einsätze und Kickser unvermeidlich waren. Dafür funktionierten dann die heiklen Passagen der Hörner in Leonores Arie gut. Vor allem im zweiten Akt war das Orchester auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit.

Das zahlreiche Publikum feierte alle Mitwirkenden mit hörbarer Begeisterung.

Dirk Schauß 8.4.2019