Neustrelitz: „Il trittico“, Giacomo Puccini

Lob der kleinen Häuser

Es ist selten genug, das sich die großen Häuser an Puccinis drei Einakter heranwagen, an den kleineren Theatern werden sie oft in Kombinationen mit einzelnen anderen Einaktern gegeben. Am Theater Neustrelitz hatte sich der neue Intendant, Sven Müller, seiner auch gleich als seine erste Opernregie am eigenen Haus angenommen.

Am Samstagabend vertraute das Publikum auf den bekannten Komponisten auch bei dem unbekannten Titel und sorgte für ein ausverkauftes Haus. Müller versuchte als Regisseur die doch recht unterschiedlichen Werke, dramatisch, lyrisch und komisch, durch Inhaltsparallelen miteinander zu verbinden. So lässt er, zum Beispiel, das "Kind" immer wieder auftauchen; im "Mantel" die Vision des verstorbenen Kindes, in "Schwester Angelika" wird das Kind von der Fürstin lediglich als tot angegeben, was zum verschärften Konflikt der gefallenen Nonne gegen ihren Vormund führt, in "Gianni Schicchi" gehört der kleine Gherardino sowieso zur familiären Personage. Manche dieser Ideen finde ich sehr gelungen, andere läßlich. Trotzdem gelingt insgesamt ein sehr eindringlicher Theaterabend, was auch an dem verbindenden Einheitsbühnenbild von Madeleine Boyd liegt, die auf der Drehbühne aus verschiedenen Zivilisationsresten stets eine passende Atmosphäre gewinnt, ihre Kostüme sorgen ebenfalls sehr exakt für das rechte soziale Umfeld. Von Sven Müllers Personenregie wünschte man sich einen weniger plakativen Zugriff und weniger portalorientiertes Positionieren der Solisten. Leider mißlingt gerade der Schluß der "Schwester Angelika" durch ein Übermaß an Aktionismus, hier wäre ein "weniger", aber "konzentrierter" angebracht gewesen.

Das große Gelingen des Abends liegt besonders in der musikalischen Umsetzung: zum einen die charismatische Leitung durch GMD Sebastian Tewinkel am Pult der Neubrandenburger Philharmonie, die sich bis auf kleine Hornpatzer sehr gut schlägt. Tewinkels Puccini kommt sehr direkt und vielleicht etwas großkörnig daher, überzeugt jedoch durch sehr starken emotionalen Sog, der den Sängern auch einen mitreißenden Impuls für die Szene mitgibt. Der Opernchor hält da ganz mit und überzeugt auch, gerade bei den Solononnen in der "Angelika", in den solistischen Auftritten.

Die junge Sopranistin Syrinx Jessen ist neu im Ensemble und gibt gleich mit zwei Partien (ohne Pause!) ein enormes Debut. Zum einen bezwingt ihre mädchenhafte Erscheinung als Giorgetta und Angelika und erklärt sehr glaughaft die Vorgeschichte, dann, vor allem, ihr sehr besonderes Timbre mit einer herrlich "cremigen" Mittellage, zudem wirkt ihre Interpretation mit wunderbaren Farbvaleurs erstaunlich reif für eine so junge Sängerin, da bleibt man gleich gespannt auf andere Partien. Julia Grote mit üppigem Alt darf sogar in allen drei Opern reussieren: als skurrile Frugola, als herrische, attraktive Fürstin und als komödiantisch gierige Zita. Laura Scherwitzl gefällt mit Andrès Felipe Orozco im Mantel als singendes Liebespaar im "Mantel" und finden sich als Namenbase Lauretta und als Rinuccio wieder. Scherwitzl erfreut mit einem lieblichen "O mio babbino caro"; Orozco kommt in der Firenze-Arie doch an stimmliche Grenzen.

Juliia Tarasova erfreut sowohl als Äbtissin, wie als Ciesca im "Schicchi" an der Seite der ebenfalls sehr spielfreudigen Luise Hansen als Nella. Hausbariton Robert Merwald gestaltet einen ergreifenden Michele im "Mantel", wie er als Schicchi vom komödiantischen Leder ziehen darf. Bernd Könnes dagegen singt als Luigi den veristischen Tenorliebhaber zwar mit viel Emphase, doch auch im Dauerforte am Limit, sein Gherardo bleibt laut aufgestellt, er kann das besser, was er schon in anderen Partien bewiesen hat. Edward Mout und Sebastian Naglatzki geben als Tinca und Talpa zwei sehr realistische Studien ab, letzterer setzt als Betto von Signa in der Buffa noch einen drauf. Ryszard Kalus als Simone und Andrew Finden als Marco komplettieren aif gute Art die intriganten Verwandten. Ein Kabinettstück ist Dorin Moscalciuc als toter Buoso Donati und natürlich Friedrich Bernhardt der in allen drei Opern als "KInd" von starker Präsenz ist. Die Nebenrollen bleiben auf Augenhöhe aus dem Chor besetzt.

Wieder einmal zeigt die "Provinz", selbst bei einem mit so vielen Rollen schwer zu besetzendem Werk, das auch an den kleinen Häusern immer mit einem guten Opernabend zu rechnen ist. Für das Berliner Hauptstadtpublikum, die schon lange kein "Trittico" erleben durften, vielleicht wieder einmal ein guter Grund zu einem Ausflug in die gar nicht so ferne Umgebung.

Martin Freitag, 24.2.2020

Fotos(c) Jörg Metzner