Oldenburg: „Die Comedian Harmonists“

Premiere am 23.06.2018

Vor allem toller Gesang

„Man wird von uns noch in 89 Jahren sprechen“ – das sagt Harry Frommermann, der Gründer der Comedian Harmonists, in der Oldenburger Inszenierung des gleichnamigen musikalischen Schauspiels von Gottfried Greiffenhagen. In der Tat sind die Comedian Harmonists auch heute noch ein Begriff. Nach anfänglichen Wechseln in der Besetzung fand die endgültige Formation mit Harry Frommermann (Tenor), Robert Biberti (Bass), Ari Leschnikoff (Tenor), Erich A. Collin (Tenor), Roman Cycowski (Bariton) und Erwin Bootz (Pianist) erst 1929 zusammen, also vor 89 Jahren.

Begonnen hatte alles – und hier setzt das Stück ein – mit einem Casting, wie man heute sagen würde. „Achtung. Selten. Tenor, Bass (Berufssänger, nicht über 25), sehr musikalisch, schönklingende Stimmen, für einzig dastehendes Ensemble unter Angabe der täglich verfügbaren Zeit gesucht. Ej. 25 Scherlfiliale, Friedrichstr. 136.“ – so lautete die Anzeige, mit der Harry Frommermann 1927 Sänger für sein Ensemble suchte, das er nach dem Vorbild der US-amerikanischen Gruppe „The Revelers“ gründen wollte. Dass sich auch Johannes Heesters beworben haben soll, ist zwar ein Gerücht, wird aber in das Stück eingebracht. Die Folgen dieser Anzeige sind jedenfalls Musikgeschichte. Die Lieder der Comedian Harmonist sind auch heute noch in allen Ohren. Besonders Max Raabe hat viele von ihnen in sein Repertoire übernommen.

Regisseur Felix Schrödinger, der in Oldenburg auch eine fulminante „Regimentstochter“ von Donizetti inszeniert hat, gelingt es mit einfachen Mitteln, den Aufstieg der Comedian Harmonists nachzuzeichnen. Der Boden des Roncalli-Zeltes, das dem Oldenburgischen Staatstheater unter dem Namen „Uferpalast“ als Ausweichquartier dient, ist mit einem Holzfußboden bedeckt, im Hintergrund eine stilisierte Konzertmuschel, die auch Schattenspiele ermöglicht, sowie ein Klavier für die Begleitung. An Requisiten genügen ein Grammophon und ein Sofa. Josefine Smid zeichnet für Bühne und Kostüme verantwortlich.

Das Stück zeigt die ersten Proben der Harmonists, berichtet von ihrem Engagement an der Berliner Scala und in Leipzig sowie von ihrer Verpflichtung durch Erik Charell, den damaligen „Gott“ der Berliner Revuen. Und schließlich 1932 von ihren ersten Auftritten in der Berliner Philharmonie. Aber da zeichnet sich schon das Ende ab. Es gibt Streit zwischen den Mitgliedern der Gruppe und erste antisemitische Äußerrungen gegen Collin, Frommermann, und Cycowski. Nach der Machtergreifung Hitlers (angedeutet durch Armbinden mit Hakenkreuz bei den beiden Statistinnen) kommt 1934 der Erlass von Joseph Goebbels, der alle öffentlichen Auftritte von „Nicht-Ariern“ ab sofort verbietet. Damit ist das Ende der Comedian Harmonists besiegelt.

In dem Stück gibt es eine als Hans bezeichnete, von Johannes Schumacher verkörperte Figur. Sie hat mehrere Funktionen und steht mal für den Impresario Bruno Levy, mal für einen Conferencier, mal für einen Nazi, der den Beschluss von Goebbels verkündet. Eine exzentrische, schrille Figur, der sogar eine (entbehrliche) Stepp-Einlage gegönnt wird. Aber im Mittelpunkt stehen die Mitglieder der Harmonists, die allesamt vom Opernensemble gegeben werden, das nicht nur die gesanglichen, sondern auch die schauspielerischen Anforderungen hervorragend meistert. Den Part von Erwin Bootz hat Kapellmeister Felix Pätzold übernommen, der für die musikalische Einstudierung zuständig ist und die Sänger am Klavier begleitet. Philipp Kapeller (Leschnikoff), Timo Schabel (Collin), Paul Brady (Frommermann), Stephen K. Foster (Cycowski) und besonders Julian Popken (Biberti) haben sich den Klang der Comedian Harmonists bis zur Perfektion erarbeitet. Der Zusammenklang der Stimmen ist in ihrer Balance und Feinabstimmung einfach begeisternd. Die Lieder werden hinreißend serviert: „Mein kleiner, grüner Kaktus“, „Liebling, mein Herz lässt dich grüßen“, „In der Bar zum Krokodil“, „Ein Freund, ein guter Freund“, „Der Onkel Bumba aus Kalumba“, „Veronika, der Lenz ist da“, „Wochenend und Sonnenschein“ – man kann sie gar nicht alle aufzählen.

Ein besonderer Höhepunkt ist „Schöne Isabella von Kastilien“, bei der auch die Choreographin Yoko El Edrisi für höchst amüsante Akzente sorgt. Besinnliche Momente gibt es bei dem Volkslied „In einem kühlen Grunde“ oder bei einem Gesang aus dem Repertoire eines jüdischen Kantors. Nach dem jubelnden Beifall des Publikums gibt es mit „Irgendwo auf der Welt“ und „Das ist die Liebe der Matrosen“ noch zwei stimmungsvolle Zugaben. Die empfehlenswerte Produktion wird nach der Sommerpause im Großen und im Kleinen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters weiterhin gespielt.

Wolfgang Denker, 24.06.2018

Fotos von Stephan Walzl