Oldenburg: „Il Trittico“, Giacomo Puccini

© Stephan Walzl

Drei Opern, drei Regisseure und ein Bühnenbildner: Giacomo Puccinis Il Trittico besteht aus den Opern Il Tabarro („Der Mantel“), Suor Angelica und Gianni Schicchi. Trotz der verschiedenen Regiehandschriften kommt der knapp vierstündige Opernabend wie aus einem Guss daher. Stefan Rieckhoff schuf eindrucksvolle und stimmungsvolle Bühnenbilder: Bei Il Tabarro sieht man das Deck eines Lastenkahns mit einem Steg zum Ufer und wunderschönen Projektionen vom nächtlichen Paris. Bei Suor Angelica gibt es nur eine kreisrunde, leere Bühne mit weißem Boden und schwarzem Rundhorizont sowie einem Stuhl in der Mitte. Und das Sterbezimmer in Gianni Schicchi ist liebevoll und mit reichhaltigen Details ausgestattet. Im Hintergrund ist eine Ansicht von Florenz zu sehen. In allen drei Opern tritt ein Junge  mit einem roten Luftballon auf. Der Ballon soll ein „Symbol für Freiheit, Fantasie und Transzendenz“ sein.

© Stephan Walzl

Mathilda Kochan inszenierte den düsteren Verismo-Thriller Il Tabarro mit Hochspannung und ließ die Leidenschaft zwischen Luigi und Giorgetta hochkochen. Sehr fein zeichnete sie die verzweifelten Seelenqualen des betrogenen Ehemanns Michele, der am Ende seinen Nebenbuhler umbringt. Gelungen sind auch die feinen Genrezeichnungen und die Charakterisierung der Nebenfiguren. La Frugola (Marija Jokovic) kommt herrlich aufgetakelt daher und der sein Werk vom Schicksal Mimis anpreisende Liedverkäufer (Mark Serdiuk) sieht aus wie Puccini höchstpersönlich.

Leonardo Lee ist mit seinem ausdrucksvollen Bariton für den Michele eine gute und glaubwürdige Besetzung. Sein Monolog „Nulla! Silenzio!“ besticht durch Intensität. Jason Kim singt den Luigi mit lodernder Leidenschaft und kernigem Tenor. Wenn sich seine Stimme mit dem kraftvollen Sopran von Ann-Beth Solvang im Liebesduett vereint, bleiben keine Wünsche offen.

Tom Ryser lässt die Nonnen in Suor Angelica permanent im Kreis laufen und erinnert damit an einen Gefängnishof. Er deutet so ihr auswegloses Schicksal an, aus dem es kein Entrinnen gibt. Angelica hofft trotzdem auf Kontakt mit ihrer Familie und ihrem Sohn. Nachdem aber die unerbittliche Fürstin (sehr pointiert Melanie Lang) vom Tod des Sohnes berichtet und ihr damit alle Hoffnung nimmt, sieht Angelica für sich nur den Weg des Selbstmords, um ihren Sohn im Jenseits wiederzusehen. Im verklärenden Moment ihres Todes kommt besagter Junge (Benno Eberhardt) mit dem Luftballon und beide fallen sich in die Arme. Malgorzata Pawlowska gestaltet die Angelica sehr beeindruckend und überzeugt auch darstellerisch. Ihre Stimme neigt in der Höhe zwar etwas zur Schärfe, aber die Emotionen der Figur kann sie gut vermitteln.

Bei Gianni Schicchi sitzt der kleine Gherardino (Julius Reinhold) mit dem roten Luftballon am Bühnenrand und lässt ihn knallen. Darauf schreckt der reiche Florentiner Buoso im Sterbebett hoch, um dann tot in die Kissen zu sinken. Mit diesem gelungenen Gag zeigt Regisseur Tobias Ribitzki gleich die Richtung seiner Inszenierung an. Sie besticht durch Witz und Tempo und bereitet durchgängig Vergnügen. Die erbschleichenden Verwandten des Buoso sind in ihrer ganzen Skurrilität punktgenau getroffen. Es sind so viele Details, dass man sie gar nicht alle aufzählen kann: Ob es das makabre Spiel mit Buosos Leiche, die aberwitzigen Fahrten im Rollstuhl, die eingeschobenen Can-Can-Schritte oder die wütende Plünderung am Ende ist – Vergnügen pur.

© Stephan Walzl

Mit Donato Di Stefano steht für die Titelpartie ein Vollblutkomödiant zur Verfügung. Mit stimmlicher Wandlungsfähigkeit und ausgefeilter Körpersprache gibt er der Figur pralle Präsenz mit Schlitzohrigkeit bis in die Fingerspitzen. Das Liebespaar Lauretta und Rinuccio wird von Paola Leoci und Beomjin Kim verkörpert. Mit ihren schlanken, lyrischen und hellen Stimmen sowie ihrer attraktiven Erscheinung sind sie eine glaubwürdige Besetzung. Leoci bekommt für „O mio babbino caro“, der bekanntesten Arie des „Trittico“, sogar Szenenapplaus.

Hendrik Vestmann und das Oldenburgische Staatsorchester finden für jede Oper den richtigen Zugang. Die Dramatik des Tabarro, die verklärende Mystik der Suor Angelica und das gewitzte Parlando des Gianni Schicchi werden kongenial umgesetzt. Ein fulminanter Saisonausklang.

Wolfgang Denker, 23. April 2024


Il Trittico
Giacomo Puccini

Oldenburgisches Staatstheater

Premiere am 20. April 2024

Inszenierung:  Mathilda Kochan,Tom Ryser, Tobias Ribitzki
Musikalische Leitung: Hendrik Vestmann
Oldenburgisches Staatsorchester

Weitere Vorstellungen: 24. April, 9., 12., 18., 20., 28. Mai, 4., 6. Juni 2024