Premiere am 20.10.2018, besuchte Aufführung: 30.10.2018
Videos beeinträchtigen die Wirkung der Musik
Traut man dem Zuschauer nicht mehr zu, sich zweieinhalb Stunden „nur“ auf die Musik zu konzentrieren? Oder hält man diese Musik für nicht stark genug, allein aus sich selbst heraus zu wirken? Das kann nicht sein, denn immerhin handelt es sich hier um La Damnation de Faust von Hector Berlioz, eines seiner prachtvollsten Werke. Warum also hat man sich entschlossen, die als konzertant angekündigte Aufführung mit einer Video-Installation von Christoph Girardet zu „bereichern“? Dabei werden auf der dreigeteilten Projektionsfläche anscheinend zufällig ausgewählte Schnipsel aus Spielfilmen, wissenschaftlich-technischen Lehrfilmen oder von Natureindrücken gezeigt, mal in Endlosschleifen, mal in Zeitlupe.
Wenn man das Programmheft liest, könnte der Eindruck entstehen, dass diese Videos aus reinem Selbstzweck gezeigt werden: „Nach der Dekonstruktion der ursprünglichen filmischen Zusammenhänge entstehen aus den unterschiedlich gearteten Fragmenten so neue Zusammenhänge. Bilder, die nach oder nebeneinander erscheinen, bilden Beziehungen zueinander aus. Diese sind jedoch nicht immer planbar und bisweilen unaussprechlich. Dies erschließt neue Bedeutungsräume und nicht selten auch eine neue Sicht auf das Ausgangsmaterial.“ Aha. Strömendes Wasser, Luftballons, Türschlösser, Astronauten, sich umkreisende Glühbirnen, farbige Kreise und vieles mehr sind da in permanenter Unruhe zu sehen.
Manche Videos haben zwar durchaus Symbolcharakter, manche auch direkten Bezug zum Text, wobei sie ihn dann aber nur banal verdoppeln. Nein – diese Videos bringen keinen Erkenntnisgewinn, dafür stören sie aber in ärgerlicher Weise die Konzentration auf das Wesentliche. Und das ist eben doch die wunderbare Musik von Hector Berlioz, die in dieser Oldenburgischen Erstaufführung in ganzer Pracht erkling.
Das Orchester sitzt im Graben, der Chor ist auf der Bühne postiert, davor stehen die Solisten an ihren Notenpulten. Vito Cristofaro führt das Oldenburgische Staatsorchester zu einer packenden und klanglich opulenten Wiedergabe. Hervorzuheben sind auch die solistischen Leistungen, etwa die der Oboe. Den bekannten Rakoczy-Marsch nimmt Crisofaro reißerisch-effektvoll, die dramatischen Momente werden intensiv gesteigert und der in voller Besetzung großartig singende Chor (Einstudierung von Markus Popp) sorgt für überwältigende Momente. Bei den Solisten ist vor allem der Bassist Kihun Yoon als Méphistophélès hervorzuheben. Er gibt der Figur wahrhaft diabolische Ausstrahlung und singt die Partie mit erzener Wucht. Sehr suggestiv gelingt sein ironisches Flohlied. Mit dunkel grundiertem Mezzo gibt Ann-Beth Solvang die Marguerite. Sie lässt ihre Stimme in makellosem Ebenmaß strömen und kann in „Meine Ruh’ ist hin“ den Aufruhr des Herzens dieser Figur bestens vermitteln.
Auch Jason Kim kann als Faust mit einer soliden Leistung überzeugen. Sein baritonal timbrierter Tenor hat eine gute Mittellage, wenn er ins Falsett geht, wird es allerdings etwas eng. Leonardo Lee ist mit seinem Lied über die „Ratt’ im Kellernest“ in der kleinen Partie des Brander zu hören, Alwin Köblinger gestaltet das Bass-Solo.
Wolfgang Denker, 31.10.2018
Fotos von Stephan Walzl