Oldenburg: „La fille du Régiment“

Premiere am 02.12.2016

Perfektes Vergnügen

„La Fille du régiment“ („Die Regimentstochter“) von Gaetano Donizetti – das ist die Oper mit der berühmtem Tenor-Arie, die neun hohe C’s in Folge verlangt. Man hat sie etwa von Luciano Pavarotti oder Juan Diego Florez im Ohr – also keine leichte Aufgabe für Philipp Kapeller, der die Partie des Tonio in Oldenburg singt. Und wie er die Herausforderung mit seinen stimmlichen Mitteln besteht, ist grandios. Dabei gelingt es ihm sogar, die exponierten Töne ganz in die Gesangslinie einzubinden. Oder um es „militärisch“ auszudrücken: Donnerwetter, tadellos!

Marie ist die Regimentstochter, die von Soldaten als Baby gefunden und von ihnen aufgezogen wurde. Die Marquise de Berkenfield entpuppt sich als Maries Mutter. Sie holt Marie auf ihr Schloss und will sie standesgemäß verheiraten. Sehr zum Unwillen Maries, die sich in den Tiroler Burschen Tonio verliebt hat und zudem von Sehnsucht nach ihren „Vätern“, nämlich den Soldaten des französischen Regiments, geplagt wird. Nach einigen Wirren und Enthüllungen findet aber alles zum glücklichen Ende.

Die Produktion wurde als „halbszenisch“ angekündigt. Das Orchester sitzt auf der Bühne und die sechs Stühle für die Solisten deuten tatsächlich zunächst auf eine konzertante Aufführung hin. Aber weit gefehlt! Regisseur Felix Schrödinger ist mit wenigen Mitteln eine perfekte Inszenierung gelungen, die das Werk mit leichter, komödiantischer Hand vergnüglich serviert, die an Turbulenz und sinnlichem Vergnügen kaum zu überbieten ist.

Sie ist zudem mit äußerst feinsinnigem Humor angereichert, bei dem es auf jede Gestik, jede Mimik und auf tausend Kleinigkeiten ankommt. Das beginnt schon mit Stefan Vitu, der einen lustlosen, frustrierten und immer wieder unterbrochenen Erzähler mimt – und der auch schon mal seinen Einsatz „verschläft“. Die Auf- und Abmärsche der Soldaten in ihren bunten Uniformen (Kostüme von Josefine Smid) sind einfach köstlich gelungen. Wenn Marie von den Soldaten Abschied nimmt, müssen die ganz viele Taschentücher zücken.Die augenzwinkernd gezeichnete Welt des Militärs und die Rokoko-Steifheit an dem mit treffenden Requisiten charakterisierten Hof der Marquise geben einen reizvollen Kontrast. Eine witzige Gesangsstunde, bei der Marie aber immer wieder das Lied des Regiments anstimmt, erinnert an den „Barbiere di Siviglia“.

Sooyeon Lee ist als Marie ein wahrer Glücksfall. Die koreanische Sopranistin ist Preisträgerin mehrerer Gesangswettbewerbe und neu im Oldenburger Ensemble. Ihr leicht ansprechender und sehr beweglicher Sopran klingt in allen Lagen rund und leuchtend. Als anmutige und resolute Darstellerin erobert sie alle Herzen im Sturm. Zusammen mit Philipp Kapeller sorgt sie für die gesanglichen Höhepunkte der Aufführung. Hagar Sharvit ist mit ausdrucksvollem Mezzo als Marquise alles andere als eine „adlige Schreckschraube“, sondern eine attraktive Frau, die sich ihrer Wirkung bewusst ist und am Ende mit Sulpice, dem Anführer des Regiments, zusammenfindet. Den stattet Ill-Hoon Choung mit Charme und satten Basstönen aus. Aarne Pelkonen ist als Hofmeister der Marquise, Paul Brady in der kleinen Rolle eines Korporals zu hören.

In bester Form zeigt sich der von Thomas Bönisch einstudierte Chor, der nicht nur musikalisch, sondern mit ausgefeilter Mimik auch darstellerisch gefordert ist. Die leichtfüßige Musik von Donizetti ist bei Vito Cristofaro und dem Oldenburgischen Staatsorchester in den besten Händen. Die Ouvertüre beginnt mit einem gelungenen Solo des Horns, bevor die Marschrhythmen einsetzen. Für jede musikalische Wendung findet Cristofaro das richtige Tempo und eine ausgefeilte Klangbalance. Auf nach Oldenburg – das sollte man sich nicht entgehen lassen!

Wolfgang Denker, 03.12.2016

Fotos von Stephan Walzl