Premiere am 10.02.2018, besuchte Aufführung am 18.02.2018
Eine perverse Gesellschaft und ein reines Herz
Noch kürzlich war der „Rigoletto“ in Bremen (Regie Michel Talke) und Bremerhaven (Regie Andrezej Woron) zu sehen. Jetzt zeigt das Oldenburgische Staatstheater Verdis „Rigoletto“ in der Sicht von Hinrich Horstkotte, der für Inszenierung und Kostüme verantwortlich zeichnet. Bei ihm ist der Hof des Herzogs von Mantua ziemlich heruntergekommen, moralisch sowieso und auch optisch nur ein düsteres Gemäuer. Horstkotte entwirft hier das Bild einer bösen, perversen Gesellschaft, in der Korruption und Gewalt an der Tagesordnung sind. Mit abstoßender Drastik wird die Vergewaltigung der Gräfin Ceprano vorgeführt, brutal werden dem Grafen Monterone (beeindruckend schleudert Leonardo Lee seinen Fluch heraus) von Rigoletto die Krücken weggehauen.
Der Herzog zeigt sich gegenüber Frauen nur zynisch-verächtlich und lebt seine sexuellen Phantasien im letzten Akt bei der Domina Maddalena aus, die mit ihrem Bruder Sparafucile ein SM-Studio betreibt – Ausschweifungen, die er mit Gilda nie hätte realisieren können, denn die ist ein Mauerblümchen mit einem reinen Herzen. Bei Horstkotte ist nicht Rigoletto der Krüppel, sondern Gila sitzt im Rollstuhl und geht an Krücken. Rigoletto trägt Brille und Uniform, schleppt dabei ein riesiges Herz auf dem Rücken. Horstkotte will damit einen Vergleich mit Heinrich Himmler ziehen, der gleichzeitig Familienvater und NS-Scherge war. Rigoletto sieht seine Tochter als ewiges Kind und gibt ihr eine Puppe zum spielen. Das „falsche Herz“ schnallt er in seiner engen Behausung zwar ab, aber seine Vaterrolle bleibt trotzdem fragwürdig.
Die Regie arbeitet teilweise mit grellen Überzeichnungen, die aber sinnvoll ins Konzept eingebunden sind. Dazu gehören auch die phantasievollen Kostüme, von denen manche sogar in einem Horrorfilm passend gewesen wären (etwa bei Maddalena und Sparafucile). Beeindruckend sind die in zwei Ebenen gestalteten Bühnenbilder von Siegfried E. Mayer. Durch geschickten Einsatz der Drehbühne werden nahtlos immer neue Ansichten gezeigt, insbesondere die engen Gassen, in denen Gildas Entführung stattfindet. Das SM-Studio ist mehr als nur angedeutet, aber der gute Geschmack bleibt gewahrt.
Vito Cristofaro sorgt am Pult des Oldenburgischen Staatsorchesters für eine bestechende Wiedergabe, bei der Tempi, Klangfarben und Dynamik zu einer so eher seltenen Einheit finden. Er hält die Spannung durchgehend und setzt oft überraschende, aber stimmige Akzente. Bei der Premiere sangen Kihun Yoon den Rigoletto und Sooyeon Lee die Gilda. Aber mit Daniel Moon als Rigoletto und Martyna Cymerman als Gilda stehen ebenfalls ausgezeichnete Sänger zur Verfügung, die ihre Partien darstellerisch und gesanglich bestens ausfüllen. Cymerman gestaltet ihr „Caro nome“ klug und sicher, wenn man es vielleicht auch schon fragiler gehört hat. Moon bringt bei „Cortigiani“ seine Emotionen anrührend über die Rampe. Besonders im großen Duett des zweiten Aktes entfalten beider Stimmen sich zu betörend strömendem Gesang. Auch Jason Kim kann mit seinem eher dunklen und virilen Tenor als Herzog durchweg gefallen, besonders bei „Ella mi fu rapita“ entwickelt sein ansonsten auch höhensicherer Tenor einen warmen und einschmeichelnden Klang. Ill-Hoon Choung ist ein düsterer, eindringlicher Mörder Sparafucile, Yulia Sokolik macht als Maddalena im wahrsten Sinne des Wortes eine gute Figur. Die Partie der hier korrupten Giovanna wird durch Melanie Lang aufgewertet. In weiteren Partien bewähren sich Alwin Köblinger als Graf Ceprano, Sharon Starkmann als Gräfin Ceptano, Stephen K. Foster als Marullo und Philipp Kapeller als Borsa. Der hier auch darstellerisch geforderte Herrenchor (Einstudierung Thomas Bönisch) bewährt sich bestens.
Wolfgang Denker, 19.02.2018
Fotos von Stephan Walzl