Frankfurt: „Das schlaue Füchslein“, Leoš Janáček

Von allen Opern Leoš Janáčeks ist Das schlaue Füchslein am schwierigsten zu inszenieren. Allenfalls auf den ersten Blick handelt es sich um eine heitere Tierfabel mit traurigem Ausgang. Der Einsatz eines Kinderchores und zahlreicher Kindersolisten in Kleinstrollen verleitet obendrein zu dem Mißverständnis, es handele sich um ein Werk mit besonderer Eignung für jüngere Zuschauer. Tatsächlich aber geht es fast durchgängig um (selten) erfüllte und (meist) unerfüllte sexuelle Begierde, nicht nur im Subtext. Da die Vorlage des vom Komponisten selbst verfaßten Librettos kurze Bildergeschichten waren, die als Serie in einer Zeitung erschienen, Comicstrips also, fehlt es fast durchgängig an einer Entwicklung der Figuren, die teilweise sowohl in Menschen- als auch in Tiergestalt auftreten. Das Inszenierungsteam um Ute M. Engelhardt hatte dafür 2016 das Konzept entwickelt, die äußere Handlung konsequent in der Menschenwelt spielen und die Tierwelt darin als phantastische Weiterung aufscheinen zu lassen. Der Handlungsort ist nicht ein Wald, sondern eine triste Vorstadtsiedlung mit schäbigen Betonbauten. Hier tritt die Füchsin Schlaukopf als rotzige Punkerin mit pink gefärbtem Haar auf und sprüht mit Farbe eine Fuchs-Silhouette auf die Wand. Der Förster findet Gefallen an ihr und nimmt sie in seinen Haushalt auf, wo ihr anarchisches Wesen die geordnete Spießbürgerwelt aufbricht.

Elizabeth Reiter (Füchsin Schlaukopf), Zanda Švēde (Die Frau Försterin) und Erik van Heyningen (Der Förster) / © Barbara Aumüller

Kreativ und mit leichter Hand findet das Inszenierungsteam so für alle Szenen des episodenhaften Librettos teils humorvolle, teils poetische Bilder. Köstlich etwa die Deutung der Hühnerhofszene, bei der mit Tierkostümen die Hühner als Prostituierte erscheinen und der Hahn als gockelhafter Zuhälter, die artistische Umsetzung eines torkelnden Heimwegs des betrunkenen Lehrers als Ritt auf einem Fahrrad durch die Luft, die Visualisierung der unterdrückten Begierden des Pfarrers in Form eines ganzen Geschwaders an drallen Frauen in schwarzer Unterwäsche; anrührend das zarte Werben des jungen Fuchses um die Füchsin, stark das Schlußbild, in welchem der Förster im strömenden Regen versöhnlich Bilanz zieht.

Die Inszenierung bietet mit ihrer plastischen Bildsprache, der poetischen Verschränkung von Menschen- und Tierwelt und ihrem treffsicheren Humor eine überzeugende Präsentation des Stoffes, welche erwachsene Zuschauer nicht unterfordert. Zugleich sind die schnellen Szenenwechsel und insbesondere der Einsatz von gelungenen Tiermasken auch für Kinder offenbar attraktiv genug, um sich auf diesen mit zwei Stunden Länge samt einer Pause familienfreundlich kurzen Theaterabend einzulassen. Der Siebenjährigen in meiner Begleitung hat es jedenfalls gefallen.

© Barbara Aumüller

Die Besetzung dieser Wiederaufnahme aus dem hauseigenen Ensemble ist ausnahmslos vorzüglich. Elisabeth Reiter hatte die Titelfigur schon in einigen der Vorstellungen des Premierenzyklus‘ dargestellt und überzeugt nun erneut mit lebendigem Spiel und farbigem Sopran. Kelsey Lauritano ist bereits optisch ein attraktiver Fuchs, der seine Füchsin mit klarem Mezzo umgarnt. In der männlichen Hauptpartie des Försters bringt Erik van Heyningen seinen angenehm timbrierten und kernigen Bariton gut zur Geltung.

Das Orchester unter Jonathan Stockhammer musiziert etwas grobkörnig. Das klingt auf in dem bei Oehms Classics erschienenen vorzüglichen Mitschnitt des Premierenzyklus‘ wesentlich differenzierter. Der Chor kann sich nach einem intonatorisch verrutschten ersten Einsatz fangen und fügt sich im weiteren Verlauf solide ein.

Elizabeth Reiter (Füchsin Schlaukopf) und Kelsey Lauritano (Fuchs) / © Barbara Aumüller

Die Wiederaufnahmepremiere war recht gut besucht, was auch an den vielen Angehörigen der Mitglieder des Kinderchores lag, die ihre Lieblinge im Schlußapplaus ausgiebig feierten. Die Folgevorstellungen sind bislang so schlecht ausgelastet, daß man die Entscheidung der Intendanz, dieser gelungenen Produktion keine weitere Wiederaufnahme zu gönnen, nachvollziehen kann.

Michael Demel, 10. Juni 2023


Leoš Janáček: Das schlaue Füchslein

Oper Frankfurt

Wiederaufnahme am 4. Juni 2023 (Premiere am 24. April 2016)

Inszenierung: Ute M. Engelhardt
Musikalische Leitung: Jonathan Stockhammer
Frankfurter Opern- und Museumsorchester

Weitere Aufführungen am 16. und 24. Juni

TRAILER


CD-Tipp: Mitschnitt des Premierenzyklus‘ bei Oehms Classics: