Leipzig: „Casanova“, Albert Lortzing

Besuchte Premiere am 02.06.18

Ausgrabung mit Tenorfreuden

TRAILER

Albert Lortzing , was bleibt da heute auf den Spielplänen? Allenfalls noch "Zar und Zimmermann" und "Der Wildschütz", schon die ehemals sehr beliebten Opern "Der Waffenschmied" und die romantische "Undine" sind eigentlich gar nicht mehr zu finden. Albert Lortzing, ein gebürtiger Berliner. Berlin, eine Hauptstadt mit drei staatlichen Opernhäusern, seit Jahren eine einzige Fehlanzeige in den Programmen der drei Häuser. Aber Leipzig, hier hatte Lortzing auch gelebt und gewirkt, an der Musikalischen Komödie gab es nicht nur den "Zaren" ,sondern eine Neuproduktion seiner fast unbekannten Oper "Casanova". Auch die Wiedereröffnung der hauseigenen Gastronomie unter dem Namen "Lortzing" fand an diesem Abend statt, ja es gab sogar ein Lortzing-Bier. Vielleicht nicht wirklich wichtig, doch recht charmant. So, jetzt also zum "Casanova", der natürlich in Venedig spielt. Der Titelheld ist gar nicht so der "Womanizer", wie man ihn sich vorstellt, es geht ihm mehr um "Freiheit", jeglicher Art, so wird ein verehrtes Fräulein zwar vor einer ungeliebten Heirat bewahrt, doch bleibt allein, es gibt ein Geschäkere mit der Soubrette, doch das nur so nebenbei.

Der Begriff "Republik" wird musikalisch durchaus herausgestellt, doch bezieht sich stets für die Zensur auf das historische Venedig. Die Handlung verläuft nicht so richtig stringent, es gibt ein venezianisches Straßenbild, einen venezianischen Kerker und ein venezianisches Fest in einem venezianischem Palazzo. Sie merken bereits, daß mich die Oper mit. ihren dramaturgischen Schwächen nicht so wirklich umhaut. Die Musik ist typischer Lortzing, mal besser, mal schlechter, doch man merkt den Unterschied zu seinen beliebten Werken und weiß auch warum diese gespielt werden, dieses eben nicht. Und doch ist diese Wiederaufführung wichtig, damit man sich ein Urteil bilden kann, deshalb freuen wir uns auch immer wieder auf die Ausgrabungen, um neugierig zu bleiben und Unbekanntes kennen zu lernen.

Die Aufführung selbst stellt nichts in den Weg, was den Blick auf das Werk verstellen könnte: Cusch Jung schafft eine ganz gerade, vielleicht etwas operettige Inszenierung, die fern von jedem Aufsehenheischendem besteht. Beate Zoff entwarf dazu ein venezianisch pittoreskes Bühnenbild, ihre Kostüme erfreuen gefällig die Zuschaueraugen und kleiden die Darsteller bestens. Mher gibt es dazu auch nicht zu sagen, außer vielleicht, das die sehr ausgespielten Dialoge, doch ein Straffung vertrügen. Das Wichtige ist eben das Kennenlernen des unbekannten Lortzing und für die nicht so dem Musikwissenschaftlichen verhafteten Zuschauer eine gute Unterhaltung. Ebenso unauffällig gerät das Dirigat von Stefan Klingele am Pult des bestens vorbereiteten Orchesters der Musikalischen Komödie. Mit "unauffällig" meine ich jedoch keine Abwertung, sondern, das da jemand einfach Ahnung von Lortzing beweist, weil alles so klingt, wie es klingen sollte. Der Chor (Einstudierung Mathias Drechsler) gefällt in jeglicher Hinsicht, das Musikalische trifft den Punkt, das Szenische gerät engagiert und freudig, die szenische Chorführung gelingt dem Regisseur ganz hervorragend, was man heute nicht oft erlebt.

Der Titelheld ist deutlich die Hauptfigur: Adam Sanchez ist dafür eine Traumbesetzung, denn gutes Aussehen und charmantes Spiel prägen den Charakter Casanovas, wie die recht hohe Tessitur dem unermüdlichen Tenor gut liegt, von leichten Verspannungen in der Höhe abgesehen, doch was er zu singen hat ist schwierig und viel, es besitzt trotzdem eine gewisse Leichtigkeit und Grazie, der Höhenstrahl klingt floretthaft und erinnert im Timbre, mich jedenfalls, an den wunderbaren Nikolai Gedda. Die weibliche Hauptfigur ist nicht die "Prima Donna" Rosaura , von Lilli Wünscher hervorragend mit leicht hausbackenen Höhen interpretiert, sondern die Soubrette Bettina, des Kerkermeisters Töchterlein, auf die rechte Weise keck, naiv und attraktiv mit frischem Sopran von Magdalena Hinterdobler dargebracht. Die bekommt natürlich mit Andreas Rainers Schliesser Peppo den absolut passenden Tenorbuffo. Rocco heißt der Kerkermeister, wie bei Beethoven, doch ist hier eine recht schräge Type und Bassbuffo, Milko Milev gibt da gekonnt eine rechte Knallcharge mit doch recht ausgewalzten Auf-und Abgängen, hier sollte das Tempo nochmal angezogen werden, gesanglich wirken die Höhen in den Couplets etwas matt, was in den Ensembles nicht so auffällt. Musikalischer Höhepunkt war das Duett zwischen Casanova und Gambetto, dem ungeliebten Bräutigam, das hatte richtig Schwung und vokale Verve, wie Tenor und Bariton mit knalligen Tönen um sich schmissen, Hinrich Horn hat mir sehr gefallen. Der Festungskommandeur Busoni, nicht verwandt mit dem Komponisten, ist der zweite Bassbuffo und wird von Michael Raschle mit gezierter Bizarrie überzeugend gegeben. Gastwirt Fabio wird von Chorsolist Stefan Dittko in aller Kürze der Partie sympathisch gesungen.

Es kann nicht jede Ausgrabung eine echte Trouvaille sein, doch die Fahrt für die Liebhaber seltener Spieloper nach Leipzig lohnt sich. Die "Wissenschaftler" lernen etwas, die Amüsierer werden gut unterhalten, die "Sammler" von Raritäten haben für die Liste etwas abzukreuzen. Trotzdem würde ich persönlich gerne wieder öfter einen Lortzing in den Programmen finden, die oben genannten Werke lohnen mit Sicherheit, und wer weiß: vielleicht gibt es unter den anderen unbekannten Opern ja doch ein echtes Schätzchen zu entdecken?

Martin Freitag 4.6.2018

Bilder (c) Tom Schulze