Leipzig: „Rusalka“

Besuchte Aufführung am 14.12.17, (Premiere am 03.12.17)

Weihnachtszeit – Märchenzeit

Es begab sich in Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hatte… So beginnen einige Märchen. An der Oper Leipzig hatten sich wohl einige Menschen daran gehalten und als Publikumswunsch Antonin Dvoraks Oper "Rusalka" genannt, die seit über vierzig Jahren nicht mehr auf dem Spielplan stand. Die Theaterleitung hatte wohl ein offenes Ohr und eine passende Besetzung, so gab es jetzt in der Adventszeit eine Wunscherfüllung, mit der Folge, daß die zaghaft angesetzten Aufführungen bereits so gut wie ausverkauft sind. "Rusalka" gehört auch zu meinen Lieblingsopern, so kann ich das gut nachvollziehen und freue mich sowohl über die Entscheidung der Oper, als auch über die Publikumsresonanz für dieses Meisterwerk. Entscheidend ist natürlich auch die Qualität der Produktion, und hier gab es in Leipzig gleich mehrere Glücksgriffe:

Michael Dijkema hatte sich schon öfters als Regisseur und Bühnenbildner von großer Fantasie erwiesen, hier hat er einen ganz großen Abend gezaubert. Das Märchen nach Motte-Fouques "Undine" und Andersens "kleiner Meerjungfrau" darf Märchen bleiben. Ein geheimnisvoll wabernder Nebel kriecht über die Seenlandschaft, Prinz und Nixe begegnen sich bereits zur Ouvertüre, was die Vorgeschichte bündig erzählt. Die Kostüme der Wasserwesen sind als richtige Nixen mit Fischschwanz dargestellt, die Waldelfen drängen sich mit gewaltigen, sehr weiblichen Körperkostümen aus Erdlöchern, den besten Auftritt hat jedoch die Hexe Jezibaba, hier der russischen Baba Yaga angelehnt, in einem Haus auf gewaltigen Hühnerbeinen reitet sie auf die Bühne, solche grandiosen Bühneneffekte habe ich lange nicht gesehen. Die Verwandlung der Nixe in einen Menschen findet recht drastisch, aber auch sinnvoll statt, dieses Märchen handelt schließlich von Schmerzen. Jula Reindell hat die Kostüme gezaubert, Michael Fischer taucht alles in die rechte Beleuchtung, die Werkstätten und die Bühnentechnik der Oper leisten hervorragende Arbeit dabei. Den Naturwesen wird dagegen eine sehr heutige Menschenwelt gegenübergestellt: der Prinz darf auf seinen langen , blonden Haaren eine Krone tragen, kommt aber im Geländewagen mit modernem Gewehr angefahren, was dem Märchen jedoch keinen Abbruch tut, sondern den Bogen zu der heute sehr weit verbreiteten Fantasy-Literatur spannt. Das Kostüm der fremden Fürstin erinnert zwar ein wenig an die Csardasfürstin, passt aber gut zur Schlusspointe des zweiten Aktes, die hier natürlich nicht verraten wird. Dijkema gelingen immer wieder sehr starke, wie auch poetische Bilder, doch manchmal wirkt der Aufwand auch etwas oberflächlich. Dieser Eindruck ändert sich jedoch mit dem schwierigen, oft von anderen Regisseuren vernachlässigten, dritten Akt, hier findet die Personenregie die Tiefe und ganz starke Innigkeit, die das Werk in seinem Finale, für mich eines der traurigsten, benötigt. Die oft gestrichene Elfenszene setzt nochmal einen humoristischen Farbtupfer, bevor die Taschentücher gezückt werden dürfen.

Das so etwas so gelingt liegt vor allem an Olena Tokar in der Titelpartie, denn die junge Sängerin ist eine nahezu perfekt Besetzung, im ersten Akt mit dem "Lied an den Mond" fast noch kindlich in ihrem Wünschen, wandelt sich der Sopran mit immer angenehmen Reserven in die dramatisch Verzweifelte, dabei stets die Poesie der Rolle in der Kehle, im Spiel anmutig und intensiv, von großer Gefühlstiefe, danke dafür! Überhaupt sind die Frauen die "starken"Stimmen des Abends, ohne "Stark" zu singen, sondern der Rolle und dem Ausdruck verhaftet, das gilt für die Jezibaba der Susan Maclean, vielleicht vokal nicht ganz hundertprozentig im ersten Akt, steigert sie sich zu einer absoluten Hauptrolle durch Ausdruck und Präsenz; wie für Kathrin Göring mit sinnlich loderndem Mezzosopran als fremder Fürstin. Magdalena Hinterdobler, Sandra Maxheimer und Sandra Fechner singen vokal nicht immer auf gemeinsamer Linie, bezaubern aber durch ihr Spiel völlig. Da haben es die Herren schwerer: Peter Wedd als Prinz macht optisch zwar viel her, doch mit seinem baritonal timbrierten Heldentenor wird die Figur sehr eindimensional, ja sogar unnötig unsympathisch, weil gerade die lyrischen Aspekte der Partie aussen vor bleiben. Auch Vladimir Baykov als Wassermann verlässt sich sehr auf seinen sonoren Bassbariton und vernachlässigt die poetischen Teile der Figur. Sehr stark dagegen die Nebenpartien von Heger und Küchenjunge von Jonathan Michie und Lenka Pavlovic, wie der angenehme Bariton von Dan Karlström als Jäger.

Christoph Gedschold steht am Pult des Gewandhausorchesters und dirigiert eine sehr robuste "Rusalka" mit starkem volkstümlichen Anklang, was durchaus auch in der Partitur vorhanden ist, persönlich würde ich mir manchmal eine etwas impressionistischere Deutung wünschen, die der sehr trockenen und plakativen Akustik des Leipziger Opernhauses entgegensteuert. Der Chor unter der Leitung von Alexander Stessin ist in seinen Aufgaben ganz hervorragend, auch was die schwierigen Fernwirkungen betrifft.

Mit dieser Produktion hat die Oper Leipzig schon jetzt einen echten Publikumsfavoriten im Programm, der sich, bei guter Pflege lange im Spielplan halten dürfte. Grosse Oper, große Bilder, große Musik, große Gefühle. Bravo!

Martin Freitag 19.12.2017

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