Lüttich: „I puritani“, Vincenzo Bellini

Premiere: 16. Juni 2019

Vincent Boussards Inszenierung von Bellinis „I Puritani“ hatte bereits im Dezember 2018 in Frankfurt Premiere, nun wurde sie von der koproduzierenden Opéra Royal im belgischen Liege übernommen. Für Frankfurter Verhältnisse wirkt die Produktion sehr statisch, im Vergleich zu den anderen Inszenierungen, die in Liege zu sehen sind, ist das Konzept aber fast schon zu ambitioniert und verzichtet zudem auf den historisierenden Kulissenzauber, der sonst an der Maas geboten wird.

Regisseur Vincent Boussard will Bellinis letzte Oper als Requiem für diesen auf die Bühne bringen. So beginnt die Aufführung mit einer Trauerfeier am offenen Grab des Komponisten, der dann aber in die Rolle des Tenorhelden Lord Arturo Talbot schlüpft, dessen verwickelte Liebesgeschichte erzählt wird. Wahrscheinlich hat sich der Regisseur von den Glocken- und Orgelklängen inspirieren lassen, die am Beginn der Oper stehen, aber eigentlich der geplanten Hochzeit Arturos mit Elvira zugeordnet sind.

Die Inszenierung ist ebenfalls von den vielen gescheiterten Liebesbeziehungen des Komponisten inspiriert, die sich jedoch nicht auf die Beziehung zwischen Arturo und Elvira übertragen lassen, so dass das Konzept nicht sehr schlüssig ist. In vielen Szenen arrangiert die Regie die Solisten und Chöre lediglich auf der Bühne, sodass von der Musik eine viel stärkere Spannung ausgeht als vom szenischen Geschehen.

Bühnenbildner Johannes Leiacker hat die Ruine eines ausgebrannten Theaters mit mehreren Rängen entworfen, das hier als Einheitsbühnenbild genutzt wird. Dem Chor bieten die Ränge gute Auftrittsmöglichkeiten, aber man hätte die Handlung genauso gut und optisch ansprechender in einen Schlosssaal des englischen 17. Jahrhunderts spielen lassen können, wo die Oper ja eigentlich spielt. Dem Konzept entsprechend hat Modeschöpfer Christian Lacroix die Männer in großbürgerliche Gehröcke des 19. Jahrhunderts gekleidet. Elvira sticht in ihrem weißen wehenden Kleid mit viel Tüll optisch heraus.

Am Pult des Opern-Orchester steht Chefdirigentin Speranza Scapucci, die eine sehr zupackende Aufführung dirigiert. Auch die Blechbläser kommen kernig zur Geltung. Natürlich überlässt Scapucci den Sängern den Vortritt und führt diese sehr feinfühlig durch den Abend. Insgesamt dauert die Aufführung mit drei Stunden und 40 Minuten noch 20 Minuten länger als in Frankfurt, da man in Liege noch weitere Striche geöffnet hat.

Die Primadonnen-Partie der Elvira singt Zuzana Markova. Mit leichtem und geläufigem Sopran singt sie die Koloraturen und Triller der anspruchsvollen Rolle, trumpft aber bei den Spitzentönen nie richtig auf. Sie ist eine zuverlässige und sichere Interpretin, die den Hörer jedoch nie richtig begeistert. Als ihr geliebter Arturo Talbot bietet Lawrence Brownlee große Belcanto-Kunst. Mit lieblich gefärbter Stimme, meistert er alle Kunstfertigkeiten, die Bellini verlangt. Er verfügt über einen schier endlosen Atem für die großen Melodiebögen dieser Rolle und verbindet die Register bruchlos.

Elviras Vater Giorgio wird von Luca Dall ´Amico mit klarem und kräftigen Bass gesungen. Der Nebenbuhler Arturos ist Riccardo Forth, den Mario Cassi mir geschmeidigem Bariton verkörpert, ohne die Partie zum Schurken zu überzeichnen.

Die Aufführung am 22. Juni 2019 wird auf francetvinfo.fr/culture gestreamt.

In der nächsten Saison bietet Liege mit „La Somnambula“ eine weitere Bellini-Oper. Ansonsten richtet die Opéra Royal ihren Schwerpunkt auf Werke, die in exotischen Gefilden spielen („Madama Butterfly“, „Lakmé“, „Die Perlenfischer“) und Opern Giuseppe Verdis (der fünfaktige „Don Carlos“ auf Französisch, „Nabucco“). Schnittmenge beider Bestrebungen wird Verdis kaum aufgeführte Inka-Oper „Alzira“ sein.

Rudolf Hermes, 17.6.2019

Bild (c) operaliège