piccolo teatro espresso. Gastspiel in Bayreuth: Kunstmuseum, 1.8.2021
Keine Oper dürfte so oft fürs Puppen- und Figurentheater bearbeitet worden sein wie der Ring des Nibelungen. Selbst Die Zauberflöte kann da nicht mithalten, auch wenn wir die Produktionen, die wir in Salzburg, Wien und Bamberg gesehen haben, lieben. Nein, es ist die Tetralogie mit ihrer Fülle von Figuren, Konflikten, Fantasie-Elementen, der Nähe zum Kasperle-Theater und bisweilen unfreiwilllig komischen Versen, die die Figurenspieler schon immer gereizt haben: doch nicht im Medium einer „ernsten“ Nacherzählung, sondern in dem der Parodie. Also gastiert, zur besten Festspielzeit – nachdem am Teich im Festspielpark die Figurentheateraufführung Immer noch Loge zu bewundern war – ein Einmanntheater aus Würzburg in Bayreuth, um mit vielen Figuren den Ring in die gute Stube zu bringen. Thomas Glasmeyer heißt der Mann, er ist Spieler, Figurenmacher und Texter in einem; als „Supervisor“ nennt der Waschzettel Volkmar Funke und Jan Burdinski.
„Ich habe mich“, sagt der Mann in Schwarz, „bemüht, so dass keiner mehr was verstehen kann, den Ring auf zwei Stunden Spielzeit zu bringen.“ Keine Bange: Andere schaffen das sogar in zehn Minuten. Versteht der Zuschauer alles? Der Kenner schon, der Neuling – einiges, wenn auch die Vermutung, dass nur der eine Parodie witzig finden kann, der das Original kennt, unausweichlich ist. Verdichtung ist alles, Wissenswetten entfallen ebenso wie Gespräche mit Waldvögeln, ausserdem: Wieso braucht man prophetische Tiere, wenn‘s einen Drachenfurz gibt, der einem annähernde Unverletzlichkeit gibt? Der Parodist modernisiert, vergröbert (notwendigerweise), dampft ein, reimte im Stil von Lene Voigts sächsischen Balladen, lässt seine Figuren auch in sehr neudeutscher Prosa sprechen, hantiert mit Gliederpuppen, zweidimensionalen Papkameraden (Die Walküre), Klappmaulköpfen (die Riesen) und sich selbst (der Wanderer). Bei Alberich kommt der Münster-Tatort ins Spiel, Wotan reflektiert seine Lust, wieder in Versen zu sprechen, an Fafner wird der Kapitalismus mit Hilfe eines Dachses (!) versinnbildlicht: das sind so sie Verfremdungstechniken des Abends. Kleine Beckmesserei am Rande: der auf dem Hort schlafende Drache ist kein Kapitalist – ansonsten würde er das Gold vermehren wollen -, und Wotan zeugte mit Erda lediglich seine Lieblingstochter Brünnhilde, die eben deshalb sein Augenstern ist. Wo aber Wahnfried zu Walhall und aus dem Festspielhaus der Gibichungenpalast wird, wo eine Drehbühne einfach und zugleich virtuos in Einsatz kommt und die Spielorte im Raum wechseln, wo die Stilarten zwischen den einzelnen Stücken sich so verändern wie in den musikdramatischen Vorlagen, muss man nicht meckern. Glasmeyer erfreut sein Publikum mit einem Humor, der zwischen höherem Blödsinn, naheliegenden Witzen und subtiler Puppentheaterästhetik vermittelt.
Und die Zauberflöte erscheint auch an diesem Abend – wenn Glasmeyer seinem blaubleichen Hagen eine ungekürzte Parodie der Rachearie der Königin der Nacht in die Kehle legt. Großer Applaus!
Frank Piontek, 2.8.2021
Foto: ©C. Kilchert