am 26.8.2017
Alljährlich findet im Rahmen der Salzburger Festspiele das sog. Young Singers Project (YSP) statt. Sein Ziel ist es, den jungen Talenten neben einer musikalischen sowie repertoiremäßigen Weiterbildung und szenischem Unterricht auch die Möglichkeit zu geben, Proben zu besuchen und mit den Künstlern und Künstlerinnen der Salzburger Festspiele zu arbeiten. Einige wurden auch in diesem Jahr wieder in Opernproduktionen in Nebenrollen eingesetzt, so in „Lady Macbeth von Mzensk“ und „Wozzeck“, sowie in den konzertanten Aufführungen von „I due Foscari“ und „Lucrezia Borgia“. Zudem konnten sie an Meisterklassen von Kammersängerin Christa Ludwig, Malcolm Martineau und Sandrine Piau teilnehmen. Des Weiteren wurde sie in der Kinderoper „Der Schauspieldirektor für Kinder“ nach Motiven von Wolfgang Amadeus Mozart, die acht Mal in der Großen Universitätsaula aufgeführt wurde, eingesetzt. Dieses Jahr waren es 14 junge Künstler und Künstlerinnen aus acht Nationen, die im Rahmen eines weltweiten castings ermittelt wurden und wichtige Eigenschaften für das Projekt mitbringen: eine besondere Stimme, Bühneninstinkt, solide technische Kenntnisse und Leidenschaft, wie Eva Maria Wieser, die Leiterin des YSP, im Programmheft des Abschlusskonzerts schreibt. Die diesjährigen Teilnehmer haben auch technisch, körperlich und darstellungsbildend mit Michelle Wegwart und Catharina Lühr gearbeitet. Teilnehmer des YSP nahmen auch an den Konzerten des Young Conductors Award teil und trugen damit zu einer Zusammenarbeit dieser beiden wichtigen Nachwuchsprojekte bei. Das Projekt wird von der Kühne-Stiftung gesponsert. Im November wird gemeinsam mit Shanghai Hanteng Culture Development eine Tournee nach China unternommen.
Der musikalische Leiter des YSP ist Adrian Kelly, der auch das Abschlusskonzert mit dem Mozarteumorchester Salzburg an diesem Abend dirigierte. In einem Aufsatz im Programmheft stellt Markus Schwering das Abschlusskonzert unter das Motto „Vom Arienmonolog zum kommunikativen Ensemble“, und es ist in der Tat genau das, was das zahlreich erschienene Publikum inkl. der Festspielpräsidentin, des Intendanten und auch einer Reihe von Sängeragenten zu hören und zu sehen bekommt: Solistische Opernarien wechseln ab mit Ensembles in Besetzungen zwischen Duett und Sextett. Der Abend beginnt mit der beschwingt und akzentuiert vorgetragenen Ouvertüre von „Così fan tutte“ von W. A. Mozart.
Der sängerische Teil beginnt sodann mit Terzetten von Ferrando, Guglielmo und Don Alfonso aus „Così fan tutte“, und zwar mit La mia Dorabella capace non è – È la fede delle femmine – Una bella serenata. Der italienische Bass Alessandro Abis ist in der Rolle des Don Alfonso zu erleben. Der 25jährige studierte bei Elisabetta Scano am Konservatorium seiner Heimatstadt Cagliari und wurde u.a. auch von Angelo Romero und Gioacchino Gitto unterrichtet. Abis singt den Alfonso bei starker Mimik und Ausdruckskraft mit einem gut intonierenden und flexiblen Bass. Er wird damit zum Zentrum der Terzette. Später singt er noch die Kavatine des Don Magnifico aus „La Cenerentola“ Miei rampolli femmini mit ebenso großer Ausdruckskraft und hoher Empathie sowie treffender Mimik. Der Sänger verfügt über große Musikalität und nimmt das Publikum mit. Riesenbeifall!
Der polnische Tenor Maciej Kwasnikowski verkörpert den Ferrando. Er ist 1992 in Poznan geboren und derzeit Mitglied der Opernakademie der Nationaloper Warschau, wo er u.a. von Izabela Klosinska, Eytan Pessen und Matthias Rexroth unterrichtet wird. Er erhielt auch Impulse von Neil Shicoff. Er lässt als Ferrando einen durchschlagskräftigen Tenor mit stabiler Höhe erklingen. Später kann er noch mehr glänzen mit der Arie des Don Ottavio Il mio tesoro intanto aus „Don Giovanni“. Hier kann man auch eine leichte dramatische Ausrichtung seines kraftvoll intonierenden Tenors erkennen.
Guglielmo schließlich wird vom russischen Bariton Ilya Kutyukin gesungen, der bereits ab seinem 15. Lebensjahr an der Gnessin-Musikschule bei Olga Dementieva studierte und nach seinem Abschluss an die Gnessin-Musikakademie zu Alexander Naumenko wechselte, wo er Mitglied des Opernstudios wurde. Er lässt als Guglielmo einen nicht allzu großen Bariton hören. Bei der später gesungenen Arie des Robert aus „Jolanthe“ von P. I. Tschaikowski wird auch das begrenzte stimmliche Volumen offenbar, sowie eine etwas fahle Höhe.
Sodann singt die polnisch-deutsche Sopranistin Alina Adamski Rezitativ und Arie der Giunia aus „Lucio Silla“ von W. A. Mozart In un istante oh come s´accrebbe il mio timor! – Parto, m´affretto. Adamski verfügt über einen leicht abgedunkelten, deshalb in der Mittellage sehr charaktervoll klingenden Sopran, den sie ausgezeichnet führt. Sie lässt in dieser Arie aber auch gute Koloraturen sowie eine kraftvolle Attacke erkennen und setzt viele dramatische Akzente, was ihr starken Applaus einbringt. Später wird sie einen starken Orlofsky im Finale des 2. Aktes aus „Die Fledermaus“ verkörpern. Sie hat das Talent einer echten Sängerdarstellerin.
Es folgt der ausgezeichnete russische Bass Gleb Peryazev mit der Arie des Basilio La calunnia è un venticello aus „Il barbiere di Siviglia“ von G. Rossini. Er wurde 1994 geboren und studiert derzeit bei Ildar Abdrazakov und Vladimir Vaneev an der Internationalen Musikakademie „Elena Obraztova“ in St. Petersburg. Peryazev singt die Arie mit einem kraftvollen und profunden Bass, den er auch sehr beweglich führt. Es besticht ferner durch gute und lang gehaltene Höhen sowie allgemein große sängerische und darstellerische Souveränität. Jubel im Publikum!
Die österreichische Sopranistin Anita Rosati singt darauf die Arie der Zerlina Vedrai, carino aus „Don Giovanni“ von W. A. Mozart. Sie wurde 1993 in Lienz geboren und absolvierte ihr Bachelorstudium an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien bei Edith Lienbacher mit Auszeichnung. Rosati hat einen wohlklingenden, warmen lyrischen Sopran und drückt sowohl darstellerisch wie stimmlich viel Einfühlungsvermögen für die Nöte Masettos aus. Als Adele im späteren Quartett aus dem Finale des 2. Akts aus „Die Fledermaus“ lässt sie auch kräftigere Töne hören.
Richard Walshe singt sodann die Arie des Leporello Madamina, il catalogo è questo aus „Don Giovanni“. Der britische Bassbariton studierte ab 2010 als Stipendiat an der Royal Academy of Music in London, wo er 2016 sein Studium abschloss. Derzeit absolviert er ein Ausbildungsprogramm an der Royal Academy Opera. Walshe singt die Registerarie sowohl mit beeindruckender Attacke als auch mit gutem Legato bei exzellenter Diktion und Mimik. Er verfügt über eine sehr gute Technik. Sein Bassbariton fällt außerdem durch gute Resonanz auf.
Der britische Bariton Huw Montague Rendall singt sodann Rezitativ und Arie des Conte di Almaviva Hai già vinta la causa! – Vedrò mentre io sospiro aus „Le nozze di Figaro“ von W. A. Mozart. Er schloss kürzlich sein Studium am Royal College of Music in London ab und debütierte im Sommer 2016 im Rahmen des Jerwood Young Artists Programme beim Glyndeborne Festival und bei den BBC Proms. Montague Rendall singt die Arie mit einem klangvollen Bariton mit großer Ausdruckskraft und guter Höhe. Viel Beifall.
Nach der Pause folgt die russische Mezzosopranistin Vasilisa Berzhanskaya mit der Arie des Ariodante Tu, preparati a morire aus „Ariodante“ von G. F. Händel. Sie studierte bei Ruzanna Lisitsian an der Moskauer Gnessin-Musikakademie und absolviert seit der Spielzeit 2015/2016 das Ausbildungsprogramm am Bolschoi-Theater, wo sie von Dmitry Vdovin unterrichtet wird. Ihr kraftvoller Mezzo besticht durch eine klangvolle Mittellage und sie singt die Arie des Ariodante sowohl mit kräftiger Höhe als auch beeindruckender Tiefe und lässt dabei schöne Piani hören. Ein sehr souveräner Vortrag, der vom Publikum mit starkem Applaus bedacht wird.
Die britische Sopranistin Carrie-Ann Williams singt nun das Arioso der Jolanthe Otchego eto prezhde ne znala aus „Jolanthe“ von P. I. Tschaikowski. Sie studiert derzeit an der Royal Academy Opera in London bei Elisabeth Ritchie und Ingrid Surgenor. Zuvor schloss sie ihr Masterstudium an der Royal Academy of Music mit Auszeichnung ab. Williams interpretiert das Arioso mit einem klangvollen, dunkel gefärbten Sopran. Sie hat eine kräftige Stimme mit guter Höhe. Viel Applaus!
Die maltesische Mezzosopranistin Marvic Monreal singt sodann die Szene der Olga Ah, Tanja, Tanja! Aus „Eugen Onegin“ von P. I. Tschaikowski. Sie wurde 1991 geboren und studiert seit der Saison 2016/17 an der Royal Academy Opera in London bei Elisabeth Ritchie und Ingrid Surgenor. Monreal verfügt über einen vollen Mezzo, den sie mit der Szene der Olga kraft- und ausdrucksvoll vorträgt.
Der aus New Orleans stammende Jamez McCorkle singt danach die Blumenarie des Don José La fleur que tu m´avais jetée aus „Carmen“ von G. Bizet. Er begann seine Gesangsausbildung als Bariton, wechselte dann jedoch ins Tenorfach und gewann zahlreiche Wettbewerbspreise, u.a. den George London Award. McCorkle schließt im Sommer 2017 sein Studium am Curtis Institute of Music in Philadelphia ab. Bei einer intensiven Mimik und viel Emotion gestaltet er die Arie des Don José mit seinem kräftigen Tenor, auch wenn es etwas an Resonanz und Klangfülle fehlt.
Die deutsche Sopranistin Anne-Fleur Werner schließt das Arien-Programm mit dem Rezitativ und Rondo der Vitellia Ecco il punto, oh Vitellia – Non più di fiori vaghe catene aus „La clemenza di Tito“ von W. A. Mozart ab. Bereits als 11jährige begann sie ihre Gesangausbildung bei Christel Borchers und studierte später an der Universität Mozarteum Salzburg bei Horiana Branisteanu und Ingrid Kremling-Domanski. Sie absolvierte ihr Masterstudium mit Auszeichnung. Werner singt das Rondo der Vitellia mit viel Gefühl und guter Diktion. Ihr kraftvoller Sopran wird sehr gut geführt, und sie verfügt sowohl über eine beeindruckende Tiefe, die ja gerade in diesem Rondo gefordert wird, wie auch über eine gute Attacke. Daneben gestaltet sie ihren Vortrag sehr facettenreich. Jubel des Publikums!
Danach beeindrucken Carrie-Ann Williams und Vasilisa Berzhanskaya mit dem Duett Fiordiligi und Dorabella aus „Così fan tutte“. Sie singen es mit klangvollen und kräftigen Stimmen.
Getreu dem Motto des Abschlusskonzerts gibt es dann noch zwei Quartette und ein Sextett, mit denen die jungen Sängerinnen und Sänger ihre bereits beeindruckenden Qualitäten bei ausdrucksvollem Singen in Ensembles unter Beweis stellen. Im Quartett Andrò ramingo e solo aus „Idomeneo“ singen Alina Adamski (Ilia), Anne-Fleur Werner (Elettra), Vasilisa Berzhanskaya (Idamente) und Jamez McCorkle (Idomeneo).
Im zweiten Quartett Im Feuerstrom der Reben aus „Die Fledermaus“ singen Alina Adamski (Orlofsky), Anita Rosati (Adele), Huw Montague Rendall (Eisenstein) und alle im Chor. Es ist der Schlusspunkt des vom Publikum umjubelten Konzerts.
Im Sextett Riconosci in questo amplesso aus „Le nozze di Figaro“ singen schließlich Anita Rosati (Susanna), Marvic Monreal (Marcellina), Maciej Kwasnikowski (Don Curzio), Huw Montague Rendall (Il Conte), Gleb Peryazev (Bartolo) und Richard Walshe (Figaro).
Sowohl in den Quartetten wie im Sextett agieren die Sängerinnen und Sänger neben einem sehr guten stimmlichen Vortrag auch mit einer intensiven und kommunikativen Darstellung. Sie sind somit als Opernsänger ganz offenbar auf einem viel versprechenden Weg.
Klaus Billand 29.8.2017
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