Salzburg: „Il barbiere di Siviglia“, Gioachino Rossini

Wenn bekannte Schauspieler plötzlich für eine Opernregie verpflichtet werden, bin ich von Haus aus skeptisch. Dass Gregor Bloeb 2021 schon am Innsbrucker Landestheater „Die Zauberflöte“ inszeniert hatte, ging an mir ebenso vorbei, wie sein Haushofmeister an der Scala in der Bechtolf Regie. Und nach dem „Barbiere“ am Nachmittag ziehe ich vor ihm meinen Hut: Bloeb ist mit dieser Inszenierung ein großer Wurf gelungen! Mit einfachen Mitteln und geschickter Personenführung, durchaus altbekannten (er muß wohl die Rennert-Inszenierung in Wien gekannt haben) und auch neuen Späßen amüsierte er ein gesteckt volles Haus, in dem man von Volksschulkindern bis Uromas alles sah, die allesamt begeistert mitgingen. Den „neuen“ Wiener Barbier schlägt diese Produktion um Welten – vor allem spürte man, dass hier jemand zu Werke ging, der das Stück kennt – und vor allem liebt! – und sich mit den Bedürfnissen der Sängerschar ebenfalls auskennt. Ein drehbares Bühnengerüst (Bühne und Kostüme: Laura Malmberg und Paul Sturminger ) mit allerlei Möglichkeiten für Auftritte und  Balkon und Stiegen bietet den Handlungsrahmen – als solches nicht gerade „schön“ zu nennen , erfüllt es durch geschickte Ausleuchtung (Richard Schlager) und das ungemein mitreißende Spiel aller Beteiligten seinen Zweck alleweil und wird tatsächlich zu den Orten des Geschehens, die „Faszination Theater“ wirkt da einfach!

(c) Salzburger Landestheater

Die Stimmung im Haus ist schon in der Ouvertüre gegeben, die der junge, „musikalische Assistent“ Tobias Meichsner – diesmal selbst am Pult – wie den ganzen Abend über bravourös gestaltet und eine tadellose Visitenkarte seines Könnens abgibt! Währenddessen werden witzige Fotos der Protagonisten eingeblendet: was für mich nicht unbedingt notwendig gewesen wäre, aber dem Publikum so gut gefiel  – es war nämlich wirklich dezent und humorvoll gemacht – sodass ich bei mir dachte, zuviel der „Merkerei“ ist auch nicht gut und ich mich auch darauf einließ mich einfach zu amüsieren.

Dies fiel umso leichter, als ein sehr gutes Ensemble an den Werken war – schon die ersten kernigen Töne von Philipp Schöllhorn als Fiorello ließen gutes Erhoffen. Diese Hoffnung erfüllte sogleich in bester Manier der exzellente Conte Almaviva des aus Manchester stammenden Theodore Browne. Ein flexibler, strahlkräftiger Tenor, speziell mit bombigen Höhern und irr langem Atem erfreute während des ganzen Abends. Für mich eine wahre Entdeckung – er kann diese Partie überall singen und ist absolut auf dem gleichen Niveau wie die heute in diesem Fach führenden Spitzentenöre. Noch dazu geniesst er es förmlich als „soldato ubriaco“ und „Don Alonso“ eine hinreißende Show abzuziehen. Kongenialer Partner ist ihm da Daniele Macciantelli als Bartolo – für den übrigens auch die Einschätzung gilt, daß er auf jeder großen Bühne reüssieren könnte. Sein Bartolo ist vom Typ her köstlich, verschroben, und kommt stimmlich nicht von der „Buffo-Ebene“ sondern eher von Richtung „Basso profondo“ – was insofern seinen Reiz hat, dass man echte, beeindruckende tiefe Noten hören kann, die bei „reinen Buffi“ eher beiläufig klingen. Trotzdem hat er eine geläufige Gurgel und singt den zweiten Teil seiner Arie in aberwitzigem Tempo – und das dann immer noch exakt und mit verständlicher Diktion! Das „Duell“ dieser beiden um Rosina ist sehr verständlich: speziell bei der bezaubernden Katie Coventry! Die schottische Künstlerin setzt ihren aparten und durchschlagskräftigen Mezzo genau so gekonnt ein, wie ihre gewinnende Physis: sie ist keineswegs das „naive Mündel“, sondern ein junges Mädchen, das genau weiß, was sie will – nämlich „Lindoro“ – und nicht nur ihre Bühnenpartner, sondern wohl auch sämtliche Herren im Publikum, um den Finger wickelt. Kokett, aber geschmackvoll und stimmlich hervorragend! Im Vergleich zur bekannten Kollegin, die ich vor paar Wochen an der Staatsoper hörte, eine Wonne!

Der baumlange Figaro, der die Fäden zog und mit kräftigem Bariton auftrumpfte war mit George Humphreys ein weiterer Sangeskünstler von „der Insel“ – er stammt aus Oxford und ist bereits seit 2017 Ensemblemitglied im Landestheater, ebenso wie die Schottin Hazel McBain, die als Berta in den Ensembles silberne Spitzentöne beisteuerte und auch ihre Arie gefällig darbot. Aus Vorarlberg hingegen kommt Martin Summer, der als Basilio gutes, etwas zu „breit“ geführtes Material – und einen noch nie gehörten eingelegten Spitzenton in der „Calunnia“ – erklingen ließ.

Tadellos der Herrenchor des Salzburger Landestheaters und ebenso das Mozarteumorchester – ein Pauschallob. Es war ein, wenn auch nur kurz, aber heftig beklatschter Nachmittag, wie es Oper sein soll. Man ging beglückt von dannen, und auch Cesare Sterbini und der Gourmet und „Schwan von Pesaro“, Gioachino Rossini, wären wohl zufrieden gewesen – und hätten sich vielleicht ein knuspriges „Martini-Gansl“ gegönnt… Wie schön, das sagen zu können, in einer Zeit, wo Librettist und Komponist wohl viel öfter im Grabe rotieren würden!

Die letzten Chancen diese Produktion sehen zu können bitte unbedingt nutzen!

Michael Tanzler 13. November 2023

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)


Il Barbiere di Siviglia
Gioachino Rossini

Landestheater Salzburg

5. November 2023

Regie: Gregor Bloeb
Dirigat: Tobias Meichsner
Mozarteum Orchester

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