Schwarzenberg: Eine Chance für junge Musiker

25. Bis 28. Oktober 2018

Andrei Ioniţă als Intendant in Residence

Mit den zyklischen Alpenarte-Konzertreihen wird jungen Musikern die Möglichkeit geschaffen, sich als Intendant in Residence mit den Tücken der Organisation von Musik-Events vertraut zu machen. Als Intendant in Residence der Herbst-Alpenarte hatte der rumänische Cellist Andrei Ioniţă junge aufstrebende, aber durchaus bereits gestandene Musiker in das Österreicher Schwarzenberg eingeladen, um mit seinen Gästen in dem wundervollen Angelika-Kauffmann-Saal vier Themen-Kammerkonzerte zu gestalten.Der schlichte, komplett aus Tannen- und Buchenholz errichtete Saal bietet für die Kammermusik perfekte akustische Bedingungen. Nicht ohne Grund gilt der Saal als einer der besten Kammermusiksäle Österreichs.

Der „Schuhschachtel-Konzertsaal“ ist mit einem offenen Flach-Satteldach abgedeckt, so dass die Leimbinder-Stützkonstruktion sichtbar bleibt. Seitlich vom Podium sind schräge Holzreflexwände angeordnet und hinter den Musikern war ein den Schall reflektierender Paravent aufgestellt. Interessanterweise haben auch die Panorama-Doppelglasfenster keinen gravierenden Einfluss auf die Klangentwicklung. Außerdem verfügt der Saal über eine ausgezeichnete Belüftungsanlage und im hinteren Bereich über eine Galerie.

Ich empfand die Klangentfaltung allerdings als etwas trocken. Aber das mag ein individueller Eindruck sein.

Das Konzert des ersten Abends war der Deutschen Romantik gewidmet. Der 1. Preisträger des Cello-Tschaikowskiwettbewerbs 2015 Andrei Ioniţă eröffnete den Abend mit dem spanischen Pianisten und Gewinner des Kissinger Klavier-Olymp 2018 Juan Pérez Floristán mit drei Fantasiestücken op.73 von Robert Schumann. Danach komplettierte der spanische Klarinettist Pablo Barragán die Musiker, um gemeinsam mit beeindruckender Podiumpräsenz das Trio in a-Moll op. 114 von Johannes Brahms zu bieten.

Als drittes Werk spielten dann Ioniţă, Floristan , der außergewöhnliche albanisch-griechische Violinist Jonian Ilias Kadesha ,sowie Karolina Errera aus Moskau eine frische Interpretation des Brahms-Klavierquartetts Nr. 1, op. 25. Alle vier Musiker haben bereits hochrangige Wettbewerbe gewonnen.

Der zweite Konzertabend war einer Auswahl aus der Vielfalt der Musik „Europas“ gewidmet. Mit einer expressiven Darbietung von Jörg Widmanns „Fantasie für Klarinette solo“ eröffnete Pablo Barragán das Programm. Die britische Cellistin Vashti Hunter verfügt bereits über solistische Erfahrung. Sie und Pablo Barragán begeisterten mit einer für ihre Instrumente arrangierten Auswahl zweistimmiger Inventionen von Johann Sebastian Bach und als Gegenstück das „Off Pist“ des Schwedischen Komponisten Svante Henryson. Danach brillierte Juan Pérez Floristan mit der „Fantasia Betica“ für Klavier solo seines Landsmanns Manuel de Falla. Das Europa-Programm ergänzte das Klavierquintett in A-Dur, op. 81 von Antonin Dvorak. Es spielten die Geiger Jonian-Ilias Kadesha und die koreanisch-kanadische Preisträgerin des Sibelius-Musikwettbewerbs 2015 Christel Lee. Die in Antalya ausgebildete Bratschistin Nilay Özdemir, die Cellistin Vashti Hunter sowie der Pianist Floristan aus Sevilla komplettierten die höchstsensible Darbietung. Als Zugabe wurde ein Medley der Europa-Hymne, der Österreicher Nationalhymne und Beethovens „Lied an die Freude“ intoniert.

Das dritte Konzert hatte Andrei Ioniţă der Musik seiner Rumänischen Heimat gewidmet: „Dor:Rumänischer Traum“.

Das „Dor“ gilt als Hauptwesenszug des rumänischen Nationalcharakters und umfasst die rumänische Mentalität mit ihrem „Weltschmerz“, ihrer Sehnsucht, Nostalgie und Melancholie.Andrei hatte ausschließlich Werke rumänischer Komponisten, bzw. im heutigen Staatsgebiet Rumäniens geborener Komponisten, wie Bela Bartok, in das Programm dieses Konzerts aufgenommen. Mit seiner bereits gebotenen Intensität und Virtuosität begann Pablo Barragán mit einer Sonate für Klarinette solo von Tiberiu Olah (1928 bis 2002). Als eine unbedingte Bereicherung der Musikerschar stellte sich die aus Ploiești stammende Pianistin Daria Tudor vor. Sie ist mehrfache Musikpreisträgerin und häufige Kammermusik-Partnerin Andrei Ioniţăs. Eine Toccata von George Enescu war ihr fulminanter Einstieg in das Programm. Danach folgten von George Enescu „Carillon Nocturne“ und von Radu Paladi sein „Rondo a capriccio“.

Aus einer Auswahl der Duos für zwei Violinen, Sz. 98 des Béla Bartok spielten Jonian-Ilias Kadesha und Christel Lee. Danach folgten, unkonventionell für zwei Bratschen bearbeitete Stücke aus gleicher Quelle, von Karolina Errera und Nilay Özdemir routiniert dargeboten.Beschwingt beendeten Andrei Ioniţă und Daria Tudor den ersten Teil des Programms mit Rumänischen Volkstänzen von Béla Bartok.

Die Tochter des Komponisten Radu Paladin (1927-2013), die Musikwissenschaftlerin und Publizistin Irina Paladi, führte danach mit dem vom Komponisten geförderten Andrei ein informierendes und auch emotionales Podiumsgespräch über das Leben und das Werk des bedeutendsten Komponisten Rumäniens der jüngsten Vergangenheit. Beide führten das Publikum zu einem der musikalischen Höhepunkte des Viertage-Zyklus, einer berührenden Interpretation des Streichquartetts Nr.1 in c-Moll von Radu Paladi.

Neben Andrei Ioniţă, Karolina Errera und Jonian-Ilias Kadesha übernahm die Enkelin des Komponisten Alexandra Paladi einen Violinen-Part. Als Orchester- und Kammermusikerin sowie als Solistin verfügt sie bereits über reiche künstlerische Erfahrungen.

Das Abschlusskonzert widmete der Intendant der ihm besonders nahestehenden russischen Musik.

Das Konzert wurde mit dem Klaviertrio élégiaque Nr.1 in g-Moll von Sergej Rachmaninow eröffnet, das dieser im Alter von 19 Jahren komponierte. Als Solisten erfreuten mit einer frischen unkonventionellen Darbietung Alexandra Paladi, Vashti Hunter und die phantastische Daria Tudor

Mit Dmitri Schostakowitschs schmerzbeladenem Klaviertrio Nr. 2 in e-Moll folgte der für uns emotionale Höhepunkt des Festivals. Mit höchster Sensibilität von Daria Tudor, Christel Lee und Andrei Ioniţă musiziert, hätten wir uns das Trio eigentlich als Abschluss der Alpenarte 2018 gewünscht.

Den Schluss bildete Peter Tschaikowskis Streichsextett „Souvenir de Florence“ in d-Moll, mit dem die sechs Streicher der vier vergangenen Konzerte noch einmal ihre glückliche Kombination aus Virtuosität, Jugendfrische und sich entwickelnder musikalischer Reife zur Geltung bringen konnten.

Mit der Zugabe, einer Bearbeitung des Andante aus Tschaikowskis Streichkonzert Nr. 1 für das gesamte Alpenarte-Ensemble und dem Solopart mit Andrei Ioniţă, wurde dem Auditorium noch ein Ohrwurm zum Abschluss geboten, was auch mit stehenden Ovationen gefeiert wurde.

Für uns, aus dem doch recht entfernten Dresden Angereiste und durchaus musikverwöhnte Hörer, war das Festival ein unwahrscheinliches Erlebnis. Die noch sehr jungen, hoch talentierten Musiker hinterließen einen unvergesslichen Eindruck, so dass bei uns der Wunsch entstanden ist, mehr davon zu erleben.

Die nächste Alpenarte findet vom 9. bis zum 12. Mai 2019 mit der Intendanz in Residence der Flötistin Eva-Nina Kozmus in Schwarzenberg statt.

Thomas Thielemann 27.3.2019

Bilder (c) Schwarzenberg / Andreas Domjanic