Schweinfurt: „Der Bettelstudent“

Aufführung im Theater der Stadt Schweinfurt 11.01.2016 (Tourneebeginn Herbst 2015)

Jubiläumsoperette bringt Stimmung nach Schweinfurt

Die Operettenbühne Wien unter Heinz Hellberg feiert 20 jähriges Jubiläum mit der Erfolgsoperette „Der Bettelstudent“ in Schweinfurt

Ein gerngesehener Gast in Schweinfurt ist seit vielen Jahren Heinz Hellberg mit der Operettenbühne Wien. Diesmal ist es etwas Besonderes, feiert die Bühne doch ihr 20jähriges Jubiläum. Zwanzig Erfolgsjahre liegen hinter der Wiener Bühne und die treuen Besucher hoffen, dass noch ein paar Jubiläen draufgepackt werden können. Der große Erfolg von Prof. Heinz Hellberg, der auch heute wieder für die Regie verantwortlich zeichnet, liegt vor allem darin, dass er die Operette authentisch inszeniert, dass er sie nicht zum Kasperltheater macht, sondern dass er sie ernsthaft und mit Respekt behandelt. In dieser Art wird die schon so oft totgesagte Operette noch ein langes Leben führen, auch wenn sie vom Fernsehen und teilweise auch vom Rundfunk gnadenlos verbannt wird. Wo bleibt der Auftrag der öffentlichen Anstalten auch die Operette einem jungen Publikum näher zu bringen.

Wo bleiben die Leserbriefe, die Schreiben an die Rundfunkhäuser, endlich auch hier der Öffentlichkeit etwas zu bieten und damit auch den Ruf nach der Operette wieder hörbar zu machen. Wie sollen unsere Kinder denn mit dieser Musikgattung Kontakte aufnehmen können, wenn sie gnadenlos von unseren öffentlich rechtlichen Anstalten davon ferngehalten werden. Für mich ist dies einfach nicht nachvollziehbar und für die vielen zigtausend Operettenliebhaber in unserm Land sicherlich auch nicht.

Die Geschichte des tief gekränkten Oberst Ollendorf, der mit einer Ohrfeige durch die schöne Laura, einer Tochter der verarmten Gräfin Nowalska, für seine Zudringlichkeit „belohnt“ wird, daraufhin zwei Bettelstudenten als Fürst und Adjutant auftreten lässt, um nach geschlossener Ehe der schönen Laura den Bettelstudenten zu präsentieren, um sie damit vorzuführen, ist wohlbekannt. Durch seine Überheblichkeit wird er durch einen der Bettelstudenten, der eigentlich ein Herzog ist, abgesetzt und der andere Bettelstudent geadelt. Beide finden in den Töchtern der Gräfin ihr Glück und bei Hellberg bekommt der Oberst Ollendorf zum Schluss noch die Gräfin Nowalska, in sehr gewagter Auslegung des Librettos.

Ella Tyran, Stefan Reichmann

Das Orchester der Operettenbühne Wien wird von Lazlo Gyüker mit straffer und gleichzeitig leichter Hand geleitet. Er atmet mit dem Orchester mit, nimmt es auch behutsam zurück, um die ein oder andere Singstimme besser zur Geltung kommen zu lassen und ist insgesamt feurig und ohne Fehl und Tadel bei der Sache. Ein stimmiges Bühnenbild, einprägsam und immer darauf bedacht, dass es ja bei einem Tourneetheater nur begrenzte Möglichkeiten gibt, wird hier von Adrian Boboc auf die Bretter der Bühne gestellt. Ebenso gute Arbeit geleistet hat auch Lucya Kerschbauer, die für die Kostüme die Verantwortung trägt und diese recht farbenprächtig und stimmig darbietet. Das gefällt auch den Augen des Publikums, welches mit Beifall nicht geizt. Auch der Chor und das Ballett der Operettenbühne können voll überzeugen. Gerade im Bettelstudenten, bei dem die Dialoge wesentlich kürzer geraten sind, als bei anderen Operetten, kommt dies ganz besonders zur Geltung.

Den Studenten Symon Rymanowicz, den Bettelstudenten, gibt Stefan Reichmann mit weichem klarem Tenor. Ein bisschen fehlt für mich am heutigen Nachmittag das Feuer, das Strahlen der Spitzentöne, alles wirkt etwas wie gebremster Schaum. Bei einem seiner Soli, dem „Ich hab kein Geld bin vogelfrei“ merkt man, was eigentlich an stimmlichen Qualitäten in ihm steckt. Hier leuchtet es plötzlich, die Spitzentöne strahlen, hier macht das Zuhören Spaß. Vielleicht war er an diesem Nachmittag auch nicht gesundheitlich in Höchstform. Mit klarem, kernigem Tenor ist Anton Graner sein studentischer Freund Jan Janicki und kann voll überzeugen. Er macht seine Sache gut, vor allem auch in den Duetten. Hier ist ihm Verena te Best als Bronislawa, einer der Töchter der Gräfin Nowalska eine exzellente Partnerin. Mit reiner, glasklarer, nicht übergroßen aber äußerst warmer, hübscher und ausdrucksstarker Stimme weiß sie zu beeindrucken. Dass sie auch reizend anzusehen ist, kommt noch dazu und dann besitzt sie etwas, was leider heutzutage selten geworden ist, eine übersprühende Spiellaune. Bei jeder Geste jedem Ton von ihr merkt man die Leidenschaft, mit welcher sie sich bedingungslos in die Rolle wirft, eine exzellente Leistung.

Verena te Best, Anton Graner, Ella Tyran, Stefanb Reichmann, Alexandra Scholik, Viktor Schilowsky. Susanne Hellberg

Ella Tyran setzt als zweite Tochter Laura einen schönen klaren, vollmundigen und sicheren Sopran ein. Leider ist sie von Spiel her etwas zu sehr zurückhaltend, zu eisig, zu unnahbar. Natürlich sind die beiden Töchter etwas eingebildet und arrogant, aber für mich ist das eine kleine Spur zu viel. Sonst aber auch bei ihr eine untadelige Leistung. Alexandra Scholik bringt eine resolute, immer noch stimmschöne Palmartica Gräfin Nowalska auf die Bühne, der es Spaß macht zuzuhören aber auch zuzusehen. Eine weitere Bravourrolle hat Viktor Schilowsky dazubekommen. Er bringt einen mehr als rollendeckenden Oberst Ollendorf auf die Bühne. Verschlagen, intrigant, spielerisch ein Erzkomödiant, gesanglich eine gepflegte, durchsetzungsfähige doch auch warme und einfühlsame, kräftige und vollmundige Baritonröhre. Jeder Zoll ein nur an sich Denkender, der als Gouverneur von Krakau glaubt, sich alles herausnehmen zu können. Viel Zwischenapplaus auch für ihn. Und schließlich Susanne Hellberg in der kleinen Rolle des Offiziers Richthofen. Eine Vollblutkomödiantin, die alles aus dieser Rolle herausholt und bei der man sich mehr als nur ein Couplet gewünscht hätte. Sie ist und bleibt halt, auch in kleinen Rollen, die Stütze des Ensembles. Urs Mühlenthaler als Enterich, der sächsische Gefängniswärter, überzeugt in erster Line in schauspielerischer Hinsicht und auch ihm merkt man an, dass er sich vollkommen mit seiner Rolle identifiziert.

Erneut hat die Wiener Operettenbühne ihr Publikum überzeugt, begeistert und mitgerissen. Auch im zwanzigsten Bühnenjahr präsentiert sie sich frisch und jung wie eh und je. So wollen wir Operette auch weiterhin noch viele Jahre erleben.

Manfred Drescher, 17.01.2016

Fotos Eigenaufnahmen