Dresden: „La Traviata“

Besuchte Vorstellung am 9. November 2019

Premiere am 2.10.2009

Intensive Darstellung

Bei der Inszenierung von Andreas Homoki hängt der Erfolg vor allem von dem darstellerischen Talent der Protagonisten ab. Die bis auf eine rot/schwarze Wende-Wellblechwand und einen roten Sessel in schlichtem Nordland-Design leere Bühne bot den Rahmen zu starker Verdichtung persönlicher Begegnungen, was an diesem Abend gut gelang. Durch die einfache Handhabung der formbaren Wand ließen sich auch die Akt-Übergänge bei offener Bühne jeweils organisch entwickeln (Frank Philipp Schlößmann). Es wurde die junge Schickeria von heute gezeigt, die verloren im Überfluss und Überdruss kaum etwas anderes kennt als Sex, Drogen und Gewalt. Selbst im 2.Akt auf dem Land liefen einige der Party-Löwen in Entfernung um Violetta herum wie Rüden um eine läufige Hündin und lauerten auf ihre Chance. Dazu lieferten Gideon Davey und Frauke Schernau die entsprechend schillernd-schrillen Kostüme; Alfredo in Jeans und Karohemd wirkte daneben wie versehentlich in die Gesellschaft hineingeraten. Dazu passend wurden Giorgio Germont mit Frau und Tochter fast ebenso ärmlich ausstaffiert, wahrscheinlich um zu zeigen, dass man in einfacheren Kreisen noch mehr auf gute Sitten hält. Diese Betonung war überflüssig, wie auch bei Floras Fest einige Choristen in Unterhosen (es gibt nur wenige Männer, die man so auf die Bühne schicken sollte). Gerade solche Typen legen auf gutes Aussehen besonderen Wert.

Der international hoch gehandelte Stefano Ranzani am Pult der Sächsischen Staatskapelle war der einzige Italiener unter den Hauptbeteiligten. Er hatte stark damit zu tun, die Musiker zu teils ungewohnten Temposchwankungen mit dem Chor zusammen zu halten; aber er brachte damit auch mehr italienischen Schwung in den Abend. Sein feines Gespür für unterschwellige Stimmungen ließ ihn ebenso differenziert auf die Einzelnen eingehen. In der Titelrolle wirkte Katerina Tretyakova zu Beginn fast zu aufgesetzt und übertrieben. Mit hohem, intonationssicherem Sopran, der über viele Facetten verfügt, gelang es ihr vorzüglich zwischen aufgedrehten Party-Girl und echter Liebe zu schwanken, darstellerisch eine höchst intensive Leistung. Einsam auf und vor der roten Wand hielt sie mit exzellenter Piano-Kultur das gesamte Opernhaus in Atem. Ihr durchaus stimmlich ebenbürtig war der junge Armenier Liparit Avetisyan als Alfredo, der jungenhaft naiv durch die Schlingen des Lebens stolperte und sich nicht gegen die Familie durchsetzen konnte. Sein schöner, runder Tenor verspricht noch mehr Strahlkraft für die Zukunft.

Mit diesen beiden Sängerdarstellern konnte es Christoph Pohl als Giorgio Germont durchaus aufnehmen; er ist mit seinem schönen Bariton eine absolut sichere Bank, dem es nur ein wenig an Durchschlagskraft mangelt. Bei der aufkeimenden Unsicherheit Germonts gegenüber Violetta blieb er jedoch blass. Als Flora Bervoix machte die junge Anna Kudriashova-Stepanets mit lockerem Sopran gute Figur. Die übrigen kleineren Partien waren rollendeckend besetzt, so dass sich eine geschlossene Ensembleleistung ergab. Dazu gehörte natürlich last not least der Sächsische Staatsopernchor Dresden (Wolfram Tetzner), der ein ausgeglichenes Klangbild bot.

Der Beifall für alle Beteiligten im ausverkauften Haus war zu Recht heftig und lang.

Fotos: © Matthias Creutziger

Marion Eckels 10. November 2019

Weitere Vorstellungen: 15., 20., 22. und 27.11.2019