Dresden: „Nabucco“

Premiere am 25. 5. 2019

Allzu bekannte Bilder

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Wie von der Deutschen Oper Berlin ausgeborgt wirkt die Bühne von Patrick Bannwart für Verdis Dramma lirico Nabucco an der Semperoper. Der turmartige Aufbau von ärmlichen Flüchtlingsquartieren in vier Etagen ist ein ebenso abgegriffenes Bild wie später die verkohlte Ruinenlandschaft oder das Krankenbett für Nabucco in einer psychiatrischen Klinik.

Zu diesen sattsam bekannten Chiffren fügen sich die heutigen Kostüme von Meentje Nielsen – Khaki-Uniformen, Camouflage-Tarnanzüge – und die von Regisseur David Bösch eingesetzten Maschinengewehre, Benzinkanister, Pistolenschüsse und Nebelschwaden. Einige von ihm erdachte Episoden – wie eine Mutter, die in der Eingangsszene ihr verstorbenes Kind in einer Bretterkiste bestattet, oder der kopfüber aufgehängte und ausblutende Stier in einem grausamen Opferritual – bezeugen gleichermaßen das Leid der Hebräer wie die Brutalität der babylonischen Eroberer. Der Stierschädel steht als Symbol für den mächtigen Baal, und schwarze Fahnen mit diesem werden nach Nabuccos Einnahme des Tempels als Siegestrophäen aufgehängt. Optisch eher eine billige Lösung sind die überdimensionalen goldenen Lametta-Fäden, mit denen die hohen Gerüste geschmückt werden. Und Abigaille erscheint nach ihrer strengen Uniform beim ersten Auftritt nun in golden glitzernder Robe, umringt von ihren Gesellschafterinnen in roten Samtkleidern mit Sektgläsern. Angesichts solch banaler Einfälle war selbst Peter Konwitschnys Inszenierung dieser Oper von 1996 am selben Haus kühner.

Immerhin hatte der Premierenabend musikalisch seine Meriten, die vor allem dem Sächsischen Staatsopernchor Dresden und dem Sinfoniechor Dresden (Einstudierung: Jörn Hinnerk Andresen) zu verdanken sind. Verdis gewaltige Chöre ertönten so machtvoll wie kultiviert und homogen. Den berühmten Gesang der Hebräer in seiner ergreifenden Sehnsucht nach Freiheit stimmten die Choristen ganz zurückgenommen im Liegen an, erhoben sich dann mit langen weißen Blüten in den Händen und richteten ihren Appell an der Rampe mit langer Fermate ins Publikum. Auch die Sächsische Staatskapelle Dresden hatte unter Leitung von Omer Meir Wellber großen Anteil an der musikalischen Qualität der Premiere. Schon in der Sinfonia arbeitete der Dirigent die Kontraste zwischen kantablem Melos, pochenden Rhythmen und aggressiven Schlägen wirkungsvoll heraus und steigerte die Potpourri-Nummer rasant. Den straffen Zugriff behielt er bis zum Schluss bei und sorgte für ein reiches Farbspektrum von schmetternden Bläsern bis zu den warmen Klängen der Celli.

Mit besonderer Spannung war der Auftritt von Saioa Hernández in der heiklen Partie der machtgierigen Abigaille erwartet worden, hatte die spanische Sopranistin doch in der letzten Saisoneröffnung der Mailänder Scala im Dezember 2018 als Odabella in Verdis Attila einen Sensationserfolg errungen. Dresden nun markierte ihr Deutschland-, Semperoper- und Rollendebüt. Die voluminöse, durchschlagende Stimme von gutturalem Ton imponierte mit furchtlosen Spitzentönen und souverän absolvierten Intervallsprüngen. Das Rezitativ ihrer großen Szene, „Ben io t’invenni“, formulierte sie mit aggressivem Beiklang, die Arie, „Anch’io dischiuso un giorno“, bei der sie eine gefundene Puppe in den Arm nahm, mit kantabler Linie, um sich dann mit umso heftigerem Aplomb in die Cabaletta zu werfen. Nur in der Extremhöhe nahm der Sopran gelegentlich eine grelle Tönung an. Am Ende büßt Abigaille ihre Schuld mit dem Leben, nimmt Gift und bittet in ihrer Schlussszene („Su me… morente“) Fenena um Vergebung.

Christa Mayer sang diese Partie bereits in der Vorgänger-Inszenierung. Ihr Mezzo klingt nun resolut und nicht mehr jugendlich genug, hatte zudem deutliche Probleme in der oberen Lage bei ihrer Arie „Oh, dischiuso è il firmamento“. Enttäuschend auch der Auftritt des international renommierten Sängers Massimo Giordano als Ismaele, dessen Tenor bedenklich ramponiert und in der oberen Lage erstickt klang. Mit machtvoller Autorität ertönte der Bass von Vitalij Kowaljow als Zaccaria – keine balsamische, eher eine aufgeraute Stimme, die gleichwohl in den Cabaletten des Hohepriesters mit virilem Schwung auftrumpfte. Eine starke Leistung bot Andrzej Dobber in der Titelpartie. Mit markigem, potentem Bariton formte er sowohl die Kantilenen seiner Arien als auch deren heftige Ausbrüche mit vokalem Gewicht und expressiver Energie. Das Premierenpublikum feierte die Sänger, den Dirigenten und erstaunlicherweise auch das Regieteam. Nur ein einziges Buh verlor sich im allgemeinen Jubel.

Bern Hoppe, 29.5.2019

Bilder (c) Ludwig Olah