Münster: Sinfoniekonzert

Vorstellung am 26. April 2016

Der große Will Humburg endlich wieder in Münster

„Humburg zurück! Seinen Ruf sendet er her!“ dieser leicht veränderte Ausruf Brünnhildes aus der „Götterdämmerung“ soll Opernfreund daran erinnern, daß mit „Parsifal“, dem gesamten „Ring“ und den „Meistersingern“, deren Festwiese in ein Zelt auf dem Schloßplatz verlegt wurde, unter der musikalischen Leitung des damaligen GMD Will Humburg mit Peter Beat Wyrsch als Regisseur und Roland Aeschlimann als Bühnenbildner das Musiktheater von Münster seinen bisherigen Höhepunkt erlebte. Nostalgisch denkt man daran zurück, daß Evelyn Herlitzius in Münster ihre erste Brünnhilde sang, Christian Franz seinen (nach Kassel) zweiten Siegfried,, Georg Zeppenfeld Titurel und Fafner und dann seinen ersten König Philipp in „Don Carlo“ , eine Reihe später bekannt gewordener Sänger, die sich fortsetzen liesse. Freunde moderner Opern erinnern sich gern an den „Grand Macabre“ von Ligeti.

Das war auch wohl ein Grund für den starken Begrüssungsapplaus, mit dem Humburg als Gastdirigent begrüßt wurde.. Er begann gleich mit dem kompositorisch reifsten Werk des Abends, der vierten Sinfonie in B -Dur op. 60 von Ludwig van Beethoven, die im Rahmen der Aufführung aller seiner Sinfonien in dieser Spielzeit erklingt. Hier baute Humburg in der langsamen Einleitung des ersten Satzes ebenso wie vor dem Beginn der Reprise grosse dramatische Spannung auf durch Betonung der kühnen Harmonik und der dynamischen Gegensätze – Beethoven schreibt für die Geigen einmal ppp vor. Stark akzentuierte er dann dies auflösend die Akkorde mit den 16-tel-Aufschwüngen. Umso gegensätzlicher wirkte das wunderbar weich beginnende „cantabile“ des zweiten Satzes mit der exakt punktiert gespielten 16tel- Staccato-Begleitung, aus der er dann wieder eine grosse Steigerung entwickelte. Zwischen den ff-Schlußakkorden konnte man bewundern, wie leise eine Pauke geschlagen werden kann. Im dritten Satz, Scherzo, wenn auch nicht so bezeichnet, gelang exakt der rhythmisch schwierige Beginn mit dem Auftakt-Thema und man bewunderte im Trio die weich spielenden Bläser. Im schnell gespielten letzten Satz beeindruckten besonders die exakten 16-tel der Streicher. Nach dem ff-Schluß gab es dann für ein Eingangsstück sehr starken Applaus.

Es folgte das erste Klavierkonzert in Es-Dur von Franz Liszt gespielt vom vor allem durch seine Interpretation der Werke Johann Sebastian Bachs bekannten Martin Stadtfeld .Erstaunt war man, daß für dieses virtuose schwierige Werk Noten auf das Pult des Flügels gestellt wurden. Einfühlsam und poetisch, wenn auch mit vielen rubati, gelangen ihm die lyrischen – Espressivo – Passagen des Konzerts. Von meinem Platz vorne rechts konnte ich auch sehen, wie er zu Beginn des „Quasi Adagio“ zwei Pedale gleichzeitig betätigte. Für die ff-Oktavenläufe, Triller oder gebrochenen Akkorde fehlte wohl die Darstellung von „grandioso“ oder „marziale animato“ Ausserdem hatten der Dirigent und er verschiedene Vorstellungen des gewünschten Tempos, was manchmal zu Schwierigkeiten im Zusammenspiel führte.Trotzdem spielte das hier so berühmte Triangel rhythmisch exakt. Nach einer Etüde von Chopin als Zugabe hätte man sich von Stadtfeld mehr Chopin und weniger Liszt gewünscht.

Die abschliessenden „Pinien von Rom“ von Ottorino Respighi für ganz grosses Orchester mit Klavier, Celesta und Schlagzeug zur Darstellung der verschiedensten Klangfarben zeigten dann „Humburg at his best“ Mit heiteren Arpeggi ließ er die Kinder an der Villa Borghese spielen. Ganz eindrucksvoll gelangen zu Beginn des zweiten Satzes die fahlen pp-Töne der Bläser, als musikalische Darstellung der Katakomben, vielleicht der eindrucksvollste Teil des Stücks, mit dem dann stark an- und wieder abschwellenden Choral. Ein Fest für die einzelne Soli, Violinen, auch deren zwei, vor allem Klarinette, aber auch Flöte, Oboe und Fagott und Hörner war dann der dritte Teil, deutlich auch zu hören der Gesang der Nachtigall als technische Toneinspielung. Hier nimmt Respighi spätere Entwicklungen vorweg, wie er auch im letzten Satz das Klavier fast als Rhythmusinstrument benutzt. Dieser Satz im Marschrhythmus ist eigentlich eine Steigerung durch alle Instrumente hindurch von pppp bis ffff, gedacht ist wohl an eine von Ferne siegreich heimkehrende altrömische Legion. Für diese wohl dosierte dynamische und rhythmische Steigerung hatte Humburg den von ihm bekannten „langen Atem“. Wieder zu erkennen war auch seine Vorliebe für räumliche Darstellung einer solchen Steigerung. Die sechs altrömisch nachempfundenen Blasinstrumente, bucine genannt, wurden im obersten dritten Rang auf Tenorhörnern durch Mitglieder des Luftwaffenmusikkorps Münster machtvoll nachgeahmt..

In allen drei Stücken konnten Orchestermitglieder durch ihre Soli begeistern. Da die bereits erwähnte Klarinette neben Respighi auch bei Beethoven und Liszt solistisch hervortritt, war sie vielleicht das meistbeschäftigte Solo-Instrument des Abends

Die abschliessende akustische Rundum-Steigerung belohnte das Publikum mit Riesenapplaus und Bravo-Rufen, die kein Ende nehmen wollten, zum Schluß auch stehend.

Sigi Brockmann 27. April 2016

Foto Jürgen Christ/WN