Berlin: „Die Verlobung im Kloster“

Premiere am 13.4.2019

Optisch trüber Aufguss zu akustischem Krimsekt

Geradezu sadistisch gegenüber dem Publikum verhält sich Regisseur Dmitri Tcherniakov, wenn er den Zuschauern vor Augen führt, wie schön Oper sein kann, vor der „Zarenbraut“ vor einigen Jahren mit einem wunderschönen Bühnenbild des alten Russland zu Beginn und so zu den diesjährigen Festspielen der Berliner Staatsoper, indem er am endgültigen Schluss als Chor alle die lieben Operngestalten in wunderschönen Kostümen auftreten lässt: Butterfly und Carmen, Tosca und Salome, Wotan und Siegfried, Otello und Papageno, ach, man möchte sie ans Herz drücken und mit ihnen beweinen, was aus der Oper geworden ist. Zuvor war bereits das Ende des Abends mit dem Niedergehen des Vorhangs suggeriert worden, der Beifall war mau, wurde erst nach dem Schluss mit dem farbigen Bild wie aus dem Opernführer herzlicher.

Der Regisseur selbst legt in einigen unvermittelt an die Rückwand der Bühne geworfenen Videos Opernzuschauern Verachtung für das Genre Oper in den Mund, und man fragt sich, ob er damit die konventionelle oder die seines Zuschnitts meint. Von „Champagner“, den der Komponist Sergej Prokofjew in der englischen Komödie , die Vorlage zum Libretto von „Die Verlobung im Kloster“ wurde, zu spüren vermeinte, war im Vorfeld all überall die Rede, szenisch wurde leider einmal mehr ein abgestandenes Gebräu kredenzt, das den ohnehin für eine Buffa mit drei Stunden Dauer langen Abend als unendlich dauernd erscheinen ließ. Das Einheitsbühnenbild für die in Sevilla an wechselnden Schauplätzen spielende Komödie war eine frisch renovierte Sporthalle, gefüllt mit ausrangierten Sitzen aus einem Theater. In ihm wurde den teilweise mit mehreren Rollen bedachten Sängern Daueranwesenheit verordnet, so dass die Handlung um viele Heimlichkeiten, Verwechslungen und Entführungen von vornherein in ein ad absurdum geführt wurde, die Personen als wahre Deppen dargestellt wurden. Es hieß zwar auf einer Tafel, man wolle eine Oper erfinden, kam dabei über ein Personenverzeichnis und ein „Pause“ nicht hinaus. Stattdessen wurden komödiantische Szenen wie das Mönchsgelage einfach verschenkt, blieb es, wenn aus dem Orchestergraben zart Lyrisches erklang, auf der Bühne grobschlächtig oder fad. Betont unkleidsam waren auch die Kostüme von Elena Zaytseva, so für die Heldin Brille und weiße Söckchen, man kannte ihre Arbeit bereits aus dem Tristan der Staatsoper.

War die Optik ein Ärgernis, so hatte, was aus dem Orchestergraben und von der Bühne zu hören war, durchaus Festspielwürdiges. Daniel Barenboim arbeitete mit der Staatskapelle die Nuancen zwischen Ironischem, Sarkastischem, aber auch romantisch Schwelgendem und zarten Lyrismen fein heraus, so dass sich die Musiker beim Schlussapplaus auf der Bühne ungeteilten Jubels für ihre Leistung erfreuen konnten.

Der spiritus rector des Sängerensembles war Stephan Rügamer als Don Jerome mit facettenreichem Spiel als sicherer Gratwanderung zwischen Lächerlichkeit und durchaus vorhandener Grandezza und mit zu allen Schattierungen, die die Partie erfordert, fähigem Tenor. Das Stück wurde im Vorfeld verglichen mit den Buffe von Mozart und Rossini, aber die an diesem Abend zu hörenden slawischen Stimmen waren durchaus, und das ist kein Manko, als solche zu erkennen, so der bassgewaltige Mendoza von Goran Juric oder der sonor klingende Bariton von Andrey Zhilikhovsky als Don Ferdinand, ebenso wie der zweite Liebhaber, Don Antonio, dazu verdammt, einen recht dümmlich-dämlichen Eindruck, gern mit der Hand vor dem Schritt, zu machen.

Der Tenor Bogdan Volkov verfügt über einen strahlenden Lenski-Tenor, der die bescheidene Optik Lügen strafte. Einen etwas harten Bariton setzte Lauri Vasar für den Don Carlos ein. Dann gab es noch einen „Moderator“ (Maxim Paster), der aus unerfindlichen Gründen misshandelt wurde.

Pure Freude verbreiteten die drei Damen: Violeta Urmana als sattstimmige Duenna, Aida Garifullina mit schönem lyrischem Sopran und ganz, ganz wunderbar der Mezzosopran Anna Goryachova, leuchtend in bewundernswerter Ebenmäßigkeit.

Daniel Barenboim legte, als Buhs für die Regie erklangen, den Arm um seinen Regisseur, nett, aber unverständlich, da dieser einen wirklich schönen Abend, und das Werk hat das Potential dazu, verhindert hatte.

Fotos Ruth und Martin Walz

1^4.4.2019 Ingrid Wanja