Berlin: „Rivale“

Lucia Ronchetti

3. Vorstellung am 14.10.2017

(UA am 8.10.2017)

Glücklicher Neubeginn

Auch nach der Rückkehr in das alte Domizil Unter den Linden will die Staatsoper nicht auf ihr Experimentier-Theater verzichten, für das im Schillertheater die Werkstattbühne mit eigenem Zugang von der Straße her, mit Bar und mit Bänken versehenem Pausengang zur Verfügung stand. Nun gibt es innerhalb des Intendanz-Gebäudes die „Probenbühne szenisch 3“ mit frisch gestrichenen Säulen und neuem Parkettboden, dunkle Holzstufen führen empor, längst nicht so heimelig ist es wie am alten Platz, aber großzügiger und nun mit dem Orchester auf einer Ebene mit dem Publikum, das auf drei Seiten um das Bühnengeschehen herum sitzt.

Als Auftragswerk von Staatsoper Berlin und dem Staatstheater Braunschweig wurde am 8.10. die einstündige Oper „Rivale“ von Lucia Ronchetti .uraufgeführt, die ihr Libretto in französischer Sprache als Bearbeitung des Textbuchs von Antoin Dauchet für Campras‘ „Tancréde“- Oper, die sich wiederum an Torquato Tassos „La Gerusalemme liberata“ anlehnt, verfasste. Der Stoff hat nichts mit dem Tancredi von Rossinis gleichnamiger Oper zu tun, der hundert Jahre vor seinem Namensvetter lebte, allerdings auch schon im Kampf mit den Sarazenen lag. Die Musik greift barocke Elemente und solche der Musikschule Pérotins auf für den auch in vorbarocker Zeit höchst beliebten Stoff vom kreuzfahrenden Normannenkönig und der sich sterbend zum Christentum bekennenden Sarazenenprinzessin Clorinda , so Claudio Monteverdi mit seinem Madrigal „ Il combattimento di Tancredi e Clorinda“, mitverwendet aber auch Modernes, so an Led Zeppelin Orientiertes. Das Orchester besteht aus einer Bratsche, Blechbläsern und Schlagzeug., letzteres für den Schauplatz Schlachtfeld zuständig, erstere das Bild Tankreds vor das Auge von Clorinda und dem des Zuschauers zaubernd.

Nur Clorinda erlebt das Publikum in Fleisch und Blut, der geliebte Feind bzw. Rivale ist nur durch eine Rüstung vertreten, was aber nichts damit zu tun hat, dass in anderen Versionen des Stoffs Clorinda ihre Rüstung durch eine Nebenbuhlerin entwendet wird. In drei Szenen oder Phasen erlebt man die Wandlung der Prinzessin, die zunächst gegen ihre Gefangennahme und mehr noch durch das edle Verhalten Tancredes dabei verstört ist, im zweiten Teil im Zauberwald dessen Leben zu retten versucht und schließlich im dritten Teil glücklich den Tod durch ihn, der sie nicht erkannt hat, erleidet.

Von einer Bekehrung zum Christentum ist hier nicht die Rede, sondern vom Kampf zwischen Ehre und Liebe, zwischen der Kriegerin und der Frau, die sich entweder in Rüstung oder im barocken Brokatkleid zeigt. Das Geschehen spielt sich zwischen mehr oder weniger hohen Pforten aus Eisenstangen ab (Ausstattung Stephan von Wedel). Regisseurin Isabel Ostermann lässt in der einstündigen Aufführung ohne Pause ihre einzige Darstellerin alle Phasen und Nuancen zwischen hoch Pathetischem, Zärtlichem, Verzweifeltem, gar Groteskem auskosten.

War die Rückkehr auf die große Bühne der Staatsoper ein eher zweifelhaftes Unternehmen mit dem Zwitter aus gesungenem Schumann-Oratorium und gesprochener Goethe-Tragödie, so kann die Staatsoper mit der Einweihung ihrer neuen Werkstatt einen unangefochtenen Erfolg feiern. Zu verdanken ist der in erster Linie der wunderbaren Singschauspielerin Amira Elmadfa, die mit dunkel leuchtendem Mezzosopran ihre Partie singt, aber auch gurrt, flüstert, zischt, Sprechgesang und Melodie einander atemberaubend virtuos abwechseln lässt. Die Aufführung begann mit einer lang andauernden Stille und endete mit einer ebensolchen, die aber der Ergriffenheit und Bewunderung des Publikums für die Solistin geschuldet war.

Max Renne, bereits in vielen Produktionen in der Werkstatt des Schillertheaters bewährt, leitete das Orchester und hatte gleichzeitig viel Aufmerksamkeit für seine Solistin, während die Musiker nicht nur ihre Instrumente bedienen, sondern hin und wieder auch Atmosphäre schaffende vokale Äußerungen beisteuern mussten.

Möge der glückliche Beginn für die neue Werkstatt ein Zeichen für viele Spielzeiten mit weiteren interessanten Produktionen an dieser Stelle setzen!

Fotos Thomas Jauk

14.10.2017 Ingrid Wanja